Eichstätt
Leihmutterschaft: Wie zwei Männer ein Kind bekamen

Horst und Manuel Pfister haben sich ihren Kinderwunsch in den USA erfüllt

30.04.2022 | Stand 23.09.2023, 1:43 Uhr

Im Krankenhaus hielten die Väter in blauen Kitteln ihre Tochter Anna nach der Geburt am 1. Mai 2021 zum ersten Mal im Arm.

Von Lina Schönach

Mit Eizellen, Sperma und einer Leihmutter aus den USA verwirklichten Horst und Manuel Pfister ihren Traum. Die Eichstätter sind seit einem Jahr Väter. Ihre Reise – eine Achterbahnfahrt.

Neun Monate haben sie durchgehalten – eigentlich viel länger. Alles haben sie für diesen Moment vorbereitet. Jetzt stehen Horst und Manuel Pfister Arm in Arm hinter einer Glasscheibe. Beide starren auf den Tisch. „Wir haben einfach nur geweint“, erzählt Horst. Man könne sich das Gefühl nicht vorstellen, wenn man es noch nicht erlebt habe. Sie schreit zum ersten Mal. Der 31-Jährige hält sie im Arm. Endlich. 3250 Gramm schwer, 49,5 Zentimeter groß. Anna, die erste Tochter des homosexuellen Paares, ist geboren. Es ist der 1. Mai 2021.

Die Eichstätter haben mit Hilfe einer Leihmutterschaft in den USA eine eigene Familie gegründet. Schon bei ihren ersten Dates hatten sie über einen Hausbau und den Kinderwunsch gesprochen. Mit Mitte 20 erkundigten sich die beiden beim Jugendamt über Adoption und Pflegschaft. „Das hat aber nicht funktioniert“, sagt Horst. „Die Unterstützung der zuständigen Stellen fehlte.“ Beim Fernsehen stießen sie auf die Leihmutterschaft in den USA.

In Boston fand das Ehepaar, das seit sieben Jahren verheiratet ist, eine Agentur. Die Experten dort kümmern sich um die rechtlichen Angelegenheiten. Über sie kommen Paare mit einer Leihmutter zusammen. Gleichzeitig entschieden sich die Männer für eine Klinik in San Diego: Aus Eizellen einer Spenderin und dem Sperma von Horst oder Manuel entstanden Embryonen. Der Grund: „Die Leihmutter darf nicht die biologische Mutter sein.“ Wer der leibliche Vater von Anna, die eigentlich anders heißt, ist, verraten die Eichstätter nicht. In der Geburtsurkunde werden beide als Eltern aufgeführt.

Aufwühlende Tage bis zum ersten Ergebnis

Die Leihmutter – von Horst und Manuel liebevoll „Bauchmama“ genannt – lernten sie im Januar 2019 via Skype kennen. Zuvor hatten die Männer eine Präsentation gemacht, um sich vorzustellen. „Das ist bei der Leihmutter gut angekommen.“ Am „Transferday“ setzten die Ärzte der Amerikanerin einen Embryo ein. Horst und Manuel waren zugeschaltet. „Das war ein emotionaler Moment.“ Die folgenden zehn Tage zogen sich wie ein Kaugummi. Erst nach dieser Zeit war klar, ob es funktioniert hat. Alles hätten sie damals auf eine Karte gesetzt, sagt Horst. Und doch: Der Test blieb negativ. Für das Ehepaar platzte der Traum – zunächst. Sie brauchten drei Monate Pause.

An den zweiten Versuch wollten sie pragmatischer herangehen. Wie im Flug vergingen die Tage. „Als wir die Nachricht bekamen, dass es geklappt hat, habe ich in der Küche Zettel mit der Aufschrift ‚Wir sind schwanger!‘ aufgehängt.“ Der Betreiber einer Social Media-Agentur und der Ingenieur Manuel waren überglücklich. „Noch am selben Tag habe ich angefangen, das Haus umzuräumen.“

Die Schwangerschaft erlebten die Väter hautnah mit. Mindestens einmal in der Woche telefonierten sie mit der Leihmutter. Jeden Tag schrieben sie sich Nachrichten. Bei den Arztbesuchen erfuhren sie die Größe, das Gewicht, den Entwicklungsstand des Kindes. In den USA sei man für solche Fälle technisch sehr gut ausgestattet, lobt Horst. Zwei Wochen vor der Geburt reisten die Eichstätter in die USA – nach einem langen Flug nahmen sie die Leihmutter ihres noch ungeborenen Mädchens zum ersten Mal in den Arm. Die Nachbarn stellten Schilder mit der Aufschrift ‚Herzlich willkommen, deutsche Väter!‘ auf.

Zwei Wochen lang besuchte das Ehepaar mit der „Bauchmama“ und deren fünf Kindern Sportevents; sie entdeckten das Land. „Ein Kamerateam des Fernsehsenders RTL filmte uns. Wir wollten die Menschen über unseren Weg informieren.“ Bis zum Kaiserschnitt blieb alles ruhig. Gefühlt nur drei Minuten habe der gedauert, schätzt Horst. Für ihn war es der emotionalste Moment in seinem Leben, eine Befreiung. So lange musste er mit Manuel warten, um den Traum zu verwirklichen. 

„Die Zeit nach der Geburt verbrachten wir entspannt.“ Eigentlich hätten sie sich schon im fremden Land eingelebt. Drei Wochen später ging es mit ihrer Tochter Anna aber zurück nach Hause. Der Alltag als Familie begann.

Glücklich mit dem Kinderwagen unterwegs

Für den Social Media-Experten und den Ingenieur war das schwer: An neue Laufwege und Routinen mussten sie sich erst gewöhnen. „Trotzdem war es sofort schön, nicht nur als werdende Eltern, sondern als Väter mit Kinderwagen durch die Straßen zu laufen“, erzählt Horst voller Stolz. In diesen Momenten nehmen sie ihre Followerinnen und Follower auf der Fotoplattform Instagram mit. Familie, Storys und Bilder unter einen Hut zu bringen, ist manchmal kompliziert. Noch dazu hat die Tochter mit knapp einem Jahr ihren eigenen Kopf: Anna schnappt sich einen Wäschekorb, wenn sie auf die Kommode schauen will. Einen Stuhl schiebt sie quer durch das Haus. „Sie ist schon Papas kleine Prinzessin und entwickelt sich wirklich toll.“ 

Um ihr das Leben später zu erleichtern, wird das Ehepaar ein neues Haus bauen. In der Nähe gibt es eine Schule, Einkaufsläden und Gaststätten. „Es muss uns nur gelingen, ganz viel Familienzeit einzuplanen.“ Vielleicht streben die Männer mit Anna einen Aufenthalt im Ausland an. Und ein zweites Kind? „Wir sind glücklich und ausgelastet mit einem“, sagt Horst und lacht. Er und Manuel kommen gerade erst im Papa-Alltag an.

EK



Der Instagram-Kanal „2.be.good.dads“

Im Januar 2021, knapp vier Monate vor der Geburt ihrer Tochter, haben Horst und Manuel Pfister den Kanal mit dem Namen „2.be.good.dads“ auf der Fotoplattform Instagram eröffnet. „Wir haben damals fast keine Informationen zu Leihmutterschaft gefunden, weil diese in Deutschland verboten ist“, erzählt Horst.

Deshalb sähen sie es als Aufgabe, anderen Paaren zu helfen, indem sie über ihre Reise und die Möglichkeit in den USA erzählen. Rund 57000 Menschen begleiten die drei mittlerweile in ihrem Alltag. Horst kümmert sich als Betreiber einer Social Media-Agentur um den Inhalt.

Von Hassnachrichten bleibt das Ehepaar nicht ganz verschont – „aber lange hat es die nicht gegeben, wir haben eine starke Community“. Von 100 Nachrichten ist eine feindliche dabei. Bei wirklich starken Anschuldigungen lassen Horst und Manuel die Nachrichten strafrechtlich verfolgen.

Die Themen des Kanals sind ein bunter Mix: Nicht nur die Entwicklung von Tochter Anna, sondern auch Tipps für eine gelungene Partnerschaft oder Kochvideos veröffentlicht das Ehepaar.

EK