Neuburg
17-Jähriger wollte Lehrer und vier Schüler umbringen

23.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:09 Uhr

Neuburg (DK) Manuel K. (Name geändert) gilt als Einzelgänger, der wenig soziale Kontakte hat und viel Zeit vor dem Computer verbringt. Dort glaubte er im vergangenen Jahr einen Seelenverwandten gefunden zu haben.

Genauso verbittert und enttäuscht wie er. Ihm vertraute der damals 16-Jährige seinen bis dahin geheimen Plan an: Den Mord an einem Lehrer seiner Schule sowie an vier ehemaligen Mitschülern. Er wolle sie erschießen, verkündete der Schüler aus dem Landkreis Pfaffenhofen im Internetdialog. Gestern musste er sich vor dem Neuburger Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richter Gerhard Reicherl verantworten.

Ungefähr zwei, drei Tage habe er mit seinem Internetpartner kommuniziert und dabei auch die ausgeklügelte Chronologie des Amoklaufs erwähnt. Dann schaltete der andere die Polizei ein. Das war Ende September vergangenen Jahres. Schnell gerieten die Beamten der Ingolstädter Polizei zu der Erkenntnis, dass die Drohungen des 16-Jährigen ernst zu nehmen seien. In den frühen Morgenstunden des 26. September stürmte ein Sondereinsatzkommando dann das Elternhaus von Manuel K.

"Hass und Mobbing"

Selbst als der Angeklagte fixiert auf dem Boden seines Zimmers gesessen sei, so ein Polizeibeamter, habe er unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass die Todesdrohungen kein Spaß gewesen seien. Neben Softairwaffen habe auch ein Gewehr sichergestellt werden können. "Hass und Mobbing" habe Manuel K. bei seiner Vernehmung als Tatmotive genannt. Daraufhin wurde der Schüler in die forensische Abteilung einer Klinik gebracht, wo er seither betreut wird.

Manuel K. ist ein unscheinbarer Junge, der vor dem Schöffengericht wortgewandt die an ihn gerichteten Fragen beantwortet. Das, was Staatsanwalt Robert Pohle ihm in der Anklageschrift vorwirft, räumt er in vollem Umfang ein. Pohle spricht in Anbetracht der psychischen Leiden des Angeklagten von verminderter Schuldfähigkeit.

Er sei von der Schule frustriert gewesen, sagt Manuel K. Und: "In Bezug auf den Lehrer habe ich einfach überreagiert. Es war ziemlich blöd von mir." Außerdem sei er nicht der klassische Amokläufer, denn "ich wollte niemanden umbringen, den ich gar nicht kenne. Leute, die man nicht kennt, umzubringen, ist das Allerletzte."

Erschütternde Worte eines 17-Jährigen, der nach Auskunft eines Polizeibeamten bei seiner Festnahme einen psychisch sehr angeschlagenen Eindruck hinterlassen habe. "Ich brauche Hilfe", sagt Manuel K. auch heute über sich. Mit der Schulpsychologin hatte er damals über seine Probleme gesprochen, den Kontakt dann aber offenbar abgebrochen. Gelitten habe er über Jahre, weil ihn jene vier ehemaligen Schulkameraden, die auf seiner Todesliste standen, permanent gemobbt hätten. "Die müssen mich nicht mögen, sollen mich aber wenigstens in Ruhe lassen. Ich wurde belästigt und beleidigt, obwohl ich mich von ihnen distanziert habe", erklärte der Angeklagte. Durch den Lehrer habe er sich falsch behandelt gefühlt.

Eigene Fantasiesprache

"Manuel zog sich von der Familie zurück und war auch schlecht in seine Klasse integriert", erklärt Jugendgerichtshelfer Hans Wolny. Immer mehr habe sich der Junge in Fantasie- und Rollenspiele am Computer geflüchtet, dafür sogar eine eigene Fantasiesprache erfunden. "Eine beginnende Persönlichkeitsstörung, hohe Kränkbarkeit, großes Misstrauen gegenüber allen anderen sowie depressive Stimmungen" diagnostiziert der Gutachter für den 17-Jährigen, bei dem nach wie vor von einem höheren Risiko auszugehen sei.

"Er hatte einen gezielten Plan, bei dem kein Unbeteiligter zu Schaden kommen sollte", steht für seine Stationsärztin fest. In der Klinik habe sich Manuel gut integriert. "Er braucht eine Umgebung, die ihn fördert und fordert und gleichzeitig eine psychotherapeutische Begleitung", riet sie.

"Unser Ziel muss sein, dass er keinen Amoklauf begeht", stellte der Jugendrichter fest. Deshalb sollen jetzt geeignete Einrichtungen ausfindig gemacht und freie Kapazitäten abgeklärt werden, so dass Manuel nach dem Urteil altersgerecht untergebracht werden kann. Der Prozess wird fortgesetzt.