Held an der Jukebox hört auf
Radio-F-Urgestein Sigi Hoga aus Hilpoltstein geht in Rente

03.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:55 Uhr

Ein Bild, das immer seltener wird: Das Radio hat Sigi Hogas Leben bestimmt. Der Job war immer auch Leidenschaft. Fotos: De Geare

1984 schlug in Deutschland die große Stunde der privaten Radiosender, als Radio Weinstraße in Ludwigshafen den Sendebetrieb aufnahm. Von Anfang an dabei war ein Hilpoltsteiner, der beim Nürnberger Privat-Sender Radio F heute als Urgestein gilt: Sigi Hoga.



Jetzt heißt es für den Radiopionier nicht mehr „It’s Rock ’n’ Roll“, sondern: Radio-Rente. Nach 37 Jahren. Ende Dezember haben seine Kollegen bei Radio F ihm ein letztes Mal den roten Rundfunk-Teppich ausgerollt und ihm mit einer Sigi-Sondersendung Lebewohl gesagt. Von 7 bis 10 Uhr am Morgen, zur besten Sendezeit, verabschiedeten ihn verschiedene Prominente – und die Kollegen hatten eigens einen Song aufgenommen. „Das war die emotionale Krönung. Das war dann fast ein bisschen too much für mich“, sagt Hoga.

Selbst mit etwas zeitlichem Abstand merkt man ihm die Freude und ein bisschen Wehmut noch an. Auch wenn Hoga nicht von heute auf morgen aufgehört hat. Er wird dieses Jahr 66, vor zwei Jahren überlegte er sich deshalb, dass er gerne eine Art fließenden Übergang hinbekommen würde – schließlich war er im Programm von Radio F eine bekannte Größe.

Seine Nachmittagssendung „Sigis Jukebox Heroes“ zog deshalb vor einer Weile in die Abendstunden um. „Es war bekannt, dass ich aufhöre – und etwas Neues zu etablieren, braucht seine Zeit“, erklärt er. Sein treues Publikum folgte ihm auch in den Abend, seit Ende vergangenen Jahres ist aber auch damit Schluss. „Lieber höre ich auf, so lange die Leute sagen: ,Schade dass er aufhört’.“ Der Jukebox-Brunch am Sonntagmorgen von 9 bis 13 Uhr aber bleibt den Hörern erhalten – so ganz aufhören wollte er nicht, schließlich macht es immer noch Spaß.

Spaß als Maxime, die durchs Leben leitet

Spaß, Freude am Tun: Für Sigi Hoga ist das eine Maxime fürs Leben. „Du hast die Möglichkeit, als Schlafwandler durchs Leben zu laufen oder es aktiv zu gestalten. Ich habe so viel in mein Leben gepackt, das reicht für drei Leben. Ich war aber auch nie verheiratet und habe keine Kinder, so dass ich meine Leidenschaften und Talente immer leben konnte“, sagt er.

In Hilpoltstein fing alles an. Sigi Hoga war damals als Kampfsportler bei den hiesigen Ju-Jutsukas aktiv. Und so kam es, dass er Anfang der 1980er-Jahre für zwei Wochen als Ferientrainer in einem Club in Italien landete – damals arbeitete er noch als Bauzeichner. In Italien beobachtete er die Animateure – Gesang, Musik, Theater. Das gefiel ihm so gut, dass er nach kurzer Zeit selbst dort anfing. Zum Glück für viele begeisterte Hörer konnte er in Italien aber auch seine Spielwiese für sich entdecken, denn der Club betrieb ein kleines Urlauber-Radio, das Sigi Hoga moderierte. „Ich habe das so gemacht, wie ich dachte, dass es gut ankommt“, erinnert er sich. Und das tat es. Auch die Produktionschefin des ZDF aus Hannover machte dort Urlaub und hörte den jungen Sigi Hoga im Ferienradio-Stündchen. „Die hat mir damals gesagt: ,Du hast Talent’“, erzählt er. Damals, da hatte er noch seine markanten blonden Locken, sah fast ein bisschen aus wie Thomas Gottschalk – seinerzeit auch ein Radio-Pionier.

Bis Sigi Hoga beim Radio landete, dauerte es aber noch ein Jahr, Italien machte einfach Spaß. 1985 fasste er den Mut und bewarb sich bei ein paar der gerade gegründeten Privat-Sendern, unter anderem bei Radio F, das damals als „Pressewelle“ startete. Das Neue an den Neuen: Privatsender finanzierten sich durch Werbeeinnahmen. Dazu trug Hoga einen entscheidenden Teil bei. Von Anfang an kümmerte sich der leidenschaftliche Musiker um die Musik von Radio F und wurde ab 1987 Musik-Chef des Senders. Um noch professioneller zu werden musste, holte der Sender den Niederländer Ad Roland nach Nürnberg. „Zusammen haben wir das Format von Radio F entwickelt. Ein Großteil davon ist heute noch vorhanden“, erzählt Hoga.

Dazu gehörte aber auch, dass Sigi Hoga als Erster in Deutschland ein Computer-System aus den USA für die Planung der Musik nutzte. „Die Entwickler haben mich damals nach New York eingeladen. In den Niederlanden und in den USA war das Privatradio viel weiter.“ Seine Aufenthalte in den Staaten brachten ihn auch bei seiner zweiten Leidenschaft voran, der Musik: „Ich habe zwei Jahre Unterricht gehabt, alles andere habe ich mir durch Zuschauen bei anderen Musikern angeeignet.“ Er traf zum Beispiel Ritchie Blackmore, der als Gitarrist von Deep Purple berühmt wurde. „Ich habe festgestellt, dass er ganz in der Nähe wohnt und habe dann einfach geklingelt und mich mit ihm zum Interview verabredet.“

Eine ganze Weile hatte er nämlich auch eine Talkshow, das Radio-F-Porträt, in der beileibe nicht nur kleine Sternchen, sondern auch große Stars zu Gast waren. So interviewte er die große Wanda Jackson, Tina Turner, Kevin Costner, Andrea Berg oder ZZ Top – über 80 Künstler waren zu Gast. „Bei mir haben die ganz großen Stars oft Anekdoten erzählt, die sie anderswo nicht erzählt hätten, weil der Rahmen intimer war als bei einem riesigen Sender“, berichtet Hoga. Diese Interviews machten sich auch in seinen Sendungen immer gut als Ergänzung, wenn er bei den „Jukebox Heros“ so manche Anekdote vom Künstler selbst einbringen konnte. „Ich kenne ja mein Archiv.“

Der Beginn einer langjährigen Freundschaft

Auch der Umgang mit Ritchie Blackmore wurde beim Gespräch in einem Restaurant in New York schnell ganz persönlich. „Als er erfahren hat, dass ich auch Gitarrist bin, hat er aus seinem Auto zwei Gitarren geholt, mir eine in die Hand gedrückt und gesagt: ,Spiel!’ Da hieß es dann spielen oder untergehen.“ Untergegangen ist er definitiv nicht, sondern es war der Beginn einer langjährigen Freundschaft.

Auch auf Tournee waren die beiden schon zusammen und Ritchie Blackmore kam mit seiner Mittelalterband Blackmore‘s Night sogar zu einem Konzert auf die Burg nach Hilpoltstein. Auch mit anderen Musikern ist Sigi Hoga in all den Jahren als Gitarrist auf der Bühne gestanden, so zum Beispiel mit Peter Maffay, den Hoga ganz nonchalant nur „Peter“ nennt, oder zuletzt Johnny Logan. Einmal konnte er auch Leonard Bernstein bei einer Probe für Wagner beobachten, wie er minutiöse Anweisungen gab, um jede Emotion aus der Musik heraus zu kitzeln.

Der Umgang mit all diesen Stars ist aber auch nicht immer einfach. Hoga hat beobachtet, dass Menschen im Umfeld von Stars anfangen, diese zu imitieren. „Man muss aufpassen bei sich selbst, um selbst authentisch zu bleiben“, erklärt er. Allein schon die Arbeit im Sender erdete ihn. Anfang der 1990er-Jahre wurde er bei Radio F auch Programmchef und 1994, als das Funkhaus Nürnberg gegründet wurde, dort Bereichsleiter Programm. Die Zusammenführung der vorher eigenständigen Sender unter einem Dach war nicht leicht. „Das hat gedauert, bis das alles zusammen gewachsen ist“, berichtet Hoga. 2008 wurde abermals die Struktur geändert, seither ist er stellvertretender Programmchef.

Als Morgenmuffel in der Morningshow

Nebenher war auch noch einige Jahre mit zwei Kollegen Moderator der Morningshow „Die 3 von der Funkstelle“ – „und das, wo ich doch gar kein Frühaufsteher bin“.

Für Sigi Hoga gehörte immer das Ethos dazu, die Hörer durch den Tag zu begleiten. „Das Radio homogenisiert den Alltag der Hörer. Der Mensch braucht Routine und Strukturen, die den Alltag leichter machen“, erzählt er. „Ich sitze im Studio und bin gleichzeitig auch draußen, überlege mir, was die Menschen gerade machen. Und ich freue mich, wenn ich ihnen mit Musik eine emotionale Zeitreise verpassen kann“, erzählt er. „Eigentlich bin ich ein emotionaler Dienstleister“, sagt er nachdenklich.

Sigi Hoga kann sich also guten Gewissens wieder mehr der eigenen Musik widmen. Denn darauf freut er sich in der Radio-Rente am meisten. Gemeinsam mit seinem alten Kumpel Jo Jasper, mit dem er gemeinsam in die Musik gestartet ist, gastieren sie gemeinsam mit Schlagzeuger Tom Jugl am 8. Juli im Kreuzwirtskeller in Hilpoltstein und spielen Songs und Künstler, die sie in den vergangenen vier Jahrzehnten beeinflusst haben. „Das ist eine schöne Geschichte und wird sicher eine tolle Zeitreise.“

HK