Ingolstadt
150 000 Euro für nichts

06.10.2011 | Stand 03.12.2020, 2:19 Uhr

Ingolstadt (DK) Sie waren „wie ein altes Ehepaar“, doch inzwischen sind die bisherigen Gesellschafter eines Ingolstädter Autozulieferbetriebs sich spinnefeind.

Der eine zeigte den anderen wegen angeblichen Betrugs an. Ein 53-jähriger Ingenieur steht deshalb vor dem Amtsgericht. Er soll gut 150 000 Euro aus der Firma in die eigene Tasche gesteckt haben. Wie ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, hat der Mitgesellschafter zum Schein einen externen Werkzeugmacher als Berater engagiert und sich durch dessen angeblich fingierte Rechnungen das Geld ergaunert. Der Ingenieur streitet alle Vorwürfe ab.

Auslöser für den Fall war 2007 ein Großauftrag von BMW, den das Ingolstädter Konstruktionsbüro als Subunternehmer eines großen Produktentwicklungskonzerns übernommen hatte. Sie sollten die Mittelkonsole und eine Instrumententafel für das Model F12, also das 6er Cabrio, entwerfen. „Doch dafür fehlte uns die Manpower“, sagte der Angeklagte dem Gericht. Er als Projektleiter will den 72-jährigen Spritzguss-Experten aus Nordrhein-Westfalen angeworben haben, der sich nun wegen Beihilfe zum Betrug ebenfalls in Ingolstadt verantworten muss. Der Berater sollte die Frage klären, ob sich die Entwicklungen der Firma mit weiteren Ingenieuren überhaupt umsetzen ließen.

Doch von einem ausformulierten Beratervertrag fehlt ebenso jede Spur wie von Aufzeichnungen bei dem 72-Jährigen über den Projektfortschritt. „Es soll alles nur mündlich besprochen worden sein“, sagte ein Kriminalpolizist aus der Heimatstadt des Mitangeklagten. Bei der Hausdurchsuchung in Nordrhein-Westfalen stellte die Polizei insgesamt 21 Rechnungen an die Ingolstädter Konstruktionsfirma sicher. Wie die geforderte Summe von den rund 150 000 Euro zustande kam, das kann der 72-Jährige nicht genau belegen. Er habe zwar privat für sich Stundenzettel zu dem Projekt geführt, „die aber später angeblich alle entsorgt“, erklärte der Kripomann.

Durchsucht hat die Polizei auch ein Münchner Büro der Firma, allerdings nicht mehr: In Ingolstadt und dem seinerzeit zweiten Münchner Büro der Firma tauchte die Polizei nicht auf. „Ich habe das beantragt, aber die Staatsanwaltschaft wollte das damals nicht“, rechtfertigte sich gestern ein Beamter der Ingolstädter Kripo.

Joachim Schwarzenau, der Verteidiger des Ingenieurs, wirft den Behörden insgesamt „große Ermittlungsfehler“ vor. Er beantragte sogar, den Prozess komplett auszusetzen, bis umfangreich nachermittelt ist. Unter anderem lagern noch Daten auf dem Firmenserver in Ingolstadt, die seinen Mandanten eventuell entlasteten. Doch er könne nicht darauf zugreifen. Sein Kompagnon hatte den langjährigen Mitstreiter einfach vor die Tür gesetzt und entlassen.

Am 27. Oktober will das Gericht über die Aussetzung des Verfahrens entscheiden.