Containerdorf in Gerolsbach
Aufnahme von Asylbewerbern: „Unsere verdammte Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber“

Einrichtung für geflüchtete Menschen im kleinen Gerolsbach wird im Gemeinderat kontrovers gesehen

24.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:34 Uhr

Weil es in Gerolsbach (Symbolfoto) nicht genug dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten gibt, will der Landkreis Pfaffenhofen dort nun ein Containerdorf errichten.

Eigentlich war es nur eine schlichte Bekanntgabe: In Gerolsbach, Nähe Sportplatz, werden Container für die Unterbringung von bis zu 42 Asylbewerbern aufgestellt. Im Gemeinderat führte diese Bekanntgabe aber zu einer ausführlichen Debatte, die im Grunde das gesamte Spektrum dieses heiklen Themas abdeckte.

Es ging auch darum, ob man diese Unterkunft nicht verhindern könnte – und ob es nicht unanständig wäre, genau das zu versuchen. Denn die Flüchtlinge sind ja da und müssen untergebracht werden. Im Vergleich zu anderen Städten und Gemeinden habe Gerolsbach bisher relativ wenig Asylbewerber aufgenommen, sagte Bürgermeister Martin Seitz (CSU). Erst in der vergangenen Woche hatte das Landratsamt Pfaffenhofen berichtet, dass mittlerweile mehr als 2600 geflüchtete Menschen im Landkreis untergebracht seien – und alle zwei Wochen komme ein Bus mit weiteren 50 an.

Trotz intensiver Bemühungen schaffe es die Gemeinde Gerolsbach nicht, Wohnungen für diese Menschen zu finden, sagte Seitz. Obwohl es offenbar geeignete Objekte gäbe, die aber nicht zur Verfügung gestellt würden. Denn: „Die Leute, die Leerstand haben, haben Angst vor den Nachbarn und den Mitbürgern“, meinte Vizebürgermeisterin Gerti Schwertfirm (FW).

Bedenken wegen der Nähe zum Sportgelände

Dass es Vorbehalte gegen Asylbewerber und vor allem gegen eine Unterbringung an diesem Standort gibt, zeigten zwei Wortmeldungen von Besuchern der Sitzung, denen der Gemeinderat ausnahmsweise Rederecht gewährte: „Wollt ihr das wirklich so nah am Sportgelände haben?“, fragte ein Zuhörer. Es kämen ja keine Flüchtlingsfamilien nach Gerolsbach, sondern einzelne Männer. „Da trainieren Kinder und junge Madln“, sagte der Zuhörer. „Was machen die Leute hier eigentlich?“, fragte eine andere Bürgerin und wies damit auf die eingeschränkten Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten in Gerolsbach hin. „Und“, wollte sie noch wissen, „was machen wir, wenn das schiefgeht?“

Stefan Maurer (UB) wies darauf hin, dass das Landratsamt sieben Jahre nach Aufstellung der Planung (siehe Kasten) gar kein gültiges Baurecht mehr für die Unterkunft habe. „Der Gemeinderat hat alle Optionen, dass hier keine Container-Siedlung kommt“, meinte Maurer: „Es gibt auch keine gesetzliche Grundlage, dass wir das machen.“ Nun vonseiten der Gemeinde eine Containersiedlung zu billigen, nachdem das Landratsamt angebotene Unterkünfte in der Gemeinde abgelehnt habe? „Ich finde das sehr bedenklich“, sagte Maurer. Alfred Höpp (CSU) fragte, was die Alternative zum Containerdorf wäre. Die knappe Antwort von Bürgermeister Seitz: „Turnhalle.“

„Polemisch und unterste Schublade

Und dann gab’s von Höpp noch eine verbale Watschn für Maurer: „Wir haben eine gesellschaftliche Verpflichtung“, stellte er klar. Da hülfen Worte wie die von Maurer, die „unverantwortlich, polemisch und unterste Schublade“ seien, nicht weiter. Die Gemeinde müsse handeln, ehe die Turnhalle „beschlagnahmt“ werde.

Auf Maurers erneuten Vorschlag hin, die Asylbewerber doch in der ehemaligen Gastwirtschaft in Strobenried einzuquartieren (was bereits abgelehnt worden war), schimpfte Johann Hirschberger (FW): „Die Lösung ist doch auch nicht, dass man die 42 in Strobenried unterbringt.“ Seitz hoffte, dass es die Gemeinde mit einem eigens eingestellten Betreuer schaffen könnte, für einen geordneten Ablauf im Containerdorf zu sorgen. Aber was, wenn das nicht klappt, wollte Peter Popfinger (CSU) wissen. „Was mich an der Debatte immer stört“, sagte er: „Wir gehen immer vom Besten aus, und wenn es doch nicht so ist, heißt es: Wir können nichts machen.“

„Wir reden jetzt von Menschen“

Willi Reim (Grüne) appellierte an seine Ratskollegen, sich erst einmal grundlegend klarzumachen: „Wir reden jetzt von Menschen.“ Natürlich werde es auch im Containerdorf, in dem Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen aufeinandertreffen, nicht immer ruhig bleiben. „Aber selbst bei einer Ethnie weiß man nicht, ob das klappt“, meinte Reim: „Wie viele Nachbarschaftsstreits gibt es bei uns?“ Grundsätzlich müsse man aber bereit sein, „den Menschen als Menschen zu akzeptieren.“

Das unterstützte Peter Wörle (CSU): Es sei „unsere verdammte Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber“, Menschen, die ihre Heimat verloren hätten, aufzunehmen. Und da müsse jeder seinen Beitrag leisten, meinte Isabell Steurer (Grüne) – das gelte von der Staatenebene bis hinunter zu den Gemeinden. Sie verwies auch darauf, dass „eine gute Betreuung der Schlüssel ist, dass das funktioniert bei uns“.

Gegen den Widerstand von Stefan Maurer – es handle sich laut Sitzungsvorlage doch nur um eine Bekanntgabe, betonte der UB-Chef – legte Bürgermeister Seitz seinen Gemeinderäten schließlich einen Beschlussvorschlag vor: Das im März 2016 erteilte gemeindliche Einvernehmen für die Nutzung des Grundstücks zur Unterbringung von Asylbewerbern soll erneuert werden. Dem stimmten bis auf Maurer, Popfinger, Oliver Eisert (UB) und Thomas Koller (CSU) alle zu. Zumeist offenbar, weil man, wie Albert Zaindl (CSU) sagte, als Gemeinde „gar keine andere Möglichkeit“ habe, wenn es nicht ausreichend dezentralen Wohnraum für die Geflüchteten gibt und wenn man nicht die Turnhalle opfern will.

SZ