Pfitscha-Bögen basteln und Stelzenlauf
Heimatforscher Gerhard Meiers Erinnerungen an eine sparsame, aber glückliche Kindheit

06.06.2023 | Stand 14.09.2023, 23:45 Uhr

In seiner Kindheit bewunderte man Stelzengeher, die sogar Treppen steigen konnten. Heute ist das für Gerhard Meier natürlich nicht mehr möglich. Fotos: Patzelt

„Als sparsam noch normal war – wir hatten nichts, aber schön war es trotzdem.“ Unter dieser Überschrift hat der Heimatforscher Gerhard Meier aus Zandt seine Erinnerungen an ein karges und einfaches Dorfleben in den 1950er-Jahren zusammengeschrieben.

Laut Meier lebte man einfach, genügsam und war mit allem zufrieden – denn es hatte ja keiner etwas. Und wenn, dann sei es redlich geteilt worden. Das habe die Gemeinschaft gefördert und die Kameradschaft gestärkt. „Es gab keinen Neid, nur ein festes Zusammenhalten, sowohl in der Schule als auch beim Spielen“, erinnert sich der Zandter zurück. Sogar im Gebet hieß es: „Ich lebe ehrlich, rein und fromm, damit ich in den Himmel komm.“ Dieser Satz wurde auch für das tägliche Leben vorgegeben.

Als Kinder spielte man mit selbst gebastelten Spielsachen und dachte sich immer neue Spiele aus. Großer Beliebtheit erfreute sich dabei das Stelzenlaufen. An zwei stärkeren Bohnenstangen wurde in einer bestimmten Höhe jeweils ein Kantholz genagelt. „Auf diese Hölzer hat man sich draufgestellt, die Stangen unter den Arm geklemmt und los ging’s im Stelzenschritt“, so der Heimatforscher. Geübt wurde so lange, bis es endlich perfekt klappte. Danach befestigte man die Kanthölzer etwas höher.

Ein Bogen aus einer Haselnussrute



Um einen „Pfitscha-Bogen“ (Indianerbogen) herzustellen, benötigte man eine stärkere Haselnussrute. Die erzeugte Spannung hielt eine „Wurstschnur“ fest. Die langen dünnen Ruten brauchte man für die Pfeile. Und mit einem kräftigen Indianergeheul konnte das Spiel dann losgehen. Pistolen hatten überwiegend die Cowboys. Sie wurden, so gut es in diesem Alter ging, auf eine Sperrholzplatte gezeichnet, mit dem „Laubsägl“ ausgeschnitten, etwas zurechtgefeilt und mit übrig gebliebenem Xyladecor angepinselt. Meier hat sich seine Pistole bis heute aufgehoben. Am Griff steht die mit einem Nagel eingeschlagene Zahl 55. „Das heißt, dass ich sie 1955 gebaut habe“, gibt der Zandter Auskunft. Cowboy und Indianer gespielt wurde dann in der Nachbarschaft oder irgendwo im Dorf. Im oft tiefen Wald entstanden Baumhäuser: „Keiner wusste, wo wir waren. Nur beim Gebetsläuten mussten wir zuhause sein – sonst gab’s Ärger.“

Einmal in der Woche wurde in der Waschküche der große Kessel geheizt – dann wusste jeder: Heute ist Waschtag. Der Badetag fand auch einmal pro Woche statt - und zwar in der Blechbadewanne. „Zuerst waren die Eltern dran und für uns Kinder wurde immer nur ein Kübel abgekühltes Wasser rausgenommen und ein Eimer heißes nachgeschüttet“, so Meier.

Zum Haareschneiden ging man zum „Boda“. Man tat das zwar ungern und erst wenn es unbedingt sein musste. Denn es gab nur einen Haarschneider. Und der zwickte oft ziemlich schmerzhaft. Quasi als „Schmerzensgeld“ bekam man an Ostern ein rotes Ei und zu Weihnachten einen Lebkuchen. Die Mädchen trugen damals lange Zöpfe oder ganz stolz einen modischen „Gockel“ als Frisur. Auf die Schulkleidung wurde besonders aufgepasst und zum Auftragen dann weitergegeben. Denn nach dem Unterricht hieß es als Erstes „sofort umziehen“ und in die bereits abgetragene „Werktagskleidung“ schlüpfen. „Auch unsere Schuhe waren von älteren Geschwistern bereits eingelaufen“, erinnert sich der Zandter an seine Kindheit zurück.

Der Reichtum einer Matratze



Wer bereits über eine Matratze im „Bettstadl“ verfügte, war irgendwie reich. Die meisten hatten nämlich nur einen Strohsack. Und wenn dieser mit neuem Kornstroh befüllt wurde, musste zuerst wieder eine bequeme Mulde gelegt werden. „Im Winter hatten wir immer Blumen in unseren Schlafzimmern – Eisblumen glitzerten nicht nur an den Fensterscheiben, sondern auch an vielen Außenmauern. Für eine warme Schlafstätte sorgten einfache, heißgemachte Ziegelsteine – mehrfach in Zeitungspapier eingewickelt. Und bei einigen gab es auch schon eine Blechwärmeflasche.

„Das Bettgestell und die Spielsachen leuchteten in strahlenden Farben – voller Blei und Cadmium“, so der Heimatforscher. Auch die bunten Holzbausteine erhielten zu Weihnachten immer wieder einen neuen Anstrich.

Zum Bügeln mit dem Elektrobügeleisen steckte man einen Stecker in die einzige Verteilerdose, die sich an der Deckenlampe befand. „Heimlich nahmen wir einen Schluck vom hausgemachten Zwetschgenschnaps“, so Meier. In einem großen „Ballon“ setzten viele dazu Johannisbeeren, Schlehen oder „Hennafilzl“, das waren Hagebutten, an. „Obendrauf war so ein komisches Röhrchen, in dem es immer blubberte, solange, bis der Wein fertig war“, kramt Meier weiter in seinen Erinnerungen.

Der sogenannte Eisensammler holte regelmäßig das alte Metall und Blechzeug ab. Als Bezahlung gab es dann eine Kaffeetasse oder auch mal einen Teller aus „bestem Porzellan“, wie sich der Händler stets ausdrückte.

„Ich wurde zwar streng, aber gerecht in einem christlichen Elternhaus erzogen. Und dafür bin ich heute noch dankbar und auch etwas stolz“, schließt Meier seine Kindheitserinnerungen ab.

EK