Kostenloser ÖPNV bei Führerscheinabgabe
Manche Kommunen unterbreiten die früher Senioren vorbehaltene Offerte allen Bürgern

27.09.2023 | Stand 27.09.2023, 11:00 Uhr

Manche ältere Menschen fühlen sich beim Autofahren unsicher und geben ihren Führerschein freiwillig ab. Foto: Kastl, dpa-Archiv

Dass man Senioren – aufgrund häufig nachlassender Seh- und Hörkraft nicht immer die sichersten Autofahrer – das Angebot macht, gegen Abgabe des Führerscheins kostenfrei den ÖPNV zu nutzen: Das gibt es schon länger. Einen radikalen Schritt geht jetzt der Ennepe-Ruhr-Kreis in Nordrhein-Westfalen: Er weitet das Angebot auf sämtliche Einwohner aus, die einen Führerschein besitzen.

Und die kreisfreie Hansestadt Lübeck legt sogar noch ein kostenfreies Deutschlandticket oben drauf; allerdings ist das Angebot dort limitiert und zeitlich befristet.

Über 500 Menschen haben in Ingolstadt Angebot angenommen

Ganz so weit ist es im Autoland Bayern zwar noch nicht – aber auch hierzulande tut sich einiges. Mehr als 500 Menschen haben beispielsweise in Ingolstadt in den vergangenen fünf Jahren das Angebot angenommen, ihren Führerschein abzugeben und sich nur noch mit den Öffentlichen fortzubewegen, ist aus dem Rathaus zu erfahren. Prozentual noch mehr – gemessen an der Einwohnerzahl – sind es in Landshut: Hier geben im Schnitt 70 Personen pro Jahr ihren Führerschein ab, um dafür entgeldlos im ÖPNV zu fahren.

Nicht überall läuft es so gut, groß beworben wird es nicht unbedingt. Thomas Naumann, Sprecher des Arbeitskreises Mobilität & Regionalentwicklung der Stadt Würzburg, erläutert, warum: „Weil solche Aktionen aus dem Kommunalhaushalt finanziert werden mussten.“ Auch würden es mitunter Menschen wieder rückgängig machen – weil es eben nur ein begrenztes Territorium umfasst. Schon ins nahe Aschaffenburg gelangt man nur mit dem Regionalexpress, eine S-Bahn gibt es nicht. In Würzburg geben jährlich nur rund 20 Menschen den Führerschein ab.

Persönliche Ansprache der Menschen wichtig

Wichtig für den Erfolg von Umstiegsprojekten ist nach den Erfahrungen der Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg (VAG) die persönliche Ansprache der Menschen. Darum führt die VAG seit 1999 regelmäßig Serviceaktionen in ausgewählten Stadtvierteln durch. Die Bürger werden dabei über die VAG und ihre Angebote informiert, es gibt Schnuppertickets, Fragen werden beantwortet und Wünsche erfasst.

Nicht möglich ist der Tausch in der Landeshauptstadt, wie ein Sprecher des Münchner Kreisverwaltungsreferats erläuterte. Die rechtliche Prüfung habe aber ergeben, dass eine Abgabe des Führerscheins formal keine Auswirkungen hat, denn die Fahrerlaubnis wird damit nicht formal ungültig. Jeder, der einmal die Fahrprüfung bestanden hat und dem sie nicht per gerichtlichen Beschluss entzogen wurde, kann jederzeit eine neue beantragen.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sieht das Projekt zwar grundsätzlich positiv, bleibt aber ein wenig skeptisch. „Wichtig ist mir aber die Freiwilligkeit. Niemand darf gezwungen werden.“ Denn gerade im ländlichen Raum seien viele Menschen im Alltag auf ihr Auto angewiesen, so der Ressortchef. „Eine bayernweite Tauschaktion halte ich deshalb nicht für sinnvoll.“