Nach dem Abstieg
Kommentar zum FC Ingolstadt: Sportlicher Scherbenhaufen

09.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:33 Uhr

Ingolstadts Spieler verabschieden sich mit Trikots, deren Rückenbeflockung "Danke Schanzer" ergibt. Foto: dpa

Eine Woche noch, dann ist das schwärzeste Kapitel in der 18-jährigen FCI-Historie Geschichte. Doch mit dem dritten Abstieg in die 3. Liga ist die Misere nicht beendet. Die entscheidende Frage lautet: Wie wollen die Schanzer im Verein eine neue Euphorie entfachen?

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Der Plan scheint klar: Das Dreigestirn mit Sportgeschäftsführer Dietmar Beiersdorfer, Sportdirektor Malte Metzelder und Trainer Rüdiger Rehm soll alle sportlichen Altlasten bereinigen, die der Klub seit den katastrophalen Fehlentscheidungen nach dem Aufstieg im vergangenen Sommer mitschleppt. Selbst nach der Verabschiedung von 14 Profis stehen noch etliche, teils nachverpflichtete Spieler unter Vertrag, die sich nicht für einen Neuanfang empfehlen konnten. Ein schwieriges und kostenintensives Unterfangen, weitere Profis loszuwerden und dann hungrige und begeisterungsfähige Kräfte zu verpflichten, die dem FCI neue Energie verleihen sollen und den erhofften Wiederaufstieg in Angriff nehmen können.

Viel Arbeit für Beiersdorfer und Metzelder, der bisher nicht nachweisen konnte, dass er den FCI voranbringt. Gegenüber der Öffentlichkeit machten sich beide rar, ließen Medienanfragen zurückweisen und übertrugen somit Trainer Rehm die Hauptlast in der Misere. Letzterer durfte Woche für Woche Erklärungen abgeben und sollte eine Mannschaft, in der sich mangels Qualität, Homogenität und Inspiration schwer neue Hierarchien entwickeln konnten, auf Kurs bringen. Das Desaster in der Torwartfrage mit Dejan Stojanovics anfänglichem Fehlgriff und späteren Verletzung, Hans Sarpeis Ausfall und der nach dem 5:0-Sieg in Nürnberg zu schnell verflogene Hoffnungsschimmer torpedierten Rehms Bemühungen zusätzlich. Seine Arbeit zu beurteilen ist daher schwierig. Rehm tritt offen und klar auf, seine fußballerischen Absichten und Ankündigungen setzte die Mannschaft aber selten um, und deshalb geht auch der 43-Jährige angeschlagen in die neue Saison. Und dennoch: Mit diesem Trio den Neuaufbau umzusetzen, ist wohl die beste Option, die der FCI noch hat.

Jene im Verein, die den Kahlschlag der sportlichen Leitung vor der Saison mitbetrieben haben, können sich glücklich schätzen, dass sie noch in Amt und Würden sind. Hier wäre ebenfalls eine Zäsur angebracht gewesen. So aber ergaben der Trainerrauswurf von Tomas Oral sowie die völlige Unfähigkeit des damaligen Sportchefs Florian Zehe und vorherigen Nachwuchstrainers Roberto Pätzold, die Mannschaft richtig einzuschätzen und entsprechend zu verstärken, eine toxische Mischung. Mangels (weitreichenderer) Konsequenzen für Mitverantwortliche wie Geschäftsführer Manuel Sternisa war dies ein dauerhafter Stachel im Aufstiegsteam und konnte auch als Alibi für schwache Leistungen herhalten.

Jetzt ruhen die Hoffnungen auf der beispielhaften Infrastruktur rund um den Audi-Sportpark, die Strahlkraft des Hauptsponsors und das damit verbundene gute wirtschaftliche Netzwerk. Darum wird der FC Ingolstadt gerade in der 3. Liga nach wie vor beneidet. Ob das ausreicht, dass sich der Verein nochmals stabilisieren und einen neuen Aufschwung nehmen kann, wird sich zeigen. Die Liste der darbenden Traditionsvereine und gestrauchelten Klubs in der 3. Liga ist lang – die Schanzer sind gewarnt, es geht um die Zukunft des Vereins.

Gottfried Sterner