240 Stunden Arbeit für fünf Minuten Ruhm

16.01.2008 | Stand 03.12.2020, 6:12 Uhr

Fans in Aktion: In einer Halle in der Nähe von Ingolstadt haben die ERC-Anhänger ihr Materiallager aufgeschlagen. Hier bringen sie ihre kreativen Ideen auf Folie und verbrauchen literweise Farbe – dieses Mal dreht sich bei ihrer Choreografie alles um eine Comicfigur, die im Bild auf dem Kopf steht. - Foto: Rehberger

Ingolstadt (DK) Nicht nur Kreativität, sondern auch viel Leidenschaft und Ausdauer legen die Fans des ERC Ingolstadt an den Tag, wenn sie eine Choreografie bauen. Die Botschaften und bunten Bilder sind nur für wenige Minuten in der Halle sichtbar, die Vorbereitung dauert dagegen viele Stunden.

Die weiße Halle in der Nähe von Ingolstadt gleicht einem Kühlhaus. Wer sich hier unterhält, produziert Atemwölkchen vor seinem Mund. Doch das eigene Wort ist ohnehin schwer zu verstehen, weil über allem laute Ska-Musik liegt, die aus einem CD-Spieler am Boden kommt. Das sind die Rahmenbedingungen, die die Gruppe ERC-Anhänger zwar nicht unbedingt braucht, die sie aber auch nicht schrecken, um ihr Werk zu vollenden: eine große Fan-Choreografie für das Spiel am kommenden Sonntag gegen den Erzrivalen aus Augsburg (Beginn 18.30 Uhr).

Wie das einstudierte Aufziehen ihrer Botschaft abläuft, wollen sie vorab nicht verraten. Genauso wie den exakten Standort der Halle. Ihre Choreografien hüten sie stets wie ein großes Geheimnis, das sich für die Zuschauer erst nach und nach in der Saturn-Arena lüften wird. Insgesamt dauert alles keine fünf Minuten. Der Fanbeauftragte Markus Schäfer, der einer der Bastler ist, will nur so viel rauslassen: "Daumenkino in XXL-Format hat noch keiner gemacht." Die ganze Eishalle soll eingespannt werden, wie das vor exakt einem Jahr bei gegen Köln der Fall war.

Damals bastelten die Fans ein riesiges rotes Herz aus Folie und hielten es in ihrem Block E, den Stehplätzen an der Südseite der Arena, hoch. Darüber kleine blaue Folien, darunter kleine weiße: die Farben des Vereins. Und auf der Gegengeraden und der Haupttribüne nahmen Zuschauer weitere Folien in die Hand, so dass die Linie eines Herzschlags entstand.

"Wir versuchen schon regelmäßig, zu den Derbys etwas zu machen", sagt Johannes Ostermeier, der beim ERC-Fanprojekt e. V. – Zusammenschluss der organisierten Fans – im Vorstand sitzt. Gegen Straubing, Nürnberg und eben gegen Augsburg strengen sie sich besonders an. Nur so ausführlich wie dieses Mal ist es schon länger nicht mehr gewesen. "Die ganze Sache hat sich etwas hochgeschaukelt", sagt Markus Schäfer, der als einer von zwei Fanbeauftragten das Bindeglied zwischen Verein und Anhang ist, in erster Linie aber natürlich Fan. Deshalb greift er gerne zum Pinsel.

Auf sechs Meter großen Folien verewigen die ERC-Fans in der kalten Halle ihre Abneigung gegen die Schwaben. Fünf bis zehn Leute seien regelmäßig dabei, sagt Ostermeier, der alles koordiniert. Die jungen Männer, alle so um die 20 Jahre alt, gehören verschiedenen Fanklubs (von den Treuen bis zu Blue-White-United) an. Sie opfern ihre Freizeit nicht nur für die weiten Auswärtsfahrten durch die ganze Republik. Auch für die fünf Minuten Ruhm, wenn die Choreografie in der Halle glänzt, basteln sie mit viel Leidenschaft. "Alles zusammengerechnet so um die 240 Mannstunden", sagt Ostermeier seien es für das Spiel am Sonntag gewesen. Überschlagen für die Fans also jede freie Minute in den vergangenen zwei Wochen.

Das Derby mache es nötig, die Fans fühlen sich provoziert. Und zwar so: Im ersten Saisonspiel Anfang September empfingen die ERC-Fans die Augsburger mit einem Plakat: "Ob wir siegen oder untergehn, wir stets zu unseren Farben stehn." Zu sehen war dazu eine Kogge mit ERC-Logo. Nächste Stufe: Das Schiff versenkten die Schwaben symbolisch bei ihrer Choreografie zum Oktober-Heimspiel in ihrer veralteten Eishalle. "Die Begrüßungen in Augsburg sind immer speziell – und zwar aggressiv", erinnert sich Schäfer. Das konnten sie nicht auf sich sitzen lassen, am Sonntag schlagen sie zurück.

Einige Ideen auf Lager

"Wenn wir ins Finale kommen, dann packen wir aber ganz andere Sachen aus", kündigt Ostermeier an. Die Ideen gehen ihnen nicht aus. "Den einen Kreativen gibt es aber nicht. Bei uns kommt jeder mal mit einer Idee." Mit seiner Gruppe hat Ostermeier noch einiges auf Lager. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Eine fertige Choreografie liegt in der Halle. Der Arbeitstitel lautet "Eishockeyhauptstadt Ingolstadt". Sie ist für den Tag gedacht, an dem der ERC wieder an der Tabellenspitze der Deutschen Eishockey-Liga steht. "Das wird noch dauern, bis wir die rausholen können", sagen die jungen Männer. Derzeit steht der Verein auf Platz zehn. "Man muss nur warten können." Auch wenn das in einer kalten Halle am Stadtrand ist.