Schwarze Gesellschaftssatire
Glänzende Premiere von „Der Gott des Gemetzels“ in Pfaffenhofen

15.04.2024 | Stand 15.04.2024, 12:59 Uhr

Da werden Gattinnen zu Furien: Annette (Monika Fischer, links) und Véronique (Marion Simon) haben eine Auseinandersetzung, Michel (Steffen Wagner) steht mittendrin und Alain (Günther Liebhardt) bleibt distanziert. Foto: Steininger

Eine rabenschwarze Gesellschaftssatire mit Biss hat das Quartett aus Monika Fischer, Günther Liebhardt, Marion Simon und Steffen Wagner unter der Regie von Sylvia Ott auf die Bühnenbretter gelegt, und das zum großen Vergnügen des Premierenpublikums.

„Der Gott des Gemetzels“ heißt das Bühnenstück aus der Feder der Dramatikerin Yasmina Reza, das im Jahr 2006 veröffentlicht und auch in Hollywood verfilmt wurde. Da treffen sich zwei Ehepaare, um vernünftig über eine Auseinandersetzung ihrer elfjährigen Söhne zu sprechen, die dem Sohn Bruno von Véronique und Michel Houillé zwei abgebrochene Schneidezähne kosteten. Dabei sei sein Widersacher Ferdinand mit einem Stock „bewaffnet“ gewesen, ein Ausdruck, der zunächst auf Widerspruch von Annette und Alain Reille stößt: Alain, von Beruf Rechtsanwalt, stört sich an „bewaffnet“, und alle vier einigen sich einvernehmlich auf den Begriff „ausgestattet“. So nimmt alles einen vernunftbetonten Anfang mit der Absicht, einen „zivilisierten Umgang miteinander zu pflegen“ was Véronique ausdrücklich betont. Doch bald aber ergeben die subjektiven Sichtweisen der Paare erste Differenzen, die Véronique mit einer Einladung zu Kaffee und Clafoutis glätten will. Das aber scheitert grandios, die Gesprächsrunde entwickelt eine Eigendynamik, die sich aufschaukelt, die bald jede Contenance vermissen lässt und zu einem verbalen Gemetzel wird. Da sind einerseits der zynische Anwalt Alain und der eher einfach gestrickte Vertreter von Haushaltswaren Michel, der sich im Laufe der Handlung als Choleriker outet. Da ist die Annette, von Beruf Anlageberaterin und eher sachlich orientiert, äußerst genervt von den ständigen Handytelefonaten ihres Gatten, der eine Pharmafirma vor Klagen schützen will und der sich der Diskussion daher nur zeitweise, wenn, dann aber zynisch widmet. Die Véronique aber ist eine Weltverbesserin im Glauben an eine zivilisierende Kraft der Kultur und das intellektuelle Gegenteil ihres Gatten, den sie in vielen Belangen dominiert. Waren anfangs die Fronten zwischen den Paaren noch klar, bilden sich plötzlich unvermutete Allianzen, so zwischen den Männern, die beide in ihrer Jugend den Kreuzritter Ivanhoe und John Wayne als Vorbilder hatten. Dann aber kommt der Rum ins Spiel, dem die Frauen sogar reichlicher zusprechen, bis die gegenseitigen Vorwürfe und Beleidigungen, auch der Ehepaare untereinander, zu einem fulminanten und infernalischen Höhepunkt eskalieren, bis hin zur körperlichen Gewalt und Sachbeschädigung.
Ein Stoff, wie geschaffen für den Theaterspielkreis, der mit der Besetzung dieses Quartetts eine glückliche Hand bewiesen hat. Das besticht schon von der ersten Szene an, als Michel unbeteiligt im Sessel vor sich hinstarrt, während Véronique als ganz perfekte Gastgeberin das Wohnzimmer für den erwarteten Besuch optimiert. Eine Szene ohne Monolog oder Dialog, aber wo die Flasche Rum auf dem Tischchen neben Michel zu stehen hat, ist eine kleine, aber feine Facette schon zu Beginn.
Günther Liebhardt spielt die Rolle des trickreichen Anwalts exzellent, seine Telefonate mit der fiktiven Pharmafirma sind erschreckend realistisch, und seine Dialoge mit den Houillés, wie auch mit seiner Frau Annette, sind geprägt von Arroganz und Herablassung. Seine Gattin aber gibt sich eher vernunftbetont, sucht den Small Talk mit Véronique, ihre kritische Mimik, den Ehemann betreffend, ist bezeichnend. Und sie beweist trockenen Humor, als sie nach einem dritten üblen Erbrechen sagt, „nur noch Galle, kein Problem“. Am Ende aber verliert auch sie die Nerven und handelt ebenso überraschend wie auch überzeugend.
Steffen Wagner als Michel gibt sich in der ganzen Auseinandersetzung zunächst zurückhaltend, bis er sich mit Vorwürfen von „Vero“, wie er seine Ehefrau nennt, ausgesetzt sieht, weil er den gehassten Hamster seiner Tochter auf der Straße in den Rinnstein gesetzt hat. Er hat nämlich einen Horror vor allem, was am Boden kreucht und fleucht, und er rechtfertigt sich in einem cholerischen Ausbruch, der es in sich hat.
Und nicht zuletzt agiert Marion Simon als perfektionistische Gastgeberin Véronique, die von einer idealen Weltvorstellung ohne Gewalt beseelt ist, diese aber in einem Wutanfall gegen ihren Gatten durchaus anwendet. Großartig, wie sie ihren steigenden Alkoholpegel auf subtile Weise ausdrückt, in immer deutlicher werdenden Nuancen, nie aber übertrieben.
Unterem Strich ein Quartett, das professionell agiert, eine immense Dialogfülle zu bewältigen hat, in einer dichten Handlung, die den Zuschauern großes Vergnügen bereitet. Eine Gesellschaftssatire, die einfach Spaß macht, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen aber sind natürlich rein zufällig.

PK