Schnaps in den Semmeln
Tettenwanger pflegten einst alten Brauch nach der Taufe

13.04.2024 | Stand 13.04.2024, 4:50 Uhr

Früher war in Tettenwang der alte Taufbrauch des Spießens verbreitet. Die Karte stammt aus den 1950er-Jahren. Foto: Patzelt (Repro)

Über Jahrzehnte hinweg ging in früherer Zeit ein Brauch durch Tettenwang: das Spießen. Vor 50 Jahren war im DONAUKURIER noch darüber zu lesen.

Der Brauch ereilte damals eine junge Familie, die ihr zweites Kind auf den Namen der Mutter taufte. „Der junge Familienvater steckte, assistiert von der „Taufbood“ (Patin), mehr als 70 mit Wein getränkte Semmeln auf die hingehaltenen Spieße der Tettenwanger Jugendlichen“, hieß es damals in unserer Zeitung.

Aber was versteckt sich hinter dem heute in Vergessenheit geratenen Brauch des Spießens? Er erfolgte nach der Taufe. Die Jugendlichen des Dorfes hatten Stecken zurechtgespitzt und klopften damit an das Fenster der Eltern des Täuflings. Der Hausvater öffnete das Fenster und steckte den Jugendlichen mit Rotwein oder Schnaps getränkte Brotstücke oder Semmeln auf die Spieße.

Als es noch Dienstboten im Ort gab, wurde dieser alte Brauch von der reiferen Jugend gepflegt – meist nach Einbruch der Dunkelheit. In alten Unterlagen ist ein Hinweis über diesen ungewöhnlichen Taufbrauch zu finden. Nach dem Dreißigjährigen Krieg gehörte Tettenwang zur Pfarrei Schamhaupten. Der Pfarrklerus von Schamhaupten kümmerte sich in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts wohl wenig um die neugeborenen Kinder von Tettenwang. So konnte oft erst nach zwei bis drei Jahren „ein Heuwagen voll“ zur Taufe gefahren werden. Erst 1667 besetzte der Regensburger Bischof die Messstiftung wieder mit einem Priester. Der Brauch des Spießens, die Freigiebigkeit des Kindsvaters, soll aus Dankbarkeit für die wiedererlangte kirchliche Eigenständigkeit entstanden sein. Ob allerdings der Schnaps das Taufwasser versinnbildlichen sollte, wie es damals ebenfalls im Dorf erzählt wurde, darf stark bezweifelt werden.

Aber nicht immer war man in der Vergangenheit mit den Eltern des Neugeborenen und deren Offenherzigkeit zufrieden. In unserem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1974 erinnerte sich Altbürgermeister Weigl zurück an seine Jugendzeit: „Oft ham’s a blos a Wasser in die Semmel getan oda den Schnaps und den Wein damit g’streckt“.

pa