Kunst und ihr Versöhnungspotenzial
Vernissage zur Ausstellung „Abrahams Sprösslinge“ auf großformatigen Bannern an der KU

11.10.2023 | Stand 11.10.2023, 17:00 Uhr

Im intensiven Gespräch über die Möglichkeiten von Kunst im Dialog mit den Religionen (v. l.): der Innsbrucker Bischof und Künstler Hermann Glettler und die KU-Theologen Martin Fuß und Martin Kirschner. Foto: Luff

Die traurige Aktualität der kriegerischen Ereignisse zwischen Israel und der Hamas zeigt es überdeutlich: Zwischen den Religionen muss mehr Dialog stattfinden, sei es auf politischer oder persönlicher Ebene. Oder eben in der Kunst. Daher sind Tagungen wie die derzeit an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) stattfindende dringend notwendig.

„Die zeitgenössische Kunst als Segment im interreligiösen Dialog“ ist ihr Titel und zwölf Experten loten dort in ihren Vorträgen aus, wo dieser Dialog aus jüdischer, christlicher und islamischer Sicht heute steht und welche Impulse die zeitgenössische Kunst geben kann. Zeitgleich wurde nun vor der Cafeteria der KU die Ausstellung „Abrahams Sprösslinge“ eröffnet.

Auf großformatigen Bannern, die auf dem Eichstätter Campus an Bauzäunen rund um die Cafeteria platziert wurden, sind über mehrere Monate hinweg Werke von internationalen Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, die eine jüdische, christliche und muslimische Sozialisation erfahren haben. Die Bauzäune stehen dort, weil derzeit die große Sanierung der Kollegiengebäude vorbereitet wird. Als Kurator der Ausstellung zeichnet Hubert Salden verantwortlich. Der ehemalige Leiter der Kunsthalle Tirol war auch bei der Vernissage persönlich anwesend. Dabei entspann sich ein lebhafter Dialog zwischen ihm, dem Theologen Martin Kirschner und dem Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, der hier selbst als Künstler ausstellt.

Die Vielfalt der präsentierten Kunstwerke ist atemberaubend und reicht vom Bild und Foto über Fotomontagen, Skulpturen und Comics bis zu Installationen und über die Bauzäune drapierten Teppichen, in deren Mitte ein großes Loch prangt. Eines davon hat die Form eines Mickey Maus-Kopfes mit überdimensionalen Ohren und soll dazu mahnen, wieder mehr auf den anderen zu hören. Die Teppiche stammen aus der künstlerischen Hand Herrmann Glettlers, während die Kunst-Banner jeweils die abgedruckte Version von Originalwerken oder deren Cover-Versionen tragen. Zu den präsentierten Werken von 14 internationalen Kunstschaffenden gehören unter anderem Auszüge des Comics „The Book of Genesis“ von Robert Crumb, eine vom Künstlerlabel SUSI POP stammende Interpretation von Mark Chagalls „Le peintre devant le chevalet“ und Werke des Fotokünstlers Duane Michals oder der Malerin Yesim Akdeniz.

Dass die Kunst überhaupt in den Fokus des interreligiösen Dialogs rückt, ist ein Neuansatz, dem auch die von Martin Fuß organisierte Tagung folgt. Dompropst Alfred Rottler betonte daher in seinem Grußwort, wie wichtig die Kunst der Gegenwart inzwischen auch für die Kirche ist, denn sie könne den Zugang zu Transzendenz in neuen Formen schaffen. Dass die Ausstellung unter dem Titel „Abrahams Sprösslinge“ steht, weise klar auf den Urvater der drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam hin.

Es folgte ein spannendes Gespräch zwischen dem Kurator Salden, dem Theologen Kirschner und Bischof Glettler, der zugleich Künstler ist. Immer wieder wurde auch das Publikum in diesen Dialog mit einbezogen, während man an den Bauzäunen entlangschritt und Impressionen und Deutungen der Kunstwerke austauschte. Das ungewöhnliche Format sei bewusst so gewählt, denn der Bauzaun sei eben hier mehr als nur ein Bildträger. Er macht direkte Nachbarschaft erst sichtbar und Fremdartigkeit erfahrbar, zumal im Zentrum der Ausstellung Robert Crumbs Genesis-Comics stehen, die Abrahams Gastfreundschaft und seine Fürbitte für das sündige Sodom thematisieren. Die Anordnung mache die Betrachter zu Zaungästen der Weltreligionen, die dazu eingeladen seien, auch einmal in einen fremden Garten hineinzublicken.

Hubert Salden und Hermann Glettler wiesen auch auf die vielen Brechungen der Kunstwerke hin, wie auf der Installation „All Saints“, auf der leere Glashauben mit Goldrand zu sehen sind, unter denen einst Kruzifixe oder liturgische Kunstwerke aufbewahrt wurden, die nun aber leer sind. Und die Löcher in Glettlers Teppichen schaffen erst individuelle Durchblicke. Auf die Frage, wie ein Bischof denn gleichzeitig Künstler sein könne, antwortete Glettler pointiert-ironisch: „Es schadet nicht, wenn man nicht ganz dicht ist.“ Sich in seinem hohen kirchlichen Amt abschotten wollte er nie und so fand er eben den Weg in die Kunst, den er bis heute gerne und immer wieder neu beschreitet. Mit einem Stehempfang und vielen angeregten Diskussionen klang die Vernissage aus, die durchaus mehr Zuspruch durch die Eichstätter Bevölkerung und Künstler verdient gehabt hätte.

EK



Die Ausstellung „Abrahams Sprösslinge“ ist während des Wintersemesters an der Cafeteria der KU zu sehen (Zugang über den Seminarweg oder die Universitätsallee). Informationen zu den 14 Kunstwerken finden sich unter www.abrahams-sproesslinge.info.