Ohne Kanzler Scholz
Länderchefs beraten über milliardenschwere Entlastungspakete

28.09.2022 | Stand 28.09.2022, 7:21 Uhr

Hendrik Wüst (links), wird als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (links, CDU) am Mittwoch mit seinen Kollegen über das geplante dritte Entlastungspaket gegen die Folgen der Energiekrise beraten. −Symbolbild: Kay Nietfeld/dpa

Der große Wurf kann es nun nicht werden: Anders als gedacht müssen die Ministerpräsidenten am Mittwoch zunächst ohne den an Corona erkrankten Kanzler über die geplanten milliardenschweren Entlastungen für steigende Energiepreise beraten. Bei den Länderchefs hat sich viel Ärger aufgestaut.



Anders als ursprünglich vorgesehen, wird es im Anschluss keine Bund-Länder-Gespräche mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) geben. Der Kanzler habe ihn gebeten, diese Beratungen auf den 4. Oktober zu verschieben, hatte der MPK-Vorsitzende, Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), am Dienstag überraschend mitgeteilt.

Länderchefs kommen ohne den Kanzler zusammen

Wie auch Regierungskreise in Berlin bestätigten, möchte Scholz persönlich an den Beratungen teilnehmen. Dies sei dem Kanzler aufgrund seiner coronabedingten Isolation derzeit nicht möglich, erklärte Wüst. Die Länderchefs wollten dennoch zusammen kommen, um an Lösungen zu arbeiten.

„Wir brauchen schnell substanzielle Entlastungen, damit im Winter mit steigenden Preisen schlimmsten soziale Härten spürbar abgemildert werden können“, sagte Wüst der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. „Die Länder strecken dem Bund die Hand ausdrücklich aus, damit es zeitnah zu einem gemeinsamen Signal der Hoffnung für viele Menschen kommen kann.“ Er hoffe, dass die rot-gelb-grüne Bundesregierung ihren internen Streit rechtzeitig beende, „damit wir gemeinsam wirksam helfen können“, unterstrich der CDU-Politiker.

Der MPK-Vorsitz Nordrhein-Westfalens läuft zum Monatsende aus und geht dann auf Niedersachsen über. Wüst wird im Oktober Co-Vorsitzender der Länder-Runde sein. Am Mittwochnachmittag will er gemeinsam mit der derzeitigen Co-Vorsitzenden, Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), über die Ergebnisse der MPK berichten.

Ministerpräsidenten wehren sich gegen zu hohe Kosten

Die Bundesregierung hatte Anfang des Monats ein 65 Milliarden Euro umfassendes drittes Entlastungspaket als Ausgleich für rasant steigende Preise vorgestellt. Dazu zählen Einmalzahlungen für Rentner und Studierende sowie ein Preisdeckel für einen Grundbedarf an Strom. Der Bund bietet Geld für ein Folgeangebot des 9-Euro-Tickets an - wenn die Länder dies mitfinanzieren.

Die Finanzierungsfragen sind allerdings zwischen Bund und Ländern noch nicht geklärt. Die Ministerpräsidenten wehren sich vehement gegen zu hohe Kostenlasten und kritisieren den Stil der Ampel-Koalition bei ihrem nicht mit den Ländern abgesprochenen Aufschlag. Einzelne Länder drohten bereits mit Blockaden im Bundesrat.

„Wir werden viele Milliarden Euro bereitstellen, um die Wirtschaft und gerade diejenigen Menschen zu entlasten, die besonders hart betroffen sind“, sagte Wüst der dpa. „Bei der Finanzierung des Pakets muss es zu einer fairen Lastenverteilung kommen, damit Länder und Kommunen vor Ort ihrer eigenen Verantwortung in dieser Krise gerecht werden können.“

Die Lastenteilung sei sowohl bei der geplanten Erhöhung und Ausweitung des Wohngelds konkret zu klären als auch beim Mehrbedarf der Krankenhäuser infolge steigender Energie- und Sachkosten. Das gelte auch für eine „klare Verbindlichkeit“ bei dem von der Bundesregierung im vergangenen Jahr zugesagten Ausbau der Regionalisierungsmittel für Busse und Bahnen ebenso wie für die Finanzierung der Flüchtlingskosten.

„Nicht in Finanzierungsfragen verzetteln“

Die Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine seien vor Ort vielfältig spürbar. „Eine faire Teilung der Lasten sind wir daher nicht zuletzt den Städten, Gemeinden und Kreisen vor Ort schuldig“, mahnte der MPK-Vorsitzende.

Der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Achim Post, warnte in der „Rheinischen Post“ (Mittwoch) davor, „sich in Finanzierungsfragen zu verzetteln“, entscheidend seien schnelle Entlastungen für die Bürger. „Dass auch die Länder nun ihren Teil zur Finanzierung beisteuern, ist aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit, zumal die Steuereinnahmen des Bundes im Verhältnis zu denen der Länder zuletzt zurückgegangen sind.“

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sagte der Zeitung, der Streit zwischen Bund und Ländern müsse aufhören. „Wir werden ein massives viertes Entlastungspaket brauchen, das vor allem den Mittelstand und energieintensive Betriebe vom Rand des Abgrunds wegholt.“

− dpa