30 Jahre Mauerfall
30 Jahre Mauerfall: Die Stunde der Freiheit

So haben die Leser des DONAUKURIER den Mauerfall erlebt

08.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:21 Uhr
Ummerstadt in Nordbayern an der Thüringischen Grenze −Foto: privat

Als vor 30 Jahren, am 9. November 1989, die Mauer fiel, lagen sich nicht nur in Berlin Tausende Menschen vor Freude in den Armen. Auch an den Grenzübergängen zwischen Ost und West wurde gefeiert und zahlreiche DDR-Bürger nutzen ihre neu gewonnene Freiheit und strömten in den Westen. Wir wollten von unseren Lesern wissen, welche Erinnerungen sie an diesen besonderen Tag der deutschen Geschichte haben.

Als am 9. November 1989 um 18.53 Uhr Politbüro-Sprecher der SED Günther Schabowski  unvorbereitet erklärte, dass das Ausreiseverbot für DDR-Bürger in das nicht-sozialistische Ausland "sofort, unverzüglich" der Vergangenheit angehörte, blickte die ganze Welt nach Berlin, sah zu, wie die Mauer fiel. Eigentlich wollte die DDR die Reisefreiheit ab dem 10. November bewilligen. Tausende versammeln sich an den Grenzübergängen, drängen auf ihr neu gewonnenes Recht. Schließlich wird der Druck auf die Grenzbeamten zu groß und sie öffnen die Schleusen. Die Bilder sind bis heute unvergessen. Die nachfolgenden Generationen kennen diese jedoch nur aus den Medien oder dem Geschichtsunterricht. 

Hier lesen Sie einen Kommentar des stellvertretenden DONAUKURIER-Chefredakteurs zur Wiedervereinigung. " target="_blank" %>

Deswegen wollte der DONAUKURIER von seinen Lesern wissen, wie sie den Mauerfall erlebt haben. Einige Zuschriften erreichten unsere Redaktion, und auch bei Facebook kommentierten einige User, welche Erinnerung sie an den 9. November vor 30 Jahren haben. "Zu hause vorm TV" schrieben einige in den Kommentaren oder "Arbeiten ! Habe es erst am nächsten Tag erfahren!" Eine Leserin kommentierte: "Meine Mutter hat am Morgen noch einen Reisepass beantragt, weil sie mit einer Freundin DDR-Verwandtschaft besuchen wollte." Auch wenn ein Großteil der Westdeutschen den Mauerfall gespannt vor dem Fernseher verfolgte, waren andere ganz nah am Geschehen oder sogar persönlich involviert.

Mauern auch außerhalb Berlins

Die Mauer teilte nicht nur Berlin in Ost und West. Auch entlang der Landesgrenzen zwischen den alten und den heute neuen Bundesländern verlief ein Grenzzaun, der streng bewacht wurde. So auch an der bayerischen Grenze im Coburger Landkreis um den thüringischen Ort Görsdorf. DK-Leser Achim Leistner erinnert sich: "Diese Mauer sah genauso aus wie die in Berlin." Der Mauerfall in Berlin und die Grenzöffnung zwischen Thüringen und Bayern haben ihn sehr bewegt.

Leistner lebt seit fast 30 Jahren in Wolnzach (Landkreis Pfaffenhofen), ist aber nur knapp vier Kilometer vom Zaun zur Ostgrenze zwischen Ummerstadt und Coburg aufgewachsen. Auch er habe die Berichterstattung zum Mauerfall gespannt verfolgt: "Ich war beeindruckt von den Demonstrationen vor dem Mauerfall und den wöchentlichen Montagsgebeten in der ehemaligen DDR", schreibt er unserer Zeitung. Dennoch habe er ein mulmiges Gefühl dabei gehabt, da er Angst gehabt habe, dass der Ost-Westkonflikt, ähnlich wie in Rumänien oder China, mit Gewalt beendet werden könnte und er sich als Reservist der Bundeswehr in seinem Kampfpanzer Leopard an der Grenze bei Könighofen deutschen Soldaten der DDR entgegenstellen müsste."Umso glücklicher bin ich, dass dann doch alles friedlich verlaufen ist", so Leistner. "Ich bin fest davon überzeugt, dass die Montagsgebete im Osten wie im Westen Berge versetzt haben, was zur friedlichen Wiedervereinigung geführt hat." Als die Grenze geöffnet wurde, haben die Bayern gerührt und mit offenen Armen die überglücklichen Mitbürger aus dem Osten begrüßt, in die Arme genommen und dann mehrere Wochen lang ausgiebig miteinander gefeiert, berichtet Leistner.

Mauern einreißen- Grenzen überwinden

Auf der "anderen Seite" im thüringischen Ronneburg hat damals Marina Saro gelebt. Sie erinnert sich, dass sie an diesem Abend mit ihrer Familie "Westfernsehen" geschaut habe, die Kinder seien schon fürs Zubettgehen fertig gewesen. "Da meine Freundin schon Pläne hatte, illegal die DDR zu verlassen, war ich für sie überglücklich, dass dies vom Tisch ist und sie auf sicherem Weg 'abhauen' kann", berichtet Saro. Sie und ihre Familie seien damals "nicht so inspiriert, die DDR Hals über Kopf zu verlassen". So erging es vielen, denn eine Flucht war ein durchaus riskantes Vorhaben. Dennoch habe es Saro und ihre Familie in den Westen gezogen - allerdings "unspektakulär-spektakulär mit dem Taxi", wie sie schreibt. "Erst Mitte Februar 1990, als alles erledigt war und wir eine sichere Zukunft im Westen organisiert  hatten, sind auch wir in den  umgezogen." Für Marina Saro sei klar: "War eine Riesensache diese unblutige Revolution, und ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich die Nachrichten aus Ungarn höre." Dort werden seit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 die Forderungen nach einem Grenzzaun zur europäischen Außengrenze lauter.

Aus Feind wird Freund

Jürgen Koschollek aus Geltendorf ist gebürtiger Ingolstädter und war zur Zeit des Mauerfalls vor 30 Jahren nicht in seiner Heimatstadt, sondern in Flensburg bei der Bundesmarine. Kurz zuvor hatte er seine Weiterbildung zum Maaten (Unteroffizier) in Plön beendet. "Wir hatten das Unterrichtsfach 'Politische Bildung' und dabei uns wurde und natürlich im September 1989 noch beigebracht, dass die DDR unser größter Feind ist", erklärt Koschollek gegenüber unserer Zeitung. Nur zwei Monate später hatte sich die Situation verändert: "Die gleichen Offiziere meinten dann, wir sollen das jetzt ganz schnell vergessen, weil die Nationale Volksarmee nicht mehr unsere Feinde sind, sondern jetzt unsere Kameraden. So schnell hat sich die Welt zu einem besseren Ort gemacht."

 

Kristina Blum