Pfaffenhofen
„Kultur ist kein nachrangiger Luxus“

Reinhard Haiplik verteidigt städtische Kulturausgaben

01.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:44 Uhr

Kulturreferent Reinhard Haiplik am Pfaffenhofener Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus, das auf seine Initiative zurückgeht. Fotos: Johannes Hauser

Pfaffenhofen – Graben mit Steuergeldern finanzierte kommunale Kulturveranstaltungen der kleinen, teils ehrenamtlichen Kulturarbeit aus der Bürgerschaft das Wasser ab? Reinhard Haiplik vertritt einerseits als Kulturreferent die Belange der städtischen Kulturarbeit im Pfaffenhofener
Stadtrat. Andererseits ist er selbst Kulturschaffender. Er kennt beide Seiten – und wirbt für mehr Kooperation und Absprachen.

Herr Haiplik, in der Pfaffenhofener Kulturszene ist die Stadt selbst der größte Veranstalter – und sie will es trotz dramatischer Steuereinbrüche, die Sparsamkeit der öffentlichen Hand erfordern, auch bleiben. Ist das nicht ein falsches Signal?

Reinhard Haiplik: Keineswegs. In so schwierigen Zeiten, wie sie uns derzeit bedrängen, ist gerade die Kultur von größerer Bedeutung. Ich möchte mich nicht in Phrasen oder Plattitüden ergehen, aber Kultur ist lebensnotwendiger denn je. Sie ist ein ganz wesentlicher und unverzichtbarer Aspekt städtischen Lebens. Ohne sie wäre es leer und öde. Darum ist ein unverminderter Kulturetat keinesfalls ein falsches Signal.

Wie hoch fällt dieser Etat denn heuer aus?

Haiplik: Das Pfaffenhofener Kulturamt ist relativ gut ausgestattet. 2021 hatten wir etwa 81000 Euro im allgemeinen Veranstaltungsetat, für das Jahr 2022 sind es sogar 90000 Euro. Der zusätzliche Etat für den Kultursommer beläuft sich heuer auf 105000 Euro. Im Vorjahr waren es 101000 Euro. Hinzu kommt noch der Sonderetat für die „Paradiesspiele“, die im Jahr 2023 anstehen. Dafür haben wir als Stadtrat im laufenden Jahr schon 20000 Euro für die Vorplanungen bereitgestellt. Grund zur Klage gibt es also nicht.

Trotzdem sollen Sie, als es in den nichtöffentlichen Vorberatungen um mögliche Kultureinsparungen gegangen ist, ungewöhnlich laut geworden sein. Dabei ist der Etat sogar leicht gegenüber 2021 gestiegen.

Haiplik: Laut bin ich nicht geworden. Ich habe mich nur dagegen gewehrt, dass man die Kulturausgaben infragestellt. Kultur ist kein nachrangiger Luxus. Und man sollte vielleicht darauf hinweisen, dass wir im Vergleich zu anderen bayerischen Städten unter dem Durchschnitt bei der Pro-Kopf-Ausgabe für Kultur liegen – insbesondere je weiter man sich dem Münchener Speckgürtel nähert. Dort geben Städte weit mehr für die Kulturarbeit aus als Pfaffenhofen. Wobei man der Ehrlichkeit halber hinzufügen muss, dass diese oft auch teure Veranstaltungshallen unterhalten. Trotzdem: Wir geben als Kommune pro Kopf weniger für Kultur aus als die Stadt München allein für den Unterhalt ihres Tierparks.

Wie zufrieden sind Sie neben der kommunalen Kulturarbeit mit der Fülle und Vielfalt der privaten und ehrenamtlichen Kultur-Aktivitäten in Pfaffenhofen?

Haiplik: Sehr zufrieden! Wir haben ein unheimlich breites Spektrum, das von Klassik bis Volksmusik reicht. Von Holzschnitzern bis hin zu international renommierten Malern.

Bei der Stadt ist Kulturarbeit oft mit viel Aufwand verbunden: Immerhin sollen Formate oft ein möglichst breites Publikum bedienen. Dahinter steckt eine personell gut aufgestellte Kulturabteilung, die sich wenig Sorgen über wirtschaftliche Risiken machen muss. Wäre es nicht günstiger, wenn private Anbieter das Kulturleben kleinteilig gestalten?

Haiplik: Es ist kein Entweder-oder, da wir verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit haben. Zu dieser äußern sich die privaten und ehrenamtlichen Anbieter mir gegenüber sehr zufrieden. Sie fühlen sich unterstützt. Sie fühlen sich nicht alleingelassen. Wichtig ist in diesem Kontext auch die Vereinsförderung, beispielsweise für den Neuen Pfaffenhofener Kunstverein. Und es gibt mehrfach Beispiele für Kooperationen, etwa mit der Intakt-Musikbühne oder dem Theaterspielkreis.

Wie funktionieren diese vor einiger Zeit ins Leben gerufenen Kooperationen?
Haiplik: Dabei tritt die Stadt – als Form der Kulturförderung – bei ausgewählten Veranstaltungen und Projekten als Mitveranstalter auf. Beim Theaterspielkreis beispielsweise, bei dessen Freilichtaufführung von „Ein Münchner im Himmel“ ich im vergangenen Jahr als Darsteller mit von der Partie war, wurde von der Stadt nicht nur die Bühne und die Einzäunung zur Verfügung gestellt, sondern auch eine Ausfallbürgschaft übernommen, damit der Verein das finanzielle Risiko nicht alleine auf sich nehmen muss.

Die Stadt stemmt trotzdem auch als Einzelveranstalter Theater, Konzertreihen, Lesungen und Ausstellungen. Bleibt da überhaupt genug Raum für bürgerschaftliches Kultur-Engagement?

Haiplik: Ich habe kürzlich mit mehreren Akteuren des Kulturlebens gesprochen – und keiner hat grundsätzliche Klagen geäußert. Es gibt natürlich einzelne Punkte, an denen es Diskussionsbedarf gibt: Muss es etwa wirklich sein, dass die Stadt ihren Kulturförderpreisträgern, die den Rathausfestsaal nutzen wollen, keine Ermäßigung auf die Saalmiete gewährt?

Wie verhindert man auf lange Sicht, dass die Kommune privaten oder ehrenamtlichen Organisatoren das Wasser abgräbt?

Haiplik: Es gibt etwas, über das man sich Gedanken machen müsste und das auch von den Kulturschaffenden schon mehrfach angesprochen wurde: Vielleicht müsste es bessere Programm-Absprachen im Vorfeld geben. Damit sich nicht die Stadt einseitig bekannte Künstler sichert, die gute Einnahmen versprechen. Damit auch private Anbieter sogenannte Highlights auf die Bühne bringen können. Darüber sollte man nachdenken. Das kann auch mal Klassik, Volksmusikalisches oder eine Dialektveranstaltung sein. Es darf nämlich nicht der Eindruck entstehen, dass die Stadt alle kulturellen Sparten an sich reißt.

Insbesondere bei der Kleinkunst ist die Konkurrenz groß. Da gibt es die städtische Winterbühne, die gemeinnützige Intakt-Bühne, private Veranstalter und auch das von einem Verein organisierte Ilmbrettl. Wird das Überangebot nicht zum Problem – gerade wenn sich das Publikum auf parallele Veranstaltungen verteilt?
Haiplik: Da muss ich Ihnen recht geben. Manchmal ist das Angebot unüberschaubar. Mehrmals erinnere ich mich an fünf Veranstaltungen allein in Pfaffenhofen, die gleichzeitig stattgefunden haben. Und da kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Es ist kein besonders angenehmes Gefühl, wenn bekannte und gute Künstler in der städtischen Galerie ausstellen, zur Vernissage aber nur eine Handvoll Leute kommt. Das mag dieser eigentlich ja positiven Vielfalt kulturellen Lebens in Pfaffenhofen geschuldet sein. Der Lateiner sagt „Ne quid nimis“: Pass auf, dass es nicht zu viel wird. Man müsste Überschneidungen vorab eigentlich durch bessere Absprachen vermeiden. Und damit auch Frustration und Enttäuschung bei den Kulturschaffenden.



Parallelstrukturen können aber auch sehr gut gelingen: Im Falle des „Kulturhimmels“ war es so, dass dieses private Format und der städtische Kultursommer am gleichen Spielort so nahtlos ineinandergriffen, dass das Publikum den Unterschied fast nicht bemerkte.


Haiplik: Gerade dieser nahtlose Übergang vom Kultursommer in den Kulturhimmel könnte für künftige Projekte beispielgebend sein. Man sieht: Eine Kooperation zwischen Stadt und privaten Anbietern kann bestens funktionieren. Ich glaube, das ist auch dem zu verdanken, dass wir ein tolles Team im städtischen Kulturamt haben. Es leistet Großartiges. Bei diesen Rahmenbedingungen durch die Pandemie einen Kultursommer wie 2021 hinzubekommen, ergänzt um private Formate wie den Kulturhimmel, verdient höchste Achtung. Ich glaube nicht, dass uns das eine Stadt vergleichbarer Größe so schnell nachmacht. Jeder Kulturreferent kann sich nur glücklich schätzen, wenn seine Stadt ein so gutes Team hat wie wir im Kulturamt. Und es gäbe sicherlich noch viele Möglichkeiten solcher nahtlosen Ergänzungen zwischen städtischer und bürgerschaftlicher Kulturarbeit.

Der „Kulturhimmel“ startete 2020 als Versuch der Veranstaltungsbranche, sich selbst zu helfen: In zwei Pandemie-Jahren hatte mancher um seine Existenz zu kämpfen. Wie hat die Kommune hier zu helfen versucht?

Haiplik: Wir haben sehr viel getan. Künstler, die während der Coronakrise bei städtischen Veranstaltungen auftraten, haben alle Einnahmen behalten dürfen und die Stadt hat die Unkosten getragen. Wir haben auch regionale Künstler und Veranstalter, wo immer es ging, mit ins Boot genommen – vor allem auch beim Kultursommer. Und dann gab es noch den Winterkulturweg. Damit die Kultur sichtbar bleibt. Damit die Künstler präsent bleiben und finanziell unterstützt werden. Die Resonanz darauf war sehr gut.

Das Interview führte Michael Kraus.



Zur Person

Reinhard Haiplik (68) ist seit 2020 ehrenamtlicher Kulturreferent des Pfaffenhofener Stadtrats, dem er seit 26 Jahren für die ÖDP angehört. Der pensionierte Gymnasiallehrer ist in der Region vor allem auch als Heimatforscher und Autor („Geheimnisvolle Plätze in der Hallertau“, „Pfaffenhofen unterm Hakenkreuz“) bekannt. Er ist zudem Verfasser mehrerer historischer Theaterstücke, darunter „Das sterbende Kloster“, „Die Katzenliesl“, „Die Schlacht von Sollern“ und „Gump und Gänswürger“.