Mangelware Medikamente
Antibiotika-Saft aus dem Ausland für Kinder: Das sollten Eltern wissen

04.05.2023 | Stand 04.05.2023, 12:10 Uhr

Das Kind hat Scharlach - und Penizillin ist kaum zu bekommen. Das erleben derzeit viele Familien aufgrund der Lieferengpässe bei Medikamenten. Sind in Deutschland nicht zugelassene Medikamente gefährlich für den Nachwuchs? −Symbolbild: dpa

Das Kind ist krank, aber Medikamente sind Mangelware: Auch Bayern machte den Weg frei für die Einfuhr von Antibiotika-Säften, die in Deutschland nicht zugelassen sind. Und im Grenzgebiet könnte man einfach auch schnell nach Österreich oder Tschechien in die Apotheke fahren. Das sollten Eltern dazu wissen.



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Das Kind hat Scharlach - und Penizillin ist kaum zu bekommen. Das erleben derzeit viele Familien aufgrund der Lieferengpässe bei Medikamenten. Immer mehr Bundesländer erlauben deshalb vorübergehend den Import von Antibiotika-Säften aus dem Ausland, die in Deutschland nicht zugelassen sind. Schon bald könnten sie in den Apotheken hierzulande über den Tresen gehen.

Und schon jetzt fahren manche Eltern auch einfach über die Grenze nach Österreich oder Tschechien - in der Hoffnung, dass es die knappen Medikamente dort zu kaufen gibt.

Was heißt es, wenn so ein Medikament in Deutschland nicht zugelassen ist?



Bedeutet das, dass diese Antibiotika-Säfte automatisch weniger sicher sind? Nein, sagt Alexander Schmitz, der in Dannenberg (Niedersachsen) und Umgebung fünf Apotheken betreibt. Denn dass ein Arzneimittel in Deutschland nicht zugelassen ist, kann unterschiedliche Gründe haben.

„Der wesentliche Grund wird sein, dass der jeweilige Hersteller kein Interesse am deutschen Markt hat“, sagt Schmitz. Hat ein Unternehmen nicht vor, ein bestimmtes Arzneimittel in Deutschland zu verkaufen, bemüht es sich hier auch nicht um eine Zulassung. Das muss aber nicht bedeuten, dass das Medikament die Anforderungen hierzulande nicht erfüllen würde.

Zuständig für die Zulassung von Medikamenten in Deutschland ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). „Dass tatsächlich das BfArM Bedenken hatte - das ist die unwahrscheinlichste Ursache dafür, warum ein Arzneimittel in Deutschland nicht zugelassen ist“, lautet die Einschätzung von Apotheker Schmitz.

Anforderungen an Arzneimittel sind EU-weit ähnlich



Ist ein Antibiotika-Saft in einem anderen EU-Land zugelassen, ist das Risiko laut Schmitz gering, dass er nicht sicher ist. „Man kann davon ausgehen, dass die Zulassungsvoraussetzungen, die Herstellbedingungen und die Prüfstandards in der Qualität nahe an denen von Deutschland sein werden“, sagt er. Denn Anforderungen an Arzneimittel sind EU-weit ähnlich - wenn auch nicht identisch.

Schmitz, selbst Vater von fünf Kindern, kommt daher zum Fazit: „Ich würde meinen Kindern in der EU zugelassene Antibiotika-Säfte verabreichen, ganz ruhigen Gewissens.“

Haftungsfragen nicht im Detail geklärt



Was Eltern wissen sollten: Die Haftungsfragen, die aufkommen können, sollte das Medikament Schaden anrichten - sie sind nicht im Detail geklärt. Aber: „Es kommt extrem selten vor, dass Arzneimittel, die in der EU zugelassen sind, wirklich Menschen schädigen. Es sei denn, sie werden falsch oder fehlerhaft angewendet.“

Im besten Fall bleiben Eltern mit ihren Sorgen nicht allein. „Es sollte so sein, dass Arzt und Apotheke dann zusammenarbeiten“, sagt Schmitz. Etwa indem die Apotheke mit dem Arzt oder der Ärztin Rücksprache hält, wenn sie bei einem verschriebenen Wirkstoff einen Import aus dem EU-Ausland ausgeben möchte. „Und dann liegt es in den Händen des Arztes, eine Risikoabwägung durchzuführen“, sagt Schmitz.

Medikamenten-Mangel oft auch im EU-Ausland



Der Apotheker rechnet übrigens nicht damit, dass allzu viele Antibiotika-Säfte aus dem Ausland hierzulande über den Tresen gehen werden. Denn einen Mangel an Penizillin etwa gibt es nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. „Es ist ein viel zu kleines Pflaster auf einer immer größer werdenden Wunde.“

− dpa/che