Tiere
Bartgeier-Dame Recka wagt ersten Rundflug

12.07.2022 | Stand 12.07.2022, 22:33 Uhr

Jetzt sind sie beide flügge - und könnten vom Nationalpark Berchtesgaden aus bald zu weiteren Ausflügen aufbrechen: Nach dem Bartgeier-Weibchen Dagmar hat sich auch Nestgenossin Recka erstmals in die Lüfte geschwungen.

Nun auch Recka: Einen Monat nach ihrer Auswilderung im Nationalpark Berchtesgaden hat die junge Bartgeier-Dame ihren ersten Flug gewagt. Gut eine Woche nach ihrer etwa gleichaltrigen Nestgenossin Dagmar traute sich Recka aus der sicheren Felsnische heraus, wie der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der Nationalpark am Montag mitteilten.

«Eigentlich war Recka schon lange startklar - nur ist ihr die letzten Tage immer etwas dazwischengekommen. Entweder es hat zu stark geregnet oder Dagmar ist zu Besuch zu ihr geflogen oder ein Steinadler kam in die Nische, um an ihrem Futter zu nagen», sagte LBV-Projektleiter Toni Wegscheider. Mit über 600 Übungsflügelschlägen pro Tag habe Recka weit über dem Minimum von 200 gelegen, das junge Bartgeier für ihren ersten Flug erreichen müssen.

Im Alter von 124 Tagen schwang sie sich am Sonntag um 11.31 Uhr in die Lüfte. Dagmar war mit 118 Tagen zu ihrem ersten Flug gestartet. Während Recka als ersten Schlafplatz außerhalb der Nische eine sichere Steilwand wählte, machte Dagmar den Experten mehr Sorgen: Sie habe mehrfach gefährliche Steinschlagrinnen zum Schlafen gewählt.

Ranger und LBV-Mitarbeiter hatten die Tiere am 9. Juni in einem eineinhalbstündigen Aufstieg zu einer schwer zugänglichen Felsnische gebracht. Über Webcams können Fans die Tiere dort beobachten.

Schon vor einem Jahr waren dort zwei Bartgeier ausgewildert worden: Bavaria und Wally. Wally wurde Ende Mai tot im Zugspitzgebiet gefunden. Was ihr zustieß, ist unklar. Alle vier Tiere stammen aus einem Zuchtprogramm in Spanien und sind verwandt: Recka ist die Schwester von Wally und Dagmar ist die Cousine von Bavaria.

Vor allem Dagmar zeigt sich schon jetzt als weitaus bessere Fliegerin als Wally und Bavaria. «Schon nach zwei Tagen schaffte Dagmar eine Punktlandung bei Recka in der Nische. Für diese Flugfertigkeit haben die beiden Geier im Vorjahr zwei Wochen benötigt», berichtete Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel. Eine Weile können Wanderer die jungen Geier noch im Nationalpark zu Gesicht bekommen. «Wir rechnen damit, dass sich Dagmar und Recka noch einige Zeit im Nationalpark aufhalten werden, bis sie das Auswilderungsgebiet zu größeren Erkundungsflügen verlassen.»

Die Stimmung unter den Tieren ist gut, heißt es. Schon Bavaria und Wally hatten sich ungewöhnlich gut verstanden. Bartgeier sind eigentlich Einzelgänger. Recka und Dagmar seien noch vertrauter - sie lägen einträchtig nebeneinander und schnäbelten. «Es ist absolut verwunderlich», sagte LBV-Sprecher Markus Erlwein. Bei anderen Auswilderungen im Zuge des europaweiten Projekts habe in manchen Nischen sogar ein Zaun eingezogen werden müssen, damit sich die gemeinsam ausgewilderten Jungtiere nicht an die Federn gingen.

Die Vögel mit einer Flügelspannweite von bis zu drei Metern wurden in Deutschland vor mehr als 100 Jahren ausgerottet. Ihnen wurde nachgesagt, Lämmchen und sogar kleine Kinder zu holen - obwohl sie nur Aas fressen. Nun sollen sie wieder angesiedelt werden.

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