Ingolstadt
100 000. Operation und ein Wermutstropfen

Praxisklinik hat Grund zum Feiern, aber auch zur Sorge: Steigende Hygienekosten lasten auf ambulanten OP-Zentren

25.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

100 000 Operation in der Praxisklinik: Der Patient, Alexander Olah, ist eben aus der Narkose aufgewacht. Weil er auch noch Geburtstag hatte, gratulierten (von links): der Chirurg Frank Wütherich, Schwester Sabrina Meil sowie die Anästhesisten Heribert Lindner und Peter Kai Schrittenloher. - Foto: Herbert/Praxisklinik

Ingolstadt (DK) Ein Leistenbruch ist die 100 000. Operation, die in der seit 1992 bestehenden Praxisklinik, einem ambulanten OP-Zentrum am Westpark, durchgeführt wird. Der Patient, Alexander Olah aus Ingolstadt, hat am selben Tag auch noch Geburtstag. Er wird 59. Um 10 Uhr kommt er in die Praxis, eine Dreiviertelstunde später liegt er schon auf dem Operationstisch. Um 11.45 Uhr wacht er aus der Narkose auf und wird gegen 13.30 Uhr "in gutem Zustand" entlassen, wie Anästhesist Heribert Lindner versichert.

Lindner ist einer von drei Narkoseärzten, die die Praxisklinik im Ärztehaus am Westpark betreiben. 1992 öffnete das ambulante OP-Zentrum im Blauen Ärztehaus, 2002 zog das Team um Lindner und die Anästhesisten Hans Jörg Wiening und Peter Kai Schrittenloher in den Westpark, 2012 kam eine Privatklinik dazu. Die Zahl der ambulanten Operationen, die jährlich in der Klinik durchgeführt werden, liegt laut Lindner seit Jahren konstant bei rund 5000. Hier operieren fast 60 niedergelassene Ärzte aus zehn verschiedenen Fachrichtungen. Den 100 000. Eingriff führt der Chirurg Frank Wütherich durch.

Die Praxisklinik hat mit dem Jubiläum Grund zur Freude. "Aber auch zur Sorge", wie Heribert Lindner betont. Was die Ärzte umtreibt, ist eine Situation, die alle ambulanten OP-Zentren trifft, wie auch der Anästhesist und Intensivmediziner Thomas Ramolla, Leiter des Ambulanten OP-Zentrums am Klinikum, bestätigt. Hier wurden im vergangenen Jahr rund 6200 OPs durchgeführt.

"Bei jedem Eingriff gehen 55 Euro von unserem Honorar weg", sagt Lindner, der auch Vorsitzender des Landesverbandes für Ambulantes Operieren ist. Die Personalkosten hätten sich aufgrund neuer Hygienevorschriften vervierfacht. Die Gebührenordnung, der sogenannte EBM, nach dem auch die Praxisklinik abrechnet, sei aber seit 2005 gleich geblieben.

Im stationären Bereich werden für die Umsetzung der 2014 vom Robert Koch Institut zusätzlich erlassenen Hygienerichtlinien Mittel aus dem Gesundheitsfonds bereitgestellt. Für die ambulanten OP-Zentren gibt es hier noch keine zufriedenstellende Lösung. Nach einem Gutachten, das der Arzt Rainer Woischke, Fachreferent für Hygiene beim Bundesverband für Ambulantes Operieren (BAO) erstellt hat, kostet die zusätzliche Hygiene pro Eingriff 55 Euro. Das sind bei 5000 Operationen im Jahr 275 000 Euro. "Ein unhaltbarer Zustand", findet Lindner.

So müssen ambulante OP-Zentren nicht nur mehrmals im Jahr von einem externen Krankenhaus-Hygienearzt überprüft werden, auch eine zusätzliche Hygienefachkraft ist nötig. Dazu ein hygienebeauftragter Arzt und eine hygienebeauftragte Pflegekraft. "Die Kassen lassen uns im Regen stehen", sagt Lindner. Lediglich die Audi-BKK habe für die Problematik ein offenes Ohr und übernehme zumindest einen Teil der Kosten.

Ulrich Resch, Direktor der AOK Ingolstadt, verweist auf eine Hygienevereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern, die neu geschlossen worden sei. Bei vorliegender Rechnung erstatte die KVB die Kosten für entsprechende Hygiene-Fortbildungen von Ärzten und Pflegepersonal. Die Vereinbarung, sagt er, sei "ziemlich neu".

Das sei noch nicht "in trockenen Tüchern", entgegnet Lindner. Und mache einen "verschwindend kleinen Posten" aus. Der Landesverband für Ambulantes Operieren habe in Sachen Hygienekosten mehrfach vergeblich bei der Bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml interveniert. Lindner hofft, dass "Ministerpräsident Seehofer wenigstens durch die Lektüre seiner Heimatzeitung auf das Problem aufmerksam wird und entsprechende Schritte einleitet".