Prozess
Mord im Flüchtlingsheim: Angeklagter verstrickt sich

24.10.2023 | Stand 25.10.2023, 22:08 Uhr

Prozessauftakt wegen Mordes in Flüchtlingsunterkunft - Der Angeklagte (M) sitzt im Gerichtssaal. - Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Er soll eine 21-Jährige aus Rache und gekränktem Stolz mit einem Beil erschlagen haben, weil sie seine sexuellen Avancen zurückwies. Vor Gericht fiel der Angeklagte mit Widersprüchen und großem Rededrang auf - zur Verzweiflung seiner Anwälte.

Ein wegen Mordes an einer Mitbewohnerin in einer Flüchtlingsunterkunft angeklagter 29-Jähriger hat sich am Dienstag vor dem Landgericht München II um Kopf und Kragen geredet. Der Mann lehnte die Zusammenarbeit mit seinen Anwälten trotz eindringlichen Zuredens des Richters und offenkundiger Lügen zu seinem Lebenslauf vehement ab und sagte trotz entsprechender Warnungen der Pflichtverteidiger zum Tatvorwurf aus. Erst als diese noch einmal eine Unterbrechung forderten und dem Angeklagten die Ernsthaftigkeit seiner Situation vor Augen führten, verzichtete der inzwischen schluchzende Jordanier auf weitere Aussagen.

Ihm wird vorgeworfen, im vergangenen Herbst in einer Flüchtlingsunterkunft in Garmisch-Partenkirchen eine Mitbewohnerin aus der Ukraine mit einem Beil erschlagen zu haben - „aus gekränktem Stolz und als Bestrafung für ihre fortgesetzte Zurückweisung seiner Person“, wie es der Staatsanwalt formulierte. Die 21-Jährige hatte den Ermittlungen zufolge zunehmend ärgerlich auf seine fortgesetzten sexuellen Avancen reagiert, zumal er auch unerwünschte Foto- und Videoaufnahmen von ihr gemacht haben soll.

Doch bevor es überhaupt zur Verlesung der Anklageschrift kam, ging es zunächst um die Verteidigung des Mannes - der 29-Jährige wollte sich partout selbst verteidigen. Seinen Pflicht- und seinen Wahlverteidiger lehnte er ohne nähere Begründung vehement ab. Nachdem bei dem Tatvorwurf Mord ein Anwalt aber rechtlich zwingend ist, ordnete der Richter ihm die von ihm abgelehnten Anwälte letztlich als Pflichtverteidiger bei.

Bei der Befragung zu seiner Person kamen dann zahlreiche Widersprüche und offenkundige Lügen zu Tage. So revidierte der Angeklagte frühere Aussagen gegenüber dem psychiatrischen Gutachter, wonach seine Kindheit und Jugend in Jordanien von Konflikten in der Familie und der Schule geprägt gewesen sei. Im Gegenzug beharrte er vor der Großen Strafkammer auf regelmäßigem, intensivem Alkoholkonsum sowohl in der Ukraine, wo er vor Kriegsausbruch mehrere Jahre gelebt hatte, als auch in Deutschland - obwohl er einem Haargutachten zufolge in den Monaten vor der Tat wenig bis nichts getrunken hatte.

Was dem Angeklagten nicht unbedingt Sympathiepunkte einbrachte. „Sie können mir viel erzählen, aber glauben muss ich Ihnen nicht alles“, sagte der vorsitzende Richter zum 29-Jährigen. Dieser führte dann entgegen der Warnungen seiner Anwälte zum Tatvorwurf aus, dass er die Ukrainerin trotz eines schweren Streits zwei Abende zuvor nicht erschlagen habe. Dass er ihr nicht geholfen habe, als er sie lebensgefährlich verletzt in einer Blutlache fand, sondern mit dem Rad davongefahren war, begründete der zunehmend hysterischer werdende Angeklagte mit einer „Phobie“.

Der Jordanier wird beschuldigt, eine 21-jährige Ukrainerin im Oktober 2022 in einer Flüchtlingsunterkunft in Garmisch-Partenkirchen mit einem Handbeil tödlich verletzt zu haben, nachdem sie seine sexuellen Avancen und Nachstellungen mehrfach zurückgewiesen hatte. Das Opfer starb nach mehreren Notoperationen Ende November im Krankenhaus. Für den Prozess sind insgesamt sieben Verhandlungstage angesetzt.

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