Hilpoltstein
Diakon Gerhard Lechner blickt auf sein fast 18-jähriges Wirken am Auhof zurück

07.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:36 Uhr

Gerhard Lechnernach seinem Abschiedsgottesdienst im Auhof im Kreise einiger Bewohner. Foto: Auhof

Von Monika Meyer

Hilpoltstein – Nach fast 18 Jahren seines Wirkens hat Diakon Gerhard Lechner Abschied genommen vom Auhof. Als Seelsorger war er viele Jahre lang Ansprechpartner für Mitarbeiter wie für Bewohner.

Das Glück war mit Gerhard Lechner (65). Als er nach der Tätigkeit als Jugendreferent auf der Suche nach einem neuen Wirkungskreis war, nahm er an einem Assessment-Center teil. Das wies ihm den Weg. Denn der damalige Auhofleiter Joerg Schneider war zufällig Beobachter bei diesem Eignungstest. Und der rief ihn drei Wochen später an und lud ihn zum Probearbeiten ein. „Ich habe einen Tag hospitiert und gesehen: Das passt!“, erinnert sich Lechner.

Im Auhof und seinen Häusern in der Region wohnen aktuell 370 Menschen mit Behinderung. Lechner hat die Entscheidung die ganzen siebzehneinhalb Jahre nie bereut. „Denn das war genau das Richtige für mich. Die Leute sind super, so direkt und natürlich.“ Auch unter den Kollegen herrsche ein gutes Miteinander. Vor allem die Heilerziehungspfleger und -pflegehelfer hätten ihn stark beeindruckt. „Welche Geduld die haben und welche Liebe. Da habe ich jahrelang gestaunt. Und ich staune immer noch.“

Immer ein offenes Ohr für alle gehabt

Natürlich hat Gerhard Lechner als Diakon viele Gottesdienste und Andachten abgehalten, Bewohner sowie Mitarbeiter sowie deren Kinder getauft, getraut, gesegnet. Aber vor allem hatte er immer ein offenes Ohr. Für die Bewohnerinnen und Bewohner wie für die Mitarbeitenden.

„Im Auhof sind die Bindungen sehr eng, da man elementar zusammenarbeitet.“ Deshalb sei man auch sehr berührt, wenn jemand aus den eigenen Reihen sterbe. Aus diesem Grund hat Lechner eine umfassende Trauerkultur etabliert, um allen den Raum zu geben, sich verabschieden zu können.

„Im Wohnbereich richten wir eine Trauerecke ein, mit Bild und Kerzen“, erzählt Lechner. Außerdem gebe es in der Wohngruppe eine kleine Abschiedsfeier und in der Kapelle zum guten Hirten einen großen Trauergottesdienst.

Um der Trauer Raum zu geben, hat Lechner sogar einen frei zugänglichen Trauergarten auf dem Auhof-Gelände eingerichtet. „Hier kann man dem Verstorbenen ein Denkmal setzen“, erklärt der Diakon. Da lägen dann zum Beispiel dessen Sepplhut, das alte Fahrrad oder die früheren Lieblingsmurmeln, die an die Hobbys und Vorlieben der Verstorbenen erinnern. „Und manche kommen einfach her, um dem Vogelgezwitscher zu lauschen oder Eichhörnchen zu beobachten“, weiß Lechner. „Das ist einfach eine coole Ecke.“

Manche Bewohner, die sich aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht mit Worten ausdrücken können, verarbeiten ihre Trauer oft anders: „Sie fallen manchmal durch Aggression oder Überangepasstheit auf“, hat der Seelsorger beobachtet. Deshalb hat er für sie Einzelrituale etabliert. „Wir gehen in die Kapelle, zünden eine Kerze an, sprechen über die Gestorbenen und wer wichtig ist im Leben und singen von guten Mächten.“ Das wirkt Wunder“, hat der Diakon erfahren.

Manche kämen zwei oder drei Mal. Andere nur ein einziges Mal. Sie würden dann begreifen, dass das Sterben zum Leben dazugehöre. Und wenn es heiße, dass Gott auf sie aufpasse, sei es leichter für sie zu ertragen. „Die Bewohner denken magischer als wir“, weiß Lechner. Zudem sei es wichtig, dass sie diese Art von Aufmerksamkeit bekämen.

„Meine Antennen waren auf Empfang gerichtet“

Aufmerksamkeit, davon hat Lechner in seinen Dienstjahren am Auhof viel gegeben. Nicht nur den Bewohnern, auch den Mitarbeitern. „Ein großer Teil meiner Aufgabe war es, im Auhof spazieren zu gehen.“ Selbstverständlich nicht zum Selbstzweck, sondern um auf die Mitarbeitenden und Bewohner zuzugehen. „Meine Antennen waren auf Empfang gerichtet. Ich wollte schauen, wie es ihnen geht. Und sie haben mir viel Vertrauen entgegen gebracht“, erzählt Lechner.

Aus zunächst mitunter belanglosen Gesprächen habe sich meist etwas „ergeben“, oft waren es Belastungen, über die gesprochen wurde: über Probleme auf der Arbeit, über Privates wie Trennungen und Liebeskummer oder über Trauer und Verluste. „Die seelischen Probleme“, weiß Lechner, „sind überall gleich“. Allein durch Zuhören könne man schon helfen.

Die vielen Sorgen und Probleme, die an Lechner herangetragen wurden, seien manchmal belastend gewesen. „Am besten bete ich dann. Ich bringe das vor Gott und kann dann loslassen.“ Er habe sich eine pragmatische Sichtweise zugelegt: „Ich kann nicht die Welt retten. Aber wenn ich etwas ändern kann, ist das ein Geschenk.“

Was Lechner in seiner seelsorgerischen Tätigkeit am Auhof besonders begeistert hat, war die Lockerheit, die im Gegensatz zu den sonst eher steifen Ritualen der großen Kirchen steht. „Im Auhof ist das der Wahnsinn. Es gibt keine Vorschriften und Regeln, nichts ist verboten.“ Im Gottesdienst, erzählt der Diakon, werde geredet und diskutiert. „Die Leute melden sich und sagen: Herr Lechner, ich weiß da auch noch was dazu!“

Im April ist er nun selbst mit einem Gottesdienst verabschiedet worden, bei dem die Stimmung wie immer locker und offen war. Abschließend gab es sogar noch stehende Ovationen für den Ruheständler, der seine freie Zeit jetzt genießen will.

HK