Beim ersten Auftritt auf der Fußball-Weltbühne wollte Katars Team mit den Großen mithalten. Doch der Druck auf die Mannschaft war offenbar zu groß. Der Coach sieht viele Beschränkungen.
Zumindest ein Tor konnten sie bejubeln, ein Kopfball, der die sportliche Ehre der Katarer etwas rettete. Die katarische Staatsagentur QNA sprach nach der 1:3-Niederlage gegen Senegal von einem «historischen» Treffer. Doch viel mehr hatten die Fußballfans im Emirat nicht zu feiern.
Sportlich fällt die Bilanz der Katarer bei der Fußball-Weltmeisterschaft am Golf nach zwei Spielen äußerst ernüchternd aus. Zwei Spiele, zweimal chancenlos. Ein Tor, null Punkte. Das Aus in der Vorrunde besiegelt nach nur zwei Auftritten. Noch nie scheiterte ein Gastgeber bei einer WM so sang- und klanglos wie Katar. Das katarische Blatt «Al-Sharq» titelte: «Schmerzliches Aus - das Ende des Traums.»
Katar bereitete sich akribisch auf die WM vor
Als hätten viele Anhänger mit dem Ausgang gerechnet, blieben am Freitagabend im Al-Thumama-Stadion im vielleicht wichtigsten Spiel der katarischen Fußballgeschichte etliche Plätze auf den Tribünen leer. Kapitän Hassan Al-Haydos entschuldigte sich später bei den Anhängern. Katars Medien gingen mit der Elf gnädig um. Sie habe sich nach der 0:2-Niederlage gegen Ecuador im Eröffnungsspiel gesteigert, schrieb die Zeitung «Al-Arab».
Seit der Vergabe der WM 2010 hatte das Land diesem Auftritt auf der großen Weltbühne entgegengefiebert. Über Jahre bereitete sich das Team Al-Annabi (etwa: die Burgundrote) unter dem spanischen Trainer Felix Sanchez auf das Turnier - das größte Ereignis in der noch jungen katarischen Sportgeschichte - vor. Ziel: Bei der WM auf höchstem Level mithalten, wie es Sanchez formulierte. Um auf den Punkt fit zu sein, holte der 46-Jährige seine Spieler vor dem Turnier in einem Trainingslager in Spanien zusammen. Abgeschottet von der Außenwelt sollte die Mannschaft ihre volle Konzentration auf die Weltmeisterschaft legen.
Optimismus war berechtigt. Katar trat mit einem Team auf, das über Jahre gewachsen war und zum Großteil an der heimischen Nachwuchsschmiede, der Aspire Academy, ausgebildet wurde. Viele Spieler kennen sich seit Jahren aus Juniorennationalmannschaften. Auch Erfolge hatte Katar vorzuweisen. 2019 wurde das Emirat Asienmeister, als es im Finale die international erfahrenen Japaner schlug. Der Sieg überstrahlte maue Ergebnisse bei der Copa America 2019 und in der WM-Qualifikation in Europa, bei denen Katar mitspielte.
Sanchez: «Haben gezeigt, wozu wir in der Lage sind»
Dunkle Vorboten, die sich bewahrheiteten. Vielleicht haben auch die Erwartungen das Team erdrückt. Die Mannschaft habe nach der Auftaktniederlage gegen Senegal unter starkem Druck gestanden, sagte Kapitän Al-Haydos. Coach Sanchez gab sich - zumindest öffentlich - trotzdem zufrieden. Sein Team habe gegen Senegal bewiesen, dass es auf diesem Niveau wettbewerbsfähig sei. «Wir haben gezeigt, wozu wir in der Lage sind.»
Doch auch Sanchez weiß: Dem gesamten Team fehlt die nötige Erfahrung auf höchster Ebene. Die meisten Spieler kicken für Clubs in der heimischen Qatar Stars League, wo sie zwar ordentlich verdienen, aber auf einem niedrigen Niveau spielen. Zu europäischen Spitzenvereinen schaffte es bislang kein Spieler. Überhaupt kann die Nationalelf in einem kleinen Land wie Katar nur aus einem begrenzten Talentpool schöpfen. Der Fußball in Katar habe mit vielen Beschränkungen umzugehen, sagte Trainer Sanchez.
So ist auch ungewiss, wie die Zukunft des katarischen Teams aussieht. Ein Generationenwechsel ja, aber nicht das Ende eines Zyklus, glaubt Sanchez. Es gebe junge Spieler, die nachrückten. Mit der Aspire Academy sind dafür zumindest die Grundlagen gelegt. Das nächste Ziel ist die Asienmeisterschaft 2023. Austragungsort: Katar.
Als wäre das eigene Aus nicht enttäuschend genug, gibt es noch einen bitteren Nebengeschmack. Ausgerechnet das benachbarte Königreich Saudi-Arabien feierte beim sensationellen 2:1-Sieg gegen Argentinien im Auftaktspiel den größten Erfolg seiner Sportgeschichte. Katars Emir Tamim bin Hamad feuerte die «Grünen», wie die Saudis auch genannt werden, zwar von der Haupttribüne aus mit einer saudischen Flagge an. Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen beiden Staaten aber nach wie vor getrübt. Zumindest heimlich dürften viele Katarer jetzt etwas neidisch auf den großen Nachbarn blicken.
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