„Dieses Rennen ist eine Hausnummer“
Hilpoltsteiner Jürgen Zwickel bewältigt Race Across The Alps in knapp unter 30 Stunden – Nur 23 Finisher

05.07.2023 | Stand 14.09.2023, 21:59 Uhr

18 Monate hat sich Jürgen Zwickel intensiv vorbereitet, um das Eintagesrennen in den Alpen meistern zu können. Foto: Rögner

Unter Radsportlern gilt es als das härteste Eintagesrennen der Welt. Beim Race Across The Alps warten 525 Kilometer, 14500 Höhenmeter und nicht weniger als zwölf Alpenpässe. Der Hilpoltsteiner Jürgen Zwickel hat sich dieser besonderen Herausforderung gestellt.

„Dieses Rennen ist schon eine Hausnummer“, erzählt der 53-Jährige, als er wieder daheim in Hilpoltstein ist. Wie hart es ist, zeigt auch der Blick auf die Teilnehmerzahlen: 40 waren heuer gemeldet, 34 traten an, 23 kamen ins Ziel. Zwickel ist einer, der es geschafft hat. Exakt 29:59 Stunden benötigte er, um von der österreichischen Gemeinde Nauders aus die große Runde durch Österreich, Südtirol und die Schweiz zu absolvieren. „Ich bin total zufrieden damit. Eigentlich wollte ich nur durchkommen.“ Als nette Zugabe qualifizierte er sich mit seiner Zeit auch noch für das legendäre Race Across America, wobei das momentan für ihn kein Thema ist – „zu teuer und zu aufwendig“.

525 Kilometer, 14500 Höhenmeter, nonstop – wie schafft man diese Extreme? Der Autor und Persönlichkeits-Coach, der seit drei Jahren intensiv Rad fährt, bereitet sich akribisch darauf vor. Nachdem er im vergangenen Sommer das Race Across Germany (1100 Kilometer, 8000 Höhenmeter) gefahren ist, hört er von dem Alpen-Rennen – und ist ziemlich schnell begeistert von der Idee, viele der bekanntesten Pässe an einem Tag und in einer Tour zu bezwingen. Im Urlaub fährt er das Stilfser Joch, einen Monat später schaut er sich noch mit Rad den Gaviapass und einen Teil des wegen seiner Steilheit gefürchteten Mortirolopasses an. Dann trifft er die Entscheidung und meldet sich für das Event an.

Eineinhalb Jahre voller intensiver Vorbereitung

„Die letzten 18 Monate bin ich rund 30000 Kilometer auf dem Rad gesessen und habe dabei etwa 250000 Höhenmeter überwunden.“ Im Winter spult er daheim auf der Rolle Stunde um Stunde ab, aber sobald es geht sammelt er draußen Höhenmeter, schiebt bewusst Trainingseinheiten in den Alpen ein. „Ich habe viel intensiver und mit höheren Umfängen als bisher trainiert.“ Eine Leistungsdiagnostik wenige Woche vor dem Start in Nauders bestätigte sein gutes Gefühl: Die Werte sind top, es kann losgehen.

Partnerin Heike Hofmair und einige Freunde begleiten ihn nach Nauders, dem Start- und Zielort. Unterwegs werden sie für die Versorgung zuständig sein, so dass sich der Hilpoltsteiner auf das Wesentliche konzentrieren kann. „Wenn der Fokus fehlt, kostet das viel Energie. Ich konzentriere mich auf das Fahren, den Rest muss das Team machen.“ Sie begleiten ihn auf der ganzen Tour mit dem Auto, warten oben an den Pässen, wo sie ihn mit neuen Getränken und der nötigen Ausrüstung, wie etwa passenden Klamotten, versorgen. Nachts spenden die Scheinwerfer zusätzliches Licht.

Reschenpass, Stilfser Joch („von der Gegend her und wegen des Blicks von oben auf die Serpentinen herab etwas ganz Besonderes“), Gavia – Pass für Pass arbeitet sich Zwickel vorwärts. Es läuft gut. Bergab kann er sich je nach Verkehr etwas erholen, verpflegt wird meist bergauf. Die Pausen auf den Übergängen sind kurz, geschlafen wird während des gesamten Rennens nicht. Auch den berüchtigten Mortirolo meistert der 53-Jährige ohne Probleme. Trotzdem: „Wenn die Höhenmeteranzeige des Tachos fünfstellig wird, aber immer noch etliche Höhenmeter fehlen, dann ist das ein spezielles Gefühl.“ Emotional wird es bei der Auffahrt zum Albula-Pass, als er an der Stelle vorbeifährt, wo wenige Tage zuvor der Radprofi Gino Mäder während des Giros tödlich verunglückt ist.

Unbekannter Umbrailpass wird zur Mentalitätsprobe

Eine Schlüsselpassage wird der Umbrailpass, der einzige Pass, den Zwickel nicht kennt. „Der war echt hart und ich habe Hitzewallungen bekommen, weil ich viel zu warm angezogen war, aber trotzdem schon mal ohne auf das Team zu warten mit der Auffahrt begonnen habe.“ Diese Passage habe er nur über den Kopf geschafft, meint der Hilpoltsteiner rückblickend. Überhaupt sei der Körper, die Fitness bei so einem Rennen zwar die Grundlage. „Aber irgendwann ist der Kopf entscheidend und gewinnt die Oberhand über den Körper.“ In solchen Momenten lerne er viel über sich selbst. Dinge, die er ins tägliche Leben zu übertragen versucht, aber auch in seine Vorträge einbaut und an seine Kunden weitergibt. „Du bist dein einziges Limit“, ist das Mantra des Mentalcoachs. „Nicht die Pässe und das Äußere sind die Grenze, sondern wie ich damit umgehe.“

HK