Von Richard Auer
Allersberg – Eugen Czegley von den Freien Wählern hatte das Unheil kommen sehen: In der Sitzung des Allersberger Marktgemeinderats stellte der FW-Mann gleich zu Beginn den Antrag, die Abstimmung über das Protokoll der letzten Sitzung ganz nach hinten zu verschieben. Ein Punkt, der in den meisten anderen Gemeinden reine Formsache ist, kann in Allersberg leicht einmal in langwierigste Debatten münden. Bei einer Tagesordnung im XXL-Format wird dann fast zwangsweise die Zeit knapp. Aber die Verschiebung half leider auch nichts: Nachts um 23.30 Uhr, nach vier endlos scheinenden Stunden, wurde die öffentliche Sitzung aus Zeitgründen abgebrochen. Mitten in einem besonders spannenden Punkt: der strittigen Benennung einer Straße nach dem ersten Nachkriegsbürgermeister Wilhelm Burkhardt.
Im Corona-März 2021 hatte der Sonderausschuss des Allersberger Marktgemeinderats drei neue Straßennamen festgelegt und dabei im Baugebiet Keinzel II die ehemaligen Bürgermeister Ludwig Gmelch und Wilhelm Burkhardt gewürdigt. Schon damals hatte es drei Gegenstimmen gegeben. Doch nun werden die Stimmen lauter, die wissen wollen, ob Burkhardt dieser Ehre wirklich würdig ist. Denn der Mann, unmittelbar nach dem Einmarsch der US-Army ins schwer zerstörte Allersberg von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt, war nur wenige Monate im Amt und wurde dann abgelöst. Ein möglicher Hintergrund dafür: Burkhardt war im Jahr 1934 für zwei Monate Mitglied bei der SA gewesen, der aggressiven Kampforganisation der Nationalsozialisten.
Die Markträte Norbert Schöll (CSU), Markus Fiegl und Georg Decker (beide Grüne) hatten nun den Antrag gestellt, die beschlossene Benennung der Straße vorerst auf Eis zu legen, bis die Hintergründe für Burkhardts seinerzeitige Amtsaufgabe „durch eine unabhängige Instanz“ geklärt seien – „damit der Ruf Allersbergs nicht Schaden nimmt“.
Der Straßenname ist mit einem Mal ein Stolperstein geworden. Doch zu einem Beschluss, wie man denn nun weiter vorgehen sollte und ob es „vertiefende historische Untersuchungen“ geben sollte, reichte die Zeit nicht mehr. Schließlich hatte man sich schon zwei Stunden lang durch die Änderungen der Flächennutzungspläne für die Gewerbegebiete Allersberg West I und II gearbeitet.
Bürgermeister Daniel Horndasch (parteilos) hatte sich mit seiner Verwaltung sehr ausführlich auf das heikle Straßennamenthema vorbereitet – und das ließ er den Marktgemeinderat nun auch im Detail sehen – bis es etlichen offenkundig zu viel wurde. Da war zum einen das dicke Standardwerk zur Geschichte Allersbergs von 1930 bis 1950 von Wolfgang Handrick, wo nachzulesen sei, dass nirgendwo Gründe für Burkhardts rasches Dienstende aufzufinden seien. Horndasch: „Da ist kein Wort von Amtsenthebung. Dann war von unserer Seite kein Anlass, irgendwelche Bedenken zu haben.“ Doch im Juli habe der Vorsitzende des Gilardi-Fördervereins, Altbürgermeister Bernhard Böckeler, herausgefunden, dass Burkhardt 1934 für zwei Monate Mitglied der SA gewesen sei, aber dann wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ ausgeschlossen wurde – und dass die US-Militärregierung das sogar wusste. Dieser Hinweise findet sich in der „Spruchkammer-Akte“ aus dem Entnazifizierungsverfahren der Amerikaner. Klar sei: „Das Bild muss geklärt werden.“ Markus Fiegl freilich stellte fest: „Ich habe damals im Sonderausschuss auf diese Amtsenthebung hingewiesen.“
Horndasch präsentierte ein Aktenstück nach dem anderen, wo Burkhard als hoch engagierter Mann der Tat in den unmittelbaren Nachkriegswochen gewürdigt und sogar als Kritiker des Nationalsozialismus bewertet wird. Horndasch betonte aber mehrmals, wie schwierig eine Einschätzung sei: „Wir als Verwaltung erheben nicht den Anspruch auf Objektivität.“ Und zur Straßenbenennung meinte er: „Es handelt sich nicht um eine Seligsprechung.“
Ein entlastendes Schreiben des damaligen katholischen Pfarrers von Allersberg, Josef Klebl, war da allerdings schon nahe dran, ebenso eine Stellungnahme des Landrats. Thomas Schönfeld (CSU) kritisierte den Sonderausschuss, der sich vor eineinhalb Jahren nicht ernsthaft genug mit der Sache befasst habe. „Jetzt tut es allen Seiten weh!“ Ganz konkret: Marktratsmitglied Aris Maul (ABF) ist ein Enkel von Wilhelm Burkhardt – in dieser Sitzung allerdings kam er erst einmal noch nicht zu Wort.
Schönfeld ging Bürgermeister Horndasch angesichts der präsentierten Papiere scharf an: „Wenn Sie bei Lenor tätig wären, könnten Sie ein prima Weichspüler sein.“ Seine Sorge: „Solange das nicht unabhängig geprüft wird, werden wir immer auf heißen Kohlen sitzen.“ Eduard Riehl (SPD) wiederum hegte Zweifel an der Aussagekraft von Unbedenklichkeitsschreiben wie dem des einstigen Pfarrers. Alle hätten sich seinerzeit gegenseitig entlastet, um gut dazustehen. „Die ganzen alten Sachen muss man relativieren, da war jeder drauf aus, seinen eigenen A... zu retten.“ Generell, so Riehl, sei er „nicht dafür, dass wir eine Straße benennen nach einem Mann, der zwei Monate im Amt war und Mitglied einer nationalsozialistischen Vereinigung war.“
Wobei selbst über die exakte Länge der Amtszeit unterschiedliche Daten vorliegen. An Horndasch gewandt sagte er: „Dass Sie das trotzdem weiterverfolgen ist der eigentliche Skandal.“ Horndasch wies das von sich: „Wir versuchen, der Problematik und dem Antrag gerecht zu werden“ – deswegen auch die Ausführlichkeit. Eine Umbenennung einer einmal festgelegten Straße sei nicht so einfach, gab der Bürgermeister zu bedenken: Es gebe hier für Anwohner die Möglichkeit, dagegen zu klagen. Nötig sei außerdem der Nachweis „gravierender Verstöße“ des Namensgebers.
Auf Anregung von Riehl wurde schließlich das Thema – aus Zeitgründen – beendet, mit 11:7 Stimmen. Fortsetzung folgt: in der nächsten Sitzung.
HK
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