Auktion
50000 Euro für Hitlers Zylinder

In Grasbrunn bei München kamen 842 Gegenstände aus der Zeit des Nationalsozialismus unter den Hammer

20.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:33 Uhr
Patrik Stäbler
Wer diese Gegenstände ersteigert hat, bleibt anonym: Angeboten wurden im Auktionshaus Hermann Historica unter anderem ein Truppenfahrrad der Wehrmacht (oben), ein Faltzylinder von Adolf Hitler (unten links) sowie ein Ehrenzeichen von den Olympischen Spielen 1936. −Foto: Balk/dpa

München (DK) Der Mann im dunklen Anzug blickt suchend im Saal umher, ob einer der Anwesenden sich noch mal zu Wort melden will. Sein linker Arm ist ausgestreckt, der Zeigefinger deutet auf einen Kollegen am Telefon, der soeben das aktuelle Höchstgebot von 50000 Euro entgegengenommen hat. "Fünfzigtausend Euro zum Ersten", ruft der Auktionator. "Fünfzigtausend zum Zweiten. Und Fünfzigtausend zum Dritten." Sagt's, und hämmert auf den Tisch.

Was hier im Auktionshaus Hermann Historica in Grasbrunn bei München soeben zum Preis eines gehobenen Mittelklasseautos versteigert wurde, ist ein Zylinder. Genauer gesagt: ein schwarzer Chapeau Claque, "belüftet u. druckfrei", wie im Deckel steht, und am Schweißband prangen die Initialen AH - für Adolf Hitler. Er soll diesen Zylinder getragen haben, den die US-Armee 1945 mitsamt weiterer persönlicher Gegenstände von Eva Braun beschlagnahmt hat. Nun also gehört Hitlers Hut einem neuen Besitzer, der wie alle Bieter dieser Auktion anonym bleibt.

Was er mit dem Zylinder vorhat? Das bleibt ebenso unklar wie die künftige Verwendung von Hermann Görings Taufzeugnis, das für 1500 Euro unter den Hammer kommt, oder der zwölf silbernen Kaffeelöffel aus dem Hause von Heinrich Himmler (4200 Euro). Insgesamt 842 Objekte, vorwiegend aus der Nazizeit, werden gestern stundenlang im Akkord versteigert; "Deutsche Zeitgeschichte - Orden und Militaria ab 1919" lautet der Titel der Auktion. Geboten wird im Vorfeld per Brief sowie live per Telefon, online und vor Ort von rund 50 Anwesenden im Saal. Medienvertreter sind dort nicht zugelassen, "weil bei den vielen Anfragen der Platz nicht ausreichen würde", hat Geschäftsführer Bernhard Pacher zuvor erläutert.

Denn auch, wenn es keineswegs die erste Auktion dieser Art von Hermann Historica ist - das öffentliche Interesse und die Entrüstung seien noch nie so groß gewesen, sagt Pacher. Unter anderem forderte Rabbi Menachem Margolin von der European Jewish Association (eja) in einem offenen Brief die Absage der Versteigerung, da man mit derlei Nazi-Relikten "einfach keinen Handel treiben sollte". Dem Auktionshaus schrieb der Rabbi: "Was Sie machen, ist nicht illegal - aber es ist falsch". Ähnlich klingt die Kritik von Charlotte Knobloch. "Persönliche Gegenstände aus den höchsten Ebenen des nationalsozialistischen Regimes zu versteigern, gehört für mich zu den Unternehmungen, die zwar nicht verboten sind, sich aber von selbst verbieten", sagt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. "Das Risiko wäre viel zu groß, dass Besitzungen einiger der größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte an Käufer gehen, die mit ihnen unkritisch oder sogar verherrlichend umgehen."

Derlei Kritik weist Pacher von Hermann Historica zurück. Ihm zufolge sind 75 Prozent der Käufer "renommierte Museen aus aller Welt"; dazu kämen "private Sammler, die sich wirklich akribisch mit dem Thema auseinandersetzen". Der "durchschnittliche Neonazi", so Pacher, komme allein wegen der Preise nicht als Käufer infrage. "Der geht auf irgendeine Memorabilia-Börse und kauft sich für 150 Euro eine Kopie von einem Wehrmachtshelm."

Zurück zur Auktion, die man live im Internet verfolgen kann. Nach einem Cocktailkleid von Eva Braun (4600 Euro) hat auch Hermann Görings Luxus-Ausgabe von "Mein Kampf" einen Käufer gefunden - für 130000 Euro. Davon gehen 20 Prozent als Provision an Hermann Historica, das bei den Versteigerungen stets nur als Vermittler zwischen Verkäufer und Käufer auftritt. Der Handel mit Nazi-Relikten ist eigentlich verboten. Jedoch macht das Gesetz eine Ausnahme, wenn es etwa um die staatsbürgerliche Aufklärung, die Kunst, Wissenschaft, Forschung oder Lehre geht - und genau darauf berufen sich Häuser wie Hermann Historica.

Alle Bieter müssten sich vorab anmelden und erklären, dass sie mit den entsprechenden Paragrafen im Strafgesetzbuch vertraut sind, sagt Geschäftsführer Pacher. Er sieht in dem Tun seines Hauses einen Beitrag zur Geschichtsforschung, schließlich handle es sich um Objekte deutscher Zeitgeschichte. Nur was soll ein Gewürzstreuer von Adolf Hitler (850 Euro) Erhellendes zur Forschung beitragen? Geschweige denn Hermann Görings Unterhose, die 2016 bei einer Hermann-Historica-Auktion für 3000 Euro den Besitzer wechselte. Damals kritisierten der Zeitung "Die Welt" zufolge zehn namhafte Museen und Gedenkstätten in einem offenen Brief die Versteigerung und ihren "Fetischcharakter". Zudem warnten die Unterzeichner, dass das Geschäft mit solchen Objekten den Nationalsozialismus "bagatellisiere" und ihn "verherrliche".

Ein letztes Mal zurück nach Grasbrunn: Knapp fünf Stunden dauert die Auktion nun schon, fast die Hälfte der 842 Objekte sind unter den Hammer gekommen. Der Gesamterlös beläuft sich bislang auf mehr als 850000 Euro. Soeben sind mehrere Servietten von Adolf Hitler versteigert worden. Einmal den Mund abwischen wie der Führer? Das gibt's hier für rund 700 Euro.

Patrik Stäbler