Pfaffenhofen
„Rauhnächte“ im Pfaffenhofener Land

Zwischen den Jahren sind abergläubische Riten noch lebendig

25.12.2022 | Stand 17.09.2023, 6:55 Uhr

Als Perchten verkleidet wollen junge Burschen vor allem im Oberland alles Böse vertreiben. Im Pfaffenhofener Land haben solche Veranstaltungen keine Tradition, trotzdem waren einige der grusligen Gesellen am Rohrbacher Christkindlmarkt vertreten. Bei uns sollten die bösen Geister der Rauhnächte eher durch das das Christkindl-Anschießen vertrieben werden. Foto: Ermert

Pfaffenhofen – Zwölf gilt als magische Zahl. Denken wir an die zwölf Apostel, an die zwölf Stämme Israels, an die zwölf Sterne, die das Haupt der apokalyptischen Jungfrau umstrahlen. Das himmlische Jerusalem beschirmten zwölf Tore, auf der zwölf Engel standen und der Heilige Geist bringt zwölf Früchte hervor.

Auch in nicht-christlicher Symbolik begegnen wir oft der Zahl zwölf: es gibt zwölf Mondumläufe, zwölf Monate, zwölf Tierkreiszeichen, zwölf römische und griechische Hauptgottheiten.

Die zwölf Nächte zwischen Heiligabend (manche lassen sie schon in der Thomasnacht vom 20. auf 21. Dezember beginnen) und dem Dreikönigstag sind die „Rauhnächte“. Auch in der Gegend um Pfaffenhofen haben sich in dieser Zeit sonderbare Riten, abergläubisches Gebaren und heidnischer Kult gehalten.

Warum sind es zwölf Rauhnächte? Das Mondjahr zählt nur 354 Tage, ist also um 11 Tage und 12 Nächte kürzer als das Sonnenjahr. Die fehlenden Nächte wurden zu den „Rauhnächten“. Jede Rauhnacht ist einem der zwölf Monate zugeordnet. Was man in einer Rauhnacht träumt, wird in dem ihr zugeordneten Monat angeblich wahr werden. Die Nächte in dem jeweiligen Monat, auch „Losnächte“ genannt, sollen auch einen genauen Blick in die Zukunft erlauben.

Geister, Hexen und Unholde sollen vertrieben werden

Der Scheyrer Pater Beda Parzinger (1900 bis 1970) schreibt im Jahre 1929, dass man in Jetzendorf, Niederthann und Paunzhausen nur drei Rauhnächte kannte: die Heilige Nacht, die Silvesternacht und die Nacht vor dem Dreikönigstag. In Asbach bei Petershausen hat man aber alle zwölf Nächte als Rauhnächte gesehen. Die Rauhnächte sind die längsten Nächte im Jahr. In solchen Nächten sind viele für Mythos, Magie und irrationale Ängste besonders empfänglich. Die Grenzen zwischen Glaube und Aberglaube, christlichem und heidnischem Kult, echtem und pervertiertem Brauchtun sind fließend.

„Rauhnächte“ haben ihren Namen von mittelhochdeutsch „rûch“. Das bedeutet „haarig“, „zottig“ und lässt uns an Dämonen mit wirrem Haar denken, die in der Zeit zwischen den Jahren besonders arg umgehen sollen. Es könnte aber auch „Rauch“ (althochdeutsch „rouh“) zu Grunde liegen. Während der „Rauhnächte“ wurden Häuser und Ställe eifrig ausgeräuchert. So sollen böse Geister, Hexen und Unholde vertrieben, die Familie vor Leid, Unglück und Not bewahrt werden.

Im Oberland und im Bayerischen Wald werden in dieser Zeit „Perchtentänze“(der Name kommt von der germanischen Geisterfrau „Perchta“) aufgeführt. Burschen tanzen da mit gruseligen, schrecklich anzusehenden Masken als „Perchten“ wild ums Feuer, laufen laut schreiend und Kuhglocken läutend durch die Straßen, erschrecken Kinder und ängstliche Menschen. Dabei sollen sie doch alles Böse verjagen.

Im Pfaffenhofener Land und in der Hallertau hat man nie etwas von solchen „Perchtentänzen“ gehört. Bei uns sollten die bösen Geister der „Rauhnächte“ durchs das „Christkindl-Anschießen“ vertrieben werden. Dabei kam es oft zu schlimmen Unfällen. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde noch eifrig geschossen. Nun ist der fragwürdige Brauch vergessen. Der Glaube an die „Wilden Jäger“ war um Pfaffenhofen aber noch lange lebendig. Sie sollen zur Zeit der Rauhnächte, angeführt vom germanischen Gott Wotan (auch Odin) und Frau Holle, durch unsere Fluren geritten sein. Die „Wilde Jagd“ soll in den Wäldern rund um Wolnzach, zwischen Deimhausen, Steinerskirchen und Hohenried (nach mündlicher Überlieferung waren die Kirchen von Steinerskirchen und Deimhausen einst heidnische Tempel ) und westlich von Klenau und Junkenhofen getobt haben.

Was geschah der Sage nach bei der „Wilden Jagd“? Mystische Jäger reiten auf Schimmeln durch Wald und Feld. Glocken klingen, Peitschen knallen, Jagdhörner ertönen, Rosse schnauben, Hunde bellen. Die Reiter umgibt lodernder Feuerschein. Manchmal brennen sie auch am ganzen Körper. Schreckliches Wimmern, Jammern und Stöhnen sollen durch Lüfte dringen; manchmal seien es aber auch sanfte, melodische Töne, die das Herz erfreuen. Wer den „wilden Jägern“ begegnet, soll sich bekreuzigen oder zu Boden werfen.

Die bösen Geister legen alles Dämonische ab

Sie könnten einem dann nichts anhaben. Um sie zu besänftigen, werden mancherorts drei Kreuze in den Stamm eines Baumes geritzt. Die bösen Geister rasten dann davor, legen alles Dämonische ab, haben keine Macht mehr über Menschen. Besonders gern sollen wilde Reiter über alte Kultstraßen und Grenzwege jagen. Solche Straßen zogen sich angeblich nahe Steinerskirchen, Wolnzach und Klenau durch das Land.

Sagen aus unserem Landkreis erzählen Schlimmes von der „Wilden Jagd“. Bei Deimhausen jagten wilde Jäger in einer Rauhnacht an einem Liebespaar vorüber. Der Anführer rief ihnen zu „Nicht umschauen!“ Sie gehorchten nicht – und er drehte ihnen das Genick um. Am nächsten Tag hat man die Toten gefunden.

Wilde Jäger sollen zur Zeit der Rauhnächte in der Wolnzacher Gegend jeden getötet haben, der ihnen begegnete. In Fässern sollen sie Arme Seelen mitgeführt haben. Wenn ihr Geheule von weitem zu vernehmen war, sei jeder so schnell er konnte in sein Haus geflohen. In der Rauhnacht will man auch am Vohburger Donauufer bizarres Geschrei, absonderliches Heulen, Pfeifen, Brummen und Rauschen gehört haben.

Von meinen Großeltern hörte ich immer wieder: „In den Rauhnächten und vor allem in der Silvesternacht darf man keine Wäsche aufhängen, sonst stirbt einer aus der Familie im kommenden Jahr!“ Vielleicht waren es auch die „Wilden Jäger“, die solche Ängste auslösten. Sie sollen die an der Leine hängende weiße Wäsche stehlen, um es als Leichentuch zu verwenden.

Sterben würden auch all die, die in Rauhnächten, besonders aber in der Heiligen Nacht, die Tiere im Stall sprechen hörten. Ein Knecht bei Wolnzach und ein reicher Hallertauer Bauer – beide haben die Christmette geschwänzt – sollen so ums Leben gekommen sein.

Habgierige Männer glaubten, Schätze seien in Rauhnächten besonders leicht zu heben. Angeblich genügte es, an Wegkreuzungen Spiegel abzulegen. Dann würden sich alle in der Umgebung verborgenen Schätze zeigen. In Burgstall, Geisenfeldwinden, Gerolsbach, Haushausen, Lindach, Unterpindhart und Wolnzach sind, wenn man Sagen Glauben schenken will, solche Schatzsuchen gründlich missglückt. Man habe dabei geredet und gelacht – und das dürfe man auf keinen Fall. Manchmal seien es feurige Hunde, manchmal sei es gar der Leibhaftige gewesen, die die Schatzsucher in der Rauhnacht gestört haben sollen. Diesen sei im weiteren Leben kein Glück mehr beschieden gewesen.

Wegkreuzungen galten als magische Orte. Auf ihnen soll sich in Rauhnächten der Teufel zeigen. Auch junge Frauen suchten sie in dieser Zeit auf. Man erzählte sich, dass sie dann ihren zukünftigen Mann zu sehen bekämen. Dieser werde schweigend an ihnen vorüber gehen. Die Frauen dürften ihn dabei weder ansprechen noch ihm nachsehen. Das hätte ihren sicheren Tod bedeutet.

Heute gibt es Rauhnacht-Gruselführungen

Kommen wir zu den wenigen religiösen Rauhnacht-Ritualen im Pfaffenhofener Land. Bis zum zweiten Weltkrieg waren solche Rituale noch lebendig – vor allem in der Scheyrer Gegend. Der Hausherr legte glühende Kohlen in eine Pfanne. Darauf gab er Kräuterbüschel oder Girlanden. Er ließ sie brennen, gab Weihrauch hinzu, um dann damit jedes Zimmer im Haus und den Stall auszuräuchern. Die Hausfrau begleitete ihren Mann mit Weihwasser, in das ein Wedel getaucht wurde. Sie besprengte so jeden Winkel des Hauses in der letzten Rauhnacht, der Nacht vor dem Dreikönigstag schrieben die Kinder C+M+B (Christus mansionem bendicat – der Herr möge dieses Haus segnen) zusammen mit dem Jahr an jede Tür.

Heute scheinen sich vor allem Frauen für die Rauhnächte zu interessieren. Sie seien, so heißt es, für die „Magie der Rauhnächte“ besonders empfänglich. Gerne beteiligen sie sich an immer häufiger werdenden „Rauhnacht-Gruselführungen“. Es gibt Bücher mit Titeln wie „Rauhnacht-Rituale für Frauen. Eine spezielle Bewusstseinsreise durch die zwölf Nächte“. Es gibt Rauhnacht-Frauenseminare (zum Beispiel „Mystische Rauhnächte für Frauen“). Sie versprechen „besondere Energie“ und ein „Eintauchen in den spürbaren Zauber der Rauhnächte“. Die Frauen sollen so ihre „Weiblichkeit nähren, heilen und stärken“. Die Kurse sind, so hört man, sehr gefragt...

PK