Ingolstadt
Ein Prozess von ungekanntem Ausmaß

Landgericht bereitet Presse auf Start des Falls Franziska am Montag vor – nur 25 Plätze für weitere Zuhörer

12.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:47 Uhr
Einweisung der anderen Art: Landgerichtspräsidentin Sibylle Dworazik (links) und Pressesprecher Gerhard Reicherl (stehend) informierten die akkreditierten Journalisten gestern, wie der wohl größte Prozess in der Geschichte der Ingolstädter Justiz ab Montag ablaufen wird. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Am Montag startet am Landgericht in Ingolstadt der meistbeachtete Prozess der vergangenen Jahre, der selbst die Geiselnahme in den Schatten stellt: Es geht um den Sexualmord an der zwölfjährigen Franziska sowie Sexualtaten gegen drei weitere Mädchen.

Allein 30 Pressevertreter haben sich akkreditiert. „In diesem Ausmaß, dieser Tragik, dieser Brisanz hatten wir noch nie einen Fall.“ Als sie gestern vor die Presse trat, fasste die Landgerichtspräsidentin Sibylle Dworazik die Dimension der Verhandlung zusammen. 18 Tage, mehr als 100 Zeugen, über ein Dutzend Sachverständige – und erstmals überhaupt startete das Landgericht sogar ein Akkreditierungsverfahren, um die Berichterstatter unterzubekommen. 30 Plätze stehen für die Medien zu Verfügung. „Sie sind vollständig belegt“, sagte Gerhard Reicherl, der Sprecher des Landgerichts, bei einem Rundgang durch das Gebäude. Aus dem ganzen Bundesgebiet und sogar aus Österreich haben sich Journalisten angekündigt, um ab Montag über die juristische Aufarbeitung des Verbrechens zu berichten, das Menschen weit über die Region hinaus schockiert hatte. Das Mädchen aus Möckenlohe war vor ziemlich genau elf Monaten tot im Rathei-Weiher bei Neuburg gefunden worden.

Am Montag um 9 Uhr geht es am Landgericht los mit dem Fall Franziska. Ab 8.15 Uhr wird der Sitzungssaal geöffnet, kündigte Reicherl an. Obwohl es der größte Raum des Gerichts ist, stehen dort neben den vergebenen Presseplätzen nur Sitze für 25 weitere Zuhörer in dem öffentlichen Prozess zur Verfügung. Sie werden nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ vergeben. Stehplätze sind nicht erlaubt. Das Gericht geht davon aus, dass viele Interessierte (zumindest zum Prozessauftakt) unverrichteter Dinge gehen müssen.

Das erste Mal wird die Öffentlichkeit am Montag den mutmaßlichen Täter Stefan B. aus Egweil (Kreis Eichstätt) zu Gesicht bekommen, der unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen (auch zu seinem eigenen Schutz in einer möglicherweise aufgeladenen Stimmung) in den Saal geführt wird. Zehn Fotografen und vier Kamerateams werden sein Bild (allerdings verpixelt) in die Welt hinaustragen.

Am ersten Verhandlungstag wird die Anklage gegen ihn verlesen, dann hat der 26-Jährige die Gelegenheit, sich zu äußern. Er hatte, wie Reicherl gestern auf Nachfrage eines Pressevertreters erklärte, in der ersten Vernehmung gegenüber der Polizei ein Geständnis abgegeben, sich seitdem aber nicht mehr zu dem Mordvorwurf oder dem Tathergang geäußert. Es liegen, wie kürzlich bekannt wurde, noch drei weitere Anklagepunkte mit Sexualdelikten gegen ihn vor, die in Ingolstadt mitverhandelt werden. Der mutmaßliche Täter soll kurz vor dem Übergriff auf Franziska auch eine 21-jährige Bekannte vergewaltigt haben. Und er soll zwei Mädchen unter 14 Jahren – wie Franziska rein rechtlich Kinder – sexuell missbraucht haben beziehungsweise wollte er „durch sexuelle Wortwahl auf sie Einfluss nehmen“, wie Reicherl sagte. In einem sozialen Netzwerk machte der Täter eindeutige (und mutmaßlich strafbare) Angebote.

Mit diesen Themenkomplexen wird das Gericht den Prozess nach dem Auftakt wohl zuerst bestreiten, kündigte Reicherl an. „Franziska steht nach dem ersten Tag wohl zunächst weniger im Mittelpunkt.“ Angesichts des Alters der Opfer und der „kindlichen Zeugen“, sagte Reicherl, „wird man damit rechnen müssen, dass die Öffentlichkeit punktuell von der Verhandlung ausgeschlossen wird“, um die Kinder zu schützen.

Freiwillig verzichten die Eltern von Franziska auf ihr Kommen. Sie treten zwar als Nebenkläger auf, werden aber von einer Ingolstädter Rechtsanwältin dabei vertreten.

Der Verteidiger des Angeklagten Stefan B. ist, anders als die auswärtigen Pressevertreter, mit den Räumen des Landgerichts vertraut: Rechtsanwalt Adam Ahmed (München) ist parallel in dem bereits laufenden Verfahren (DK berichtete) gegen den Ingolstädter aktiv, der seiner Lebensgefährtin in die Kehle schnitt.