Pfaffenhofen
31-Jähriger vor Gericht: Ist "alte Hexe" eine Beleidigung?

Landrat hatte Mann angezeigt

15.10.2021 | Stand 20.10.2021, 3:33 Uhr
  −Foto: Ebener, dpa

Pfaffenhofen - Alte Hexe? Nein, beteuert der Angeklagte mit Nachdruck, das habe er nicht zu der Mitarbeiterin der Zulassungsstelle gesagt. Und deshalb hat er auch Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, den ihm das Amtsgericht wegen Beleidigung in den Briefkasten stecken ließ. Was aber hat er dann gesagt? Das Wort Hexe haben alle Zeugen sehr deutlich verstanden.

Dass Kilian P., 31, (Name geändert), die Mitarbeiterin als grimmigen Zerberus empfunden hat, daraus macht er keinen Hehl. An jenem Nachmittag im März war er nachmittags gegen Drei bei der Zulassungsstelle in Vohburg aufgekreuzt, um sein Motorrad anzumelden. Über Mund und Nase hatte er einen Schal gezogen. "Wo ist denn Ihre Maske", habe ihn die Mitarbeiterin angesprochen. In meiner Jacke, habe er geantwortet. Denn eigentlich habe er nicht so recht verstanden, warum er sie anziehen soll. "Die stand hinter einer Plexiglasscheibe und hatte auch keine an", rechtfertigt er sich vor Gericht. "Wenn keiner neben mir steht, warum sollte ich dann eine Maske tragen?" Amtsrichterin Katharina Laudien erteilt Nachhilfe: "Die Mitarbeiter bei den Behörden haben die Vorschriften nicht gemacht, aber sie müssen darauf achten, dass sie eingehalten werden."

Er habe sich dann ja auch die Maske übergestreift, sagt Kilian P., aber da sei er wieder zurechtgewiesen worden, er trage sie nicht richtig. "Aber es war auch nicht ganz falsch", erklärt er. Ja wie jetzt, will die Richterin wissen, "was ist der Unterschied zwischen nicht richtig und nicht ganz falsch?" Der Angeklagte macht's vor: "So!" Er zieht sich eine imaginäre Maske über den Mund, die Nase lässt er frei.

Der Staatsanwalt hat keine Lust, sich auf eine Diskussion über das richtige Tragen eines Mund-Nasenschutzes einzulassen. "Das ist hier nicht Verhandlungsgegenstand, es geht um die Beleidigung."

"Ein Zeuge hat auch gehört", bringt die Richterin die Verhandlung wieder auf die Schiene, "dass Sie alte Hexe gesagt haben." "Mir ging's nicht gut", räumt der Angeklagte ein. Er hatte am Kassenautomaten Probleme, die Gebühr für die Anmeldung zu zahlen. Er habe es mit seiner EC-Karte versucht, aber der Automat habe die nicht akzeptiert. Kein Wunder: "Ich hatte sie da reingeschoben, wo die Geldscheine reinkommen." Hat natürlich nicht funktioniert, und entsprechend genervt sei er gewesen. Und als ihn dann noch die Mitarbeiterin angefahren habe, er solle die Maske ordnungsgemäß überziehen, da habe er wohl gesagt, "was bist denn du für a oide Hex". "Aber das war keine Beleidigung, das war nicht negativ gemeint." "Positiv aber auch nicht", sagt die Richterin, "das versteht niemand positiv." "Ich kenne die", sagt Kilian P., "die ist unfreundlich." "Dann sagen Sie ihr", rät Laudien, "dass Sie sie als unfreundlich empfinden."

Ganz so hexenhaft ist die Mitarbeiterin denn doch nicht, im Gegenteil. Angezeigt hatte nicht sie den 31-Jährigen, sondern ihr Vorgesetzter, der Landrat. Ob sie ein Strafverfolgungsinteresse habe, fragt sie die Richterin. Ob sie also will, dass der Angeklagte bestraft wird. "Nein", sagt die Zeugin, "er hat mich ja nicht persönlich als Hexe bezeichnet." Eine Kollegin hatte das gehört. Es sei ja eher so allgemein gemeint gewesen.

Der Angeklagte möchte noch etwas sagen: "Danke, dass du kein Straf?, keine Strafverfolgung, also kein Interesse hast." "Kennen Sie sich", fragt die Richterin leicht irritiert. "Nein", sagt der Angeklagte, "wieso?" Laudien: "Duzen Sie denn jeden?" "Hab' ich geduzt?", fragt Kilian P. verwundert. Der Staatsanwalt nickt und ist damit einverstanden, dass die Amtsrichterin das Verfahren ohne Auflagen einstellt. Die Gerichtskosten gehen zu Lasten der Staatskasse. "Vielen Dank", sagt Kilian P. "Und unterlassen Sie in Zukunft solche Äußerungen", rät ihm Richterin Laudien, "das kommt nicht gut an."

PK