Brauchtum
Frühaufsteher-Tanz: Tausende beim Kocherlball in München

17.07.2022 | Stand 18.07.2022, 22:35 Uhr

Kocherlball am Chinesischen Turm - Zahlreiche Menschen tanzen beim traditionellen Kocherlball am Chinesischen Turm im Englischen Garten. - Foto: Sven Hoppe/dpa

Tausende Frühaufsteher sind am Sonntag beim traditionellen Kocherlball im Englischen Garten in München in den Tag getanzt. In den ersten Sonnenstrahlen drehten sich die Paare am Chinesischen Turm bei Walzer, Polka, Zwiefachen und Landler. Erstmals seit drei Jahren lud die Wirtin des Biergartens, Antje Haberl, wieder zu dem Tanzvergnügen, das in München längst ein Kultevent ist und bis um 10.00 Uhr morgens dauert, bis der Biergarten regulär öffnet.

Der Ball war in den vergangenen zwei Jahren wegen der Corona-Pandemie ausgefallen. Die Veranstalter sprachen von rund 10 000 Besuchern und einer «grandiosen Stimmung». Zu den Klängen der «Schreinergeiger» und «Tanngrindler Musikanten» zeigten die Tanzmeister Katharina Mayer und Magnus Kaindl die Schritte der verschiedenen Tänze, damit auch Ungeübte mitmachen konnten.

Die ersten Gäste waren noch bei Dunkelheit gekommen, um sich bei Kerzenlicht einen guten Platz zu sichern. Auf der Tanzfläche herrschte wie in früheren Zeiten Gedränge. Viele Besucher kamen in Dirndl und Lederhose. Manche trugen auch historische Uniformen oder das Gewand der früheren Kocherl. Das waren die Hausbediensteten, die dem Ball den Namen gaben.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts trafen sich die Kocherl im Sommer bei schönem Wetter am Sonntagmorgen im Englischen Garten zum Tanz. Die frühe Stunde wählten sie, weil sie später wieder Dienst tun mussten, wenn die Herrschaft aus der Kirche kam. Die Kocherl sollen es mit der Sittlichkeit nicht so genau genommen haben - das missfiel der Obrigkeit. Im Jahr 1904 wurde der Ball deshalb verboten.

Zur 200-Jahr-Feier des Englischen Gartens im Jahr 1989 wurde der Brauch wiederbelebt. Seitdem findet er in der Regel am dritten Sonntag im Juli statt. Nach anfangs etwa 600 Gästen kamen in den Jahren vor der Pandemie regelmäßig mindestens 12 000 Menschen. Dieses Jahr hätten sich viele vielleicht noch nicht getraut, sagte eine Sprecherin. Zudem sei dieses Wochenende sehr viel los gewesen.

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