Die Philosophie wandert in der Zugspitzregion mit

28.10.2023 | Stand 28.10.2023, 5:00 Uhr

Philosophieren mit Ausblick: Auf dem Philosophenweg von Garmisch-Partenkirchen nach Farchant kommen nicht nur intellektuell anspruchsvolle Spaziergänger auf ihre Kosten. Vom Weg aus eröffnen sich auch immer wieder imposante Panoramen auf das Wettersteinmassiv mit der Zugspitze (ganz rechts). − Fotos: Alexander Augustin

Auf dem schmalen Grat zwischen modernem Tourismus und dem Bewahren der lokalen Traditionen wandern alle Destinationen in den Alpen – auch die Zugspitz-Region. Der sanfte Tourismus soll schon bei der Anreise beginnen.



Konfuzius hat es nicht auf eine der Bänke geschafft. Dabei hat er in grauer Vorzeit ja das philosophischste aller Wander-Zitate geprägt: „Der Weg ist das Ziel.“ Ob der chinesische Denker ein begeisterter Wanderer war, ist nicht überliefert und im modernen Sinne sogar höchst unwahrscheinlich. Auf dem Philosophenweg zwischen St. Anton und Farchant unweit der Zugspitze wäre aber auch er sicher noch auf den ein oder anderen frischen Gedanken gekommen. Den Genussweg säumen viele Sitzbänke, auf jeder das Zitat eines berühmten Philosophen. Entschleunigung für Geist und Körper.

Gitte Juhran, Spitzname „Cat“, kommt regelmäßig hierher, um Blick und Gedanken schweifen zu lassen. Sie liest das Zitat auf einer der Bänke, setzt sich darauf und schaut ins Tal, dahinter die Hausberge. Sie denkt dann an ihre nächste Bergtour und manchmal auch an Berlin, das sie vor 16 Jahren verlassen hat. „Ich bin für ein Praktikum gekommen, sechs Monate“, sagt Juhran. Das war der Plan, das Leben kam dazwischen.

Ihre Faszination für die Zugspitz-Region hat sie sich über all die Jahre bewahrt. Klar, der höchste Berg des Landes ist für viele Menschen ein Sehnsuchtsort, aber auch in der Umgebung gibt es so viel zu sehen: Orte, die sich trotz der Herausforderungen des modernen Tourismus ihren Kern bewahrt haben, Seen, Almen und Orte mit atemberaubenden Panoramen.

Spagat zwischen Moderne und Tradition gelingt

Bei ihren Touren, mal kletternd, mal wandernd, im Winter auch mit Tourenskiern oder Schneeschuhen, zeigt sie Besuchern ihre gar nicht mehr so neue Heimat. „Ich war schon immer ein Bergfex“, sagt Gitte Juhran über sich. Auf der ganzen Welt hat sie schon Gipfel bestiegen – ihr Herz blieb immer in der Zugspitz-Region.

Sie hat erlebt, wie sich der Tourismus und damit auch die Region in den vergangenen Jahren verändert hat. Gerade die Corona-Pandemie hat dem heimatnahen, sanften Tourismus einen Schub verliehen. Von der Entwicklung nicht überholt zu werden, das ist die große Herausforderung vieler Destinationen im Alpenraum.

Modern sein und trotzdem die lokale Kultur nicht verlieren – diesen Spagat versucht auch die Zugspitzregion hinzubekommen. Das ist ihr auch vor dem Outdoor-Hype schon ganz gut gelungen. Wer in den Orten in der Nähe von Deutschlands höchster Gebirgskette, dem Wettersteinmassiv, nach großen Wellnesshotels sucht, wird verhältnismäßig lange suchen – egal ob in Garmisch-Partenkirchen, Mittenwald oder Murnau. In Farchant etwa, wo Juhran ihre Heimat gefunden hat, hat man es geschafft, den Tourismus mit der nachhaltigen Ortsentwicklung zu verbinden. Es gibt einen Dorfladen, der von Einheimischen und Besuchern gleichermaßen frequentiert wird, dazu viele andere kleine Geschäfte. So bleibt das Dorf mit seinen gut 3500 Einwohnern lebendig und vor allem: zukunftsfähig.

Außerhalb des Dorfkerns ist kürzlich ein großes Explorer-Hotel entstanden, bei weitem nicht unumstritten in der Bevölkerung. Gitte Juhran sieht die positiven Seiten, zumal das Konzept ganz gut hineinpasst in das der Region: wenig Chic-Chic, viel Nachhaltigkeit. Ein Angebot der Hotelbetreiber: Jeder Urlauber, der mit dem Zug anreist, erhält zehn Prozent Rabatt auf seine Übernachtung.

Es ist Teil eines Puzzles, das die Verantwortlichen der Region gerade zusammenzubasteln versuchen: „Unser zentrales Thema momentan ist der ÖPNV“, sagt Philipp Holz, Tourismusmanager der Zugspitz-Region. Zum einen wolle man mit einem Nahverkehrskonzept seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten, zum anderen hat das Projekt ganz praktische Gründe: „Wir wollen auch die Menschen vor Ort entlasten, es gibt sehr viele Staus“, sagt Holz. Einfache Rechnung: Je mehr Touristen auf der Schiene anreisen, desto weniger kommen mit dem Auto. Und je besser der ÖPNV in der Region ausgebaut und aufeinander abgestimmt ist, desto mehr Menschen nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel auch zur Anreise.

Naturschauspiel in der Höllentalklamm

Die lohnt sich in jedem Fall. Von Hammersbach aus etwa lässt sich das Höllental erwandern. In der gleichnamigen Klamm befindet man sich in einer anderen Welt. Das Wasser kommt von allen Seiten, der Bachlauf ist tiefblau. Am oberen Ausgang der Klamm beginnt das Hochgebirge, nur noch für etwas erfahrenere Wanderer geeignet. Familienfreundlich geht es dann in und um Farchant zu. Der Philosophenweg ist Teil eines breit angelegten Angebots für Touristen jedes Alters. Auf dem neu angelegten Walderlebnispfad lernen Kinder spielerisch die heimische Natur kennen. In einer Schlucht wenige Gehminuten entfernt warten dann die Kuhfluchtwasserfälle, mit 270 Metern Falltiefe die höchsten ihrer Art in der Zugspitz-Region.

Und auch kulturell hat die Region vieles zu bieten. Mittenwald ist bekannt für seine Geigenbauerkunst, Musikliebhaber kommen im Richard-Strauss-Institut in Garmisch-Partenkirchen auf ihre Kosten – und Murnau hat sich das Prädikat „malerisch“ im wahrsten Wortsinne verdient. Einige Gebäude im Ort und die Landschaft rund um den Ammersee sind immer wieder Motiv gewesen für berühmte expressionistische Gemälde.

Für alle Philosophie-Freunde gibt es den Weg oberhalb von Farchant. Gitte Juhran braucht weder Philosophie noch Kunstausstellungen. Ihre Lieblingsgemälde sind die, die die Natur rund um die Zugspitze zeichnet. Sie kann sich daran einfach nicht satt sehen, auch nach 16 Jahren nicht.


INFORMATIONEN
Die Zugspitz-Region ist ein touristischer Zusammenschluss des Landkreises Garmisch-Partenkirchen. Ihm gehören sechs Destinationen im oberbayerischen Süden an: ZugspitzLand, Alpenwelt Karwendel, das Blaue Land, der Naturpark Ammergauer Alpen sowie die Gemeinden Garmisch-Partenkirchen und Grainau. Diese arbeiten in Sachen ÖPNV, Kultur und touristische Angebote immer enger zusammen. Die Zugspitz-Region umschließt 22 Orte, 16 Naturschutzgebiete und ein 1200 Kilometer langes Netz aus Wanderwegen.

ANREISEN
Schneller geht’s mit dem Auto nach Garmisch-Partenkirchen – wenn die A95 von München in Richtung Süden einmal nicht verstopft ist. Die Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist eine ernsthafte Option für Reisende. Nach Garmisch-Partenkirchen verkehren aus vielen großen deutschen Städten ICE-Züge, aus München fährt zusätzlich im Stundentakt die Regionalbahn. Vor Ort ist der Nahverkehr für die Besitzer einer elektronischen Gästekarte kostenlos. Übernachtungsgäste bekommen diese in vielen Orten automatisch beim Check-In.

ÜBERNACHTEN
Raus aus dem Bett und rauf auf die Berge? Im Hotel Hammersbach im gleichnamigen Ort ist das möglich. Unmittelbar hinter dem Hotel kann man ins Wanderwegenetz einsteigen, die Höllentalklamm ist nur eine Stunde Fußmarsch entfernt. Das Hotel selbst bietet in seinem Wellnessbereich ausreichend Gelegenheit zur Entspannung nach Wandertagen.

www.zugspitz-region.de
www.zugspitzland.de


Redakteur Alexander Augustin wanderte auf Einladung der Zugspitz-Region im Umland von Deutschlands höchstem Berg.