Landkreis Roth
Die Partnerschaft trotzt dem Brexit: Brentwood-Freunde erstmals seit drei Jahren wieder zu Gast auf der Insel

18.08.2022 | Stand 18.08.2022, 11:24 Uhr

Sie haben die seit 43 Jahren bestehende Partnerschaft zwischen Roth und Brentwood jetzt neu aufleben lassen: Die Reisegruppe aus dem Landkreis, hier zu Besuch am Audley End House, ein Herrenhaus im elisabethanischen Stil, rund 25 Kilometer südlich der berühmten Universitätsstadt Cambridge gelegen. Foto: Klier

Von Manfred Klier

Hilpoltstein/Roth – Weder Brexit noch die Pandemie konnten die Brentwood-Freunde im Landkreis Roth daran hindern, nach dreijähriger Zwangspause zum Gegenbesuch in das nahe London gelegene Borough of Brentwood aufzubrechen.

Zwar fordert ein inzwischen etwas angewittertes Schild vor dem Rother Landratsamt ein „geeinigtes Europa“, doch seit dem Brexit ist man davon wieder ein Stück weiter entfernt. Deshalb ist nun ein Reisepass für den Besuch im Vereinigten Königreich erforderlich. Umso wichtiger sind daher solche Kontakte wie die seit 43 Jahren bestehende Partnerschaft zwischen Roth und Brentwood.

Nach der Ankunft spätabends auf dem Flughafen Heathrow erlebte die Gruppe aus dem Landkreis Roth gleich eindrucksvoll, was Stau im Großraum London bedeutet. Wegen einer baustellenbedingten Umleitung wurde das Ziel erst weit nach Mitternacht erreichte. Der Empfang war dafür umso herzlicher.

Am nächsten Vormittag stand der obligatorische Empfang im Rathaus von Brentwood auf dem Programm. „Please stand up“, hieß es, als Mayor Councillor Olivia Francois in prachtvoller Robe den Sitzungssaal betrat und die Gäste willkommen hieß: „I hope, you have a very good time with us!“ Diesem Wunsch schloss sich Elizabeth Scannell an. Sie ist die Vorsitzende der Brentwood Town Twinning Association. Den Freundeskreis auf deutscher Seite leitet Anne Klier aus Heideck. Sie dankte für die freundliche Aufnahme und für die umfangreiche Programmplanung. Für das Jahr 2023 lud sie zum Gegenbesuch in den Landkreis Roth ein.

Das erste Ausflugsziel an diesem Tag war Prittlewell Priory, ein ehemaliges Kloster, das im 12. Jahrhundert von den Mönchen aus Cluny gegründet worden war, von König Heinrich VIII. aber im Jahre 1536 privatisiert worden ist. Dass die Führerin astreines Deutsch sprach, war nicht verwunderlich, denn sie stammt aus Erlangen.

Das Kontrastprogramm gab es am Nachmittag in Southend on Sea. Ein schriller, lauter Rummelplatz liegt am Beginn der Southend Pier, der mit einer Länge von 2158 Metern angeblich längsten Seebrücke der Welt, die einmal zum Anlegen großer Schiffe gedient hatte. Zu Fuß oder mit einem historischen Bähnlein konnte man trockenen Fußes hinaus in die Nordsee gelangen.

Den Samstag verbrachten die Gäste zusammen mit ihren Gastgebern. Eine Fahrt in die Metropole London mit Shoppen oder Konzertbesuchen standen ebenso auf dem Programm wie Sehenswürdigkeiten wie etwa Hever Castle. Die imposante Schrägseilbrücke Queen Elizabeth II. Bridge überquert auf dem Weg dorthin die Themse oder aber man nutzt einen der beiden Tunnels darunter. Auf diesem Schloss lebten unter anderem König Heinrich VIII. und Anne Boleyn, die zweite seiner sechs Ehefrauen. Allerdings wurde sie 1536, drei Jahre nach der Hochzeit, wegen Hochverrats hingerichtet. Beinahe leibhaftig konnte man den historischen Figuren, von Berittenen eskortiert, vor dem Schloss begegnen. Auf dem weitläufigen Gelände wurde außerdem in brütender Hitze ein spektakuläres Turnier abgehalten.

Mit Audley End House stand am nächsten Tag gleich ein weiteres Schloss auf dem Besuchsprogramm. 1762 hatte Sir John Griffin Griffin den Garten und das Haus neu anlegen lassen. Gerade liefen dort die Vorbereitungen für ein Konzert von Tom Jones, für dessen Besuch die Zeit aber nicht reichte.

In der Phoenix Smokery erfuhr die Reisegruppe, dass hier in zum Teil deutschen Räucheröfen ein Granulat von bis zu 35 Holzarten dem Fisch seinen typischen Geschmack gibt. Ein köstliches Buffett lieferte dafür den Beweis.

Die Stadt Chelmsford ist Verwaltungssitz der Grafschaft Essex. 1898 eröffnete hier Guglielmo Marconi, der „Vater des Radios“ die erste Radiofabrik der Welt. 1920 wurde die Fabrik zum Standort der ersten offiziellen Rundfunkübertragung des Vereinigten Königreichs. Im städtischen Museum ist das anhand zahlreicher Exponate dokumentiert, ebenso die örtliche Geschichte, die in prähistorische Zeiten zurückreicht.

Die Kathedrale aus dem siebten Jahrhundert ist der Gottesmutter Maria und den Heiligen Petrus und Cedd geweiht. Eine detaillierte Führung machte auf die Besonderheiten des Gotteshauses aufmerksam, stieß dabei aber auch an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit der inzwischen erschöpften Besucher. Hier überraschte, wie auch andernorts, die Einbindung modernster Technik. So konnte man anhand von Monitoren erkennen, dass von hier aus täglich das Morgengebet übertragen wird.

Es war bereits der letzte Abend in Brentwood. Und so wurde zum traditionellen „Farewell Meal“ eingeladen. Anne Klier ließ in einer humorvollen Rede, in English of course, die ereignisreichen Tage Revue passieren, um sich für die herzliche, freundschaftliche Aufnahme zu bedanken.

Anderntags erreichte man den Flughafen Heathrow problemlos in einer Stunde. Mit einer Verspätung von ebenfalls einer Stunde startete das Flugzeug zum Albrecht-Dürer-Flughafen in Nürnberg.

HK