Vom Sprayer zum Künstler
Kalligraphie verschmilzt mit Graffiti: Patrick Hartl stellt in Pfaffenhofener Kunsthalle aus

12.04.2024 | Stand 12.04.2024, 5:00 Uhr

Patrick Hartl hat von New York über Buenos Aires bis Tokyo ausgestellt. Ab heute zeigt er seine Arbeiten in Pfaffenhofen. Foto: Kraus

Als Jugendlicher hat er illegal S-Bahn-Waggons in München besprüht, heute stellen Museen und Galerien seine Arbeiten aus: Der Graffiti- und Kalligraphie-Künstler Patrick Hartl blickt in der Ausstellung „Red is Black At Night – A Graffiti Tale“ in der Pfaffenhofener Kunsthalle auf seine künstlerische Entwicklung in drei Jahrzehnten hinweg zurück.

Zu sehen sind die Arbeiten von 12. April bis 5. Mai. Eigentlich handelt es sich um die Jahresausstellung aller Künstler des Pfaffenhofener Kreativquartiers. Doch statt auf einer paritätischen Gruppenausstellung liegt der Fokus heuer fast ausschließlich auf dem Urban-Art-Künstler Hartl, der seit 2019 in Pfaffenhofen lebt und arbeitet. Zuletzt hat er sich als Teil Künstlerkollektivs Layer Cake einen Namen gemacht – etwa durch Ausstellungen im Museum of Graffiti in Miami, bei Subliminal Projects in Los Angeles und im Berliner Museum Urban Nation.

Illegale Streifzüge ins S-Bahn-Depot



Das dürfte Hartl nicht zu träumen gewagt haben, als er vor 31 Jahren begann, nachts in einem Münchner S-Bahn-Depot Wagen zu besprühen. Mit diesen strafbaren Jugendsünden geht er offen um: „Es ist verjährt“, sagt der heute 47-Jährige. „Ohne Graffiti hätte sich die Tür in die Kunst nie für mich geöffnet.“ Der gebürtige Münchner studierte zunächst in Augsburg Grafikdesign, entdeckte als Schüler bei Professor Hans Heitmann die Kalligraphie für sich. Graffiti, Design, Typographie und Handschrift verschmelzen in Hartls künstlerischer Arbeit.

Die Ausstellung in der Kunsthalle macht diese Entwicklung eindrucksvoll sichtbar. Beginnend mit der Aufnahme einer illegal von Hartl besprühten S-Bahn. Die großflächige Arbeit entstand in der Nacht der Jahrtausendwende, als die Polizei angesichts rauschender Silvesterpartys Besseres zu tun hatte, als Sprayer an den Abstellgleisen aufzustöbern.

Von Sprayer-Subkultur geprägt



An diese Zeit in der Münchener Sprayer-Subkultur der späten 80er- und der 90er-Jahre erinnert auch der Titel der Ausstellung: „Red is Black At Night“. Denn beim Sprayen in der Dunkelheit ist Rot fast nicht von Schwarz zu unterscheiden. „Man muss sich auf die Umgebung einstellen und kontrastreiche Farben wählen“, sagt der Künstler. „Das hat mich sehr geprägt.“ In der aktuellen Werkschau setzt sich nicht nur die Farbwahl, sondern auch das Ornamentale aus den Graffiti fort. Folgt man der Ausstellung im Uhrzeigersinn, kommen im Laufe der Entstehungsjahre zunächst typographische, dann kalligraphische Elemente hinzu, bis sich die Schriftelemente in neueren Arbeiten zunehmend im Abstrakten verlieren. „Angst vor der weißen Fläche hatte ich nie“, sagt Hartl über seine Arbeitsweise. „Durch die Vergänglichkeit von Graffiti geht man ganz anders an die Sache ran.“

Zum Abschluss „Kritzikratzi“



An der letzten Wand, ehe sich die Ausstellung an kleineren Wänden den anderen Künstlern des Kreativquartiers widmet, hängen Kinderzeichnungen von Hartls vierjährigem Sohn. Der hat begonnen, die Kunst seines Vaters zu imitieren. In Farben, Formen, Bewegung. Nur eben aus Kindersicht. Der Bub nennt das Ergebnis allerdings nicht Kunst, sondern „Kritzikratzi“ – eine erfrischende Schlusspointe einer sehenswerten Ausstellung.

Vernissage an diesem Freitag



Der Neue Pfaffenhofener Kunstverein eröffnet die Jahresausstellung des Kreativquartiers unter dem Titel „Patrick Hartl: Red is Black At Night – A Graffiti Tale“ an diesem Freitag, 12. April, um 19 Uhr. Die Arbeiten sind anschließend bis 5. Mai in der Kunsthalle, Ambergerweg 2, zu sehen. Öffnungszeiten sind Donnerstag bis Sonntag, 15 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Neben den Arbeiten Hartls wird die Ausstellung durch aktuelle Arbeiten der anderen Mieter des Pfaffenhofener Kreativquartiers abgerundet. Mit dabei sind laut Kunstverein Sebastian Daschner, Andreas Dill, Leonhard Gürtner, Rawle Harper, Michael M.i.a.m.i. Lederhofer, Sebastian Martin, Annette Marketsmüller, Christian Zaindl, Enya Wisinger, Hanna Emrich, Carolin Wessollek und Konstanze Mäschle.

Das Kreativquartier in der Alten Kämmerei ist ein Projekt, bei dem der Neue Kunstverein Räume als Ateliers an Künstler untervermietet. Es wurde 2011 mit Unterstützung des Pfaffenhofener Stadtrats gestartet – um einen Leerstand des ehemaligen Verwaltungsgebäudes in der Altstadt zu verhindern.

PK