Kösching
Das „Wahre Abbild Christi“

Die Legende um das Schweißtuch der Veronika wird in Kösching kunstvoll dargestellt

05.02.2023 | Stand 17.09.2023, 4:01 Uhr
Friedrich Lenhardt

Lange Zeit eine der kostbarsten und am höchsten verehrten Reliquien war das Schweißtuch der Veronika. Der Kreuzweg von Stegmüller in der Friedhofskapelle schildert eindrücklich die Begebenheit um die Heilige. Foto: Lenhardt

Die heilige Veronika, deren Festtag auf den 4. Februar festgelegt wurde, ist eine der namentlich bekannt gemachten Statisten des Passionsgeschehens. Dabei muss man diese distanziertere Ausdrucksweise wählen, denn ihre Person ist fiktiv, ihr Name soll eigentlich Berenike gewesen sein. Umso bunter gestalten sich die Legenden um sie.

Als gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Darstellung des Kreuzweges in 14 Stationen kanonisch wurde, erhielt die Szene mit der Veronika die Nummer 6. Die Errichtung eines Kreuzweges lag zunächst in den Händen des Franziskanerordens. So auch in Kösching.

Köschinger Kunstmaler Johann Baptist Stegmüller

Im 19. Jahrhundert wurde die Gestaltung durch Joseph Führich (1800–1876) in Wien zum übermächtigen Vorbild vieler Kunstschaffender. Sein Köschinger Epigone war Johann Baptist Stegmüller. Zunächst im Werkstattzusammenhang mit seinem Arbeitgeber Max Reiner schloss er die Lücken der Kirchen in der Nachbarschaft, die durch die übergroße Nachfrage und amtskirchliche Förderung der Kreuzwegandachten und deren bildlichen Imaginationen ab der Mitte des Jahrhunderts bestanden. Diese umsatzfördernde Tätigkeit setzte Stegmüller auch ab 1877 als Selbstständiger fort.

Großes Vorbild: eine berühmte Kupferstichserie

Als unmittelbare Bildvorlage benutzte er eine Kupferstichserie des Führichschen Kreuzwegs. Sie erschien im Kunstverlag Georg Manz in Regensburg 1856. Die Originale dazu liegen als wertvolle Zeugnisse Köschinger Kunstgeschichte im Archiv der Marktgemeinde. Sie sind durch eine Quadrierung mit Bleistift zum Übertragen auf ein größeres Format als solche ausgewiesen. Die Statio VI ist untertitelt: „Veronica reicht Jesus das Schweißtuch“. Von rechts trägt Jesus die Via dolorosa sein Kreuz auf der linken Schulter herunter. Ihn begleiten grimmig dreinblickende Schergen, die ihm emotionslos zusätzliche Schmerzen zufügen. Römische Legionäre bewachen auftragsgemäß die Foltergruppe. Simion, der in der vorhergehenden 5. Station das Kreuz tragen half, weist den Weg. Im Hintergrund mag man noch weitere Frauen aus Jerusalem, darunter die leidende Mutter Maria, erkennen. Eine von ihnen, wir wissen jetzt, dass ihr Name Veronika ist, hat sich in den Weg gekniet. Sie reicht dem zum Tode verurteilten Heiland ihr „Schweißtuch“, um damit sein Gesicht vom Blut und den Tränen zu befreien. Nach der Legende blieb aber nicht nur das, sondern auf wundersame Weise sein ganzes Porträtbild als Abdruck zurück.

Tuch der Veronika eines der kostbarsten Reliquien

Das machte dieses Tuch in der Sucht der Gläubigen nach Realem zu einem der verehrtesten Erinnerungsstücke an die Passion. Daraus entsprangen wiederum zahlreiche Legenden und zwangsläufig auch Streitigkeiten um den Verbleib des Originals. Das „Schweißtuch der Veronika“ war einst eine der kostbarsten und am höchsten verehrten Reliquien der Christenheit und befindet sich heute in einem Tresor im Veronikapfeiler, einem der Vierungspfeiler des Petersdoms in Rom. Zur Verehrung gezeigt wurde das Schweißtuch jeweils Mitte Januar am zweiten Sonntag nach dem Fest der Erscheinung des Herrn, das war heuer der 20. Januar. Für Köschinger ist das natürlich der Sebastianitag.

Stegmüller hat die Führichsche Erfindung sehr oft mit unterschiedlicher Tönung, da die Vorlage nur grafisch in Schwarz-Weiß zur Verfügung stand, für seine Kreuzwege umgesetzt. Zum ersten Mal, noch als Angestellter Reiners, 1861 in Arnsberg, 1864 für den Kreuzweg in Stammham, 1865 in Appertshofen (verschollen), 1866 in Hepberg, 1870 in Wolkertshofen.

Im Kreuzweg in der Friedhofskapelle dargestellt

1885 erhielt Maler Stegmüller den Auftrag, für die Köschinger Pfarrkirche einen neuen Kreuzweg zu malen. Er verstarb aber über der Arbeit an der zehnten Station. Die restlichen Bilder lieferte der Maler Michael Greger aus Pressath. Allerdings besitzt Kösching einen vollständigen Zyklus von Stegmüllers Hand in der Friedhofskapelle. In relativ kleinem Format, aber eng an der Vorlage, sind dort der Führichkreuzweg und die sehr talentierte Hand des Köschingers zu bewundern.

Deckenfresko in der Klausenkapelle

Ebenfalls von eigener Hand Stegmüllers stammt das kleine Deckenfresko der „Vera Icon“ in der Klausenkapelle. Sie weist ihn als den begabten Freskanten aus, als den ihn unser Chronist Ferdinand Ott in seiner „Chronik von Kösching“ beschrieb. Hier hat sich wieder einmal gezeigt, dass auch die kleinen Werke auf dem Land ein großes Kapitel der lokalen Kunstgeschichte überliefern können.