Mit Bankerl und Namenstafel
Die glücklichen Kühe von Schweitenkirchen: 19-jähriger Bauer startet Weiden-Projekt

Ist die Weidenhaltung auch wirtschaftlich?

23.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:46 Uhr

Ein schöner Platz zum Verweilen ist die Kuhweide bei Schweitenkirchen, wo Maria und Herbert Heigl mit Sohn Dionys ein Bankerl für Spaziergänger und ein Schild mit Namen und Fotos aller Kühe aufgestellt haben. Die Wiese ist direkt an der Staatsstraße Richtung Sünzhausen am Ortsausgang. Foto: Brenner

Direkt an der Staatsstraße am Ortsausgang Richtung Sünzhausen (Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm) steht ein Bankerl, von dem aus Spaziergänger die Kühe des Schweitenkirchener Milchviehbetriebs Heigl beobachten können – inklusive Namenstafel und Geburtsdatum der Tiere. Sohn Dionys will prüfen, ob Tierwohl auch wirtschaftlich sein kann.



Keira ist die Chefin. Wenn sie muht, dann spuren die anderen. Zum Beispiel, wenn Hatschi, Winnitou oder Bärbel sich mal wieder zu weit von der Herde entfernen. Denn Keira als ranghöchste Kuh ist für die Sicherheit der Herde verantwortlich. „Die Rangordnung war bei der Herde schnell entschieden“, sagt Herbert Heigl, Geschäftsführer des gleichnamigen Milchviehbetrieb in Schweitenkirchen. Jetzt bocken, springen, grasen oder entspannen die rund 16 Monate alten tragenden Kühe Tag und Nacht auf der Weide direkt am Ortsausgang bei der Staatsstraße Richtung Sünzhausen.

Ihr neues, tiergerechtes Leben haben sie dem 19-jährigen Sohn von Herbert, Dionys Heigl, zu verdanken, der nach seinem Opa benannt wurde und den Hof in fünfter Generation übernehmen will. Er geht auf die Landwirtschaftsschule und brauchte dafür ein Projekt über den Sommer zur Betriebsoptimierung. „Ich habe mich dafür entschieden, das Tierwohl zu verbessern.“

Vor dem ersten Auftrieb klärt sich die Rangfolge

Gesagt, getan. Auch seine Eltern waren sofort dabei. „Erst haben wir sie an das Neue gewöhnen müssen, denn sie kennen ja keinen Elektrozaun“, erzählt Mutter Maria. Also trieben die Heigls ihre Herde zunächst in einen kleinen Bereich, der zusätzlich zum Elektrozaun auch mit einem Holzzaun umgeben war – falls die Kühe durchbrechen würden. Das passierte nicht, stattdessen standen sie zunächst dicht gedrängt in der Mitte. „Sie waren anfangs ängstlich“, sagt Maria.

Doch dann zeigte Keira, was in ihr steckt. Als neue Herdenführerin gibt sie seither den Ton an und führt ihre Herde sicher durch die Weide. Oft auch zu den zahlreichen Spaziergängern, Radfahrern oder Autofahrern, die auf dem Bankerl Platz nehmen, um Bärbel, Winnitou – übrigens trotz männlichem Namen auch eine Milchkuh – und die anderen Tiere der Herde zu beobachten. Die Holzbank haben die Heigls aufgestellt, „damit die Passanten sich mit dem Milchviehbetrieb und den Kühen beschäftigen“, erklärt der 19-Jährige. Daneben steht eine große Tafel mit Fotos jeder Kuh, dem Namen und Geburtsdatum. „So können die Kinder mit ihnen Geburtstag feiern“, sagt Dionys.

Seither geht es rund auf dem Bankerl. „Ich habe schon jemanden mit Münchner Kennzeichen darauf Platz nehmen sehen“, sagt Herbert. „Einmal haben Radfahrer dort eine Pizza gegessen und Bier getrunken.“

Ist die Weidenhaltung auch wirtschaftlich?

Ob Keira und ihre Herde dauerhaft ihre Freiheit genießen können, ist noch unklar. Bis Herbst läuft der Test, dann wird auch geschaut: Kann sich das auf Dauer rentieren? Investiert haben die Heigls bisher rund 2000 Euro für Zaun, Stromkabel und Wasserleitung. „Dafür spare ich mir allerdings auch viel Futter“, sagt der Jungbauer. Wenn die Kühe kalben und anschließend gemolken werden, bleiben sie auf jeden Fall drinnen, „denn im Laufstall ist ja der Melkstand, außerdem brauchen sie spezielles Futter“.

In Zukunft könnte Heigl sich durchaus vorstellen, alle Kühe – insgesamt leben rund 90 Milchkühe und 90 Kälber auf dem Hof – saisonweise auf die Weide stellen. „Das ist auch für die Umwelt gut.“ Denn das schädliche Ammoniak entstehe nur, wenn Kot und Urin sich mischten, was im Stall, aber nicht auf der Weide geschehe.

Für eine dauerhafte Umstellung bräuchte es aber mehr Weidefläche. „Da müssten wir einen Acker opfern.“

Dazu wäre Heigl prinzipiell bereit. Denn er kann gut nachvollziehen, weshalb die Tiere so gerne auf der Wiese stehen. Der 19-Jährige verbringt seinen Arbeitstag selbst am liebsten draußen, „da bin ich mein eigener Chef, kann meine Zeit frei einteilen“.

Weil sie schon gehofft hatten, dass eines ihrer Kinder eines Tages den Milchviehbetrieb übernehmen würde, bauten die Heigls, die vorher mitten in Schweitenkirchen einen deutlich kleineren Hof hatten, Ende der 90er Jahre neu auf ihrem Hopfengarten am Ortsrand. Dazu kamen effektivere Technik und mehr Kühe. „Nur ab einer gewissen Größe ist ein reiner Milchviehbetrieb heutzutage noch rentabel“, weiß der 19-Jährige. „Es ist schon eine Verantwortung, das weiterzutragen, was vor mir aufgebaut wurde.“

PK