Riedenburg
500 Sekunden Reformationsalarm

Zahlreiche Riedenburger gedenken in der Christuskirche der Leistungen Martin Luthers

02.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:16 Uhr

In der Rolle des Reformators Martin Luther gab Alexander Heckel (Mitte) in der Christuskirche in Riedenburg einen Einblick in die Zeit des ausgehenden Mittelalters. Pfarrerin Petra Kringel aus Ingolstadt feierte mit den Gläubigen den Gottesdienst zum Reformationsjubliäum. - Foto: Erl

Riedenburg (DK) 500 Sekunden lang haben die Glocken der Riedenburger Christuskirche am Dienstag geläutet. Es war der "Reformationsalarm", wie Pfarrerin Petra Kringel den Gottesdienstbesuchern erklärte.

Die Kirchenbänke in der evangelischen Christuskirche in Riedenburg sind voll an diesem Reformationstag. Kein Wunder, denn vor 500 Jahren soll Martin Luther am 31. Oktober 1517 - dem Abend vor Allerheiligen - seine 95 Reformthesen an die Kirchentür zu Wittenberg geschlagen haben. Es sollte der Beginn der Reformation werden. 500 Jahre später steht Pfarrerin Petra Kringel auf der Kanzel in Riedenburg und hält einen kleinen Playmobil-Luther in der Hand. An der Wand in der sonst schmucklosen Kirche hängt ein Porträt des streitbaren Mönchs und in der ersten Kirchenbank sitzt Luther leibhaftig. Nein - nicht der streitbare Reformator selber, sondern Alexander Heckel aus Gerolfing in damaliger Tracht.

Luther ist in diesem Jubiläumsjahr allgegenwärtig, nicht nur bei den evangelischen Glaubensbrüdern. "Wird euch das nicht langsam auch zu viel - überall dieser Luther", erzählt die Pfarrerin aus Ingolstadt den Kirchenbesuchern - unter ihnen Ruhestandsstadtpfarrer Karl Heinz Memminger - von der Frage ihres katholischen Kollegen am Klinikum in Ingolstadt. Es ist ein gut gewählter Einstieg ins Thema, mit dem die Aushilfe auf der verwaisten Pfarrstelle von Riedenburg auf ihre Zuhörer zugeht. Sie begrüßt nicht nur die evangelischen Christen, sondern auch alle, die neugierig sind, und ebenso die Katholiken, die nur mal schauen wollen, wie die Evangelischen die Reformation feiern.

Den kleinen Plastik-Luther stellt sie dabei zu sich auf die Kanzelbrüstung, während der andere, der leibhaftige Luther, das Band zurück in die Zeit des ausgehenden Mittelalters knüpft. Für Alexander Heckl ist diese Rolle nicht neu, der Lektor ist öfters schon in den damaligen Talar geschlüpft. Heckl hat einen Korb voller Luther-Sprüche dabei, die er als einzelne Kärtchen verteilt. "Tritt frisch auf, mach's Maul auf, hör blad auf", "Ich habe heute viel zu tun, deshalb muss ich heute viel beten" oder "Gott will, dass wir fröhlich sind. Daher hat er alles so schön gestaltet", zitiert er und verschenkt alle Kärtchen an die Leute.

"Das neue Nachdenken über die Reformation zum Jubiläumsjahr hat mir einiges gebracht", knüpft die Theologin an diese fast schon persönliche Begegnung mit dem Reformator an. Luther habe die Botschaften der Reformation zusammengefasst. "Er wollte die Reformation der Kirche und ich glaube, das hat er geschafft", ist die Bilanz ihrer Analyse zum vergangenen halben Jahrtausend. Luther, so bekräftigte sie weiter, wollte nie zwei Kirchen, die Spaltung sei nicht seine Absicht gewesen. "Wir sind an die Katholiken gebunden, so wie die Katholiken an uns. Gleichzeitig sind wir alle verpflichtet in der Gemeinschaft der Christen", unterstrich die Pfarrerin. Und noch eines bekräftigte sie: Luther sei kein Heiliger, sondern ein markanter Mensch mit Ecken und Kanten gewesen, der auch manchmal über das Ziel hinausgeschossen sei. Etwa in seinen Äußerungen zu den Bauernkriegen ab 1524 oder über die Juden.

Sein geistiges Vermächtnis aber habe Deutschland und Europa geprägt, die Reformation ist nach Überzeugung der Theologin ein Kulturgut. Ein Symbol dieser geistigen Kraft ist die Lutherrose, an der Kirchentüre waren Karten davon mit einer kleinen Beschreibung verteilt worden. Auch Kringel ging in ihrer Predigt auf die Interpretation des Glaubenssymbols ein. "Die Menschen haben mit Luther einen neuen Weg zum Glauben gefunden und das Bewusstsein erhalten, keines Menschen Untertan zu sein", betonte sie den Freiheitsgedanken aus der Reformation. An einem Lutherspruch aber ließ sie sich selber messen. "Du darfst über alles predigen, aber nicht über 40 Minuten, sagte Luther. Daran habe ich mich heute wohl nicht gehalten", meinte sie schmunzelnd.

Als Erinnerung an diese Reformationsfeier spendierte sie der Gemeinde in Riedenburg einen Apfelbaum - auch in Anspielung an ein berühmtes Luther-Zitat. "Möge er weiter wachsen und Früchte tragen", wünschte sie dazu. Besonders wies sie die Kirchenbesucher noch auf einen akustischen Festbeitrag hin. "Um 15.17 Uhr läuten unsere Glocken 500 Sekunden lang. Das ist kein Feuer-, sondern ein Reformationsalarm", meinte sie in Anspielung auf die Jubiläumszahlen.