Bayern-Dominanz nach elf Jahren gebrochen
Kommentar zu Alonsos Coup mit Bayer: Vizekusen adé, Meisterkusen olé!

14.04.2024 | Stand 15.04.2024, 13:57 Uhr

Obligatorische Bierdusche: Xabi Alonsos Mannschaft überfiel den Meistertrainer am Sonntagabend während der Pressekonferenz. Foto: Imago Images

Bayer 04 Leverkusen ist erstmals in seiner 120-jährigen Vereinsgeschichte Deutscher Fußball-Meister. Unser Sportredakteur Alexander Petri kommentiert:

„Dieser Verein wird nie etwas gewinnen, nie, nie, nie!“ Das sagte vor fast einem Vierteljahrhundert Emerson Ferreira da Rosa über Bayer 04 Leverkusen. Dieser Emerson, einer der besten Mittelfeldspieler der Fußball-Welt, hatte mit dem Klub soeben am letzten Spieltag der Saison 1999/2000 den sicher geglaubten ersten Meistertitel verspielt – durch ein 0:2 bei der SpVgg Unterhaching. Der Brasilianer wechselte zur AS Rom und feierte die italienische Meisterschaft, während sich seine düstere Prophezeiung für Leverkusen zu bewahrheiten schien: Nach drei Vize-Titeln 2002 war aus Leverkusen trotz des Uefa-Cup-Sieges 1988 und des Pokal-Triumphs 1993 endgültig Vizekusen geworden. Bis zu diesem Sonntag, als eine famose Werkself den Emerson-Fluch gebrochen hat.

„Vizekusen“ als Running Gag der Bundesliga

Wie viel dieser Meistertitel dem Klub und dessen Fans bedeutet, ist für Außenstehende kaum zu ermessen – und schon gar nicht für die Anhänger von Abo-Meister FC Bayern. Über Jahrzehnte war Vizekusen der Running Gag der Bundesliga. Von einem Meistertitel wagten angesichts der Münchner Übermacht und des Dauer-Scheiterns, das in die Klub-DNA eingewachsen zu sein schien, viele nicht mehr zu träumen. Einer schon: Geschäftsführer Fernando Carro, seit 2018 im Amt. Der fußballaffine Wirtschaftsmanager aus Spanien verbannte den Begriff Vizekusen auf den Index, etablierte in dem etwas genügsam gewordenen Klub eine Leistungskultur und gab anstatt der Champions-League-Teilnahme den Meistertitel als Ziel aus. Sportdirektor Simon Rolfes machte aus dem Kader um Top-Talent Florian Wirtz mit anderswo unterschätzten Profis wie Granit Xhaka oder Alejandro Grimaldo und weiteren den in der Breite besten der Bayer-Historie, und Trainer Xabi Alonso fügte alle Puzzleteile in Rekordzeit perfekt zusammen.

Mehr als 54000 Mitglieder im „Pillenklub“ Bayer 04 Leverkusen



Der Erfolg hat beim einstigen „Pillenklub“, der sein Stadion angeblich nur mit Freikarten auslasten konnte, einen Boom ausgelöst. Wer eine Dauerkarte für die BayArena will, muss auf eine Warteliste, bei allen Auswärtsspielen der Saison rief Leverkusen die kompletten Ticketkontingente ab, und so viele Trikots wie heuer verkaufte der Klub mit inzwischen mehr als 54000 Mitgliedern auch noch nie. Die Euphorie wird anhalten, denn Alonso und die Leistungsträger um Wirtz bleiben mindestens eine weitere Saison in Leverkusen. Gut möglich, dass in den kommenden Wochen weitere Titel gefeiert werden können. Und ebenfalls gut möglich, dass es mit der nächsten Meisterschaft nicht wieder 24 Jahre dauert.

red