Alexandra R.-Prozess
Alexandra R.-Prozess: Gericht erforscht Beziehungsgeflecht

17.04.2024 | Stand 17.04.2024, 19:00 Uhr

Die beiden Angeklagten zwischen ihren Verteidigern. Sie schweigen zu den Vorwürfen. Foto: Stöcker-Gietl

Immer wieder gerät der Zeuge mit seiner Aussage ins Stocken. Er weint, ringt nach Worten, besonders dann, wenn die Sprache auf Anna kommt. Anna, die eigentlich anders heißt, ist die leibliche Tochter des Mannes. Jenes Mädchen, das Alexandra R. als Pflegetochter angenommen hatte. Und nun sitzt der 57-Jährige im Gerichtssaal und wird über sein Verhältnis zu dem Kind, aber auch zu der seit Dezember 2022 verschwundenen Pflegemutter befragt.

Mit Alexandra R. war der Zeuge selbst zwischen 2003 und 2007 verheiratet. Er habe sie als 19-Jährige aus Rumänien nach Deutschland geholt, sagt er. Dann traf sie auf den in Pyrbaum (Lkr. Neumarkt) lebenden Dejan B. Jenen Mann, der sich nun mit seinem Geschäftspartner vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten muss – wegen Mordes an der zum Zeitpunkt ihres Verschwindens hochschwangeren Frau.

Mehr als zweieinhalb Stunden widmet sich das Gericht am vierten Prozesstag der Aussage des Ex-Mannes, lotet dabei auch das schwierige Beziehungsgeflecht aus. Der Zeuge sagt, dass Alexandra R., die bis zu ihrem Tod seinen Nachnamen trug, sehr ehrgeizig gewesen sei. „Sie wollte immer Erfolg.“ Und mit Dejan B. habe sie diesen Sprung geschafft. Die Bankerin sei „prädestiniert für den Verkauf“ gewesen.

Finanzierung der Immodeals sei „verschleiert“ gewesen

Dejan B. habe sich um die Verwaltung und die Buchhaltung gekümmert. Wie die Immobilien, die das Paar für kleines Geld erwarb, sanierte und dann weiterverkaufte, finanziert wurden, kann der Zeuge nicht beantworten. Es sei alles etwas verschleiert gewesen. „Aber die Alex war involviert.“ Für eine der Firmen fungierte der Ex-Mann selbst eine geraume Zeit als Geschäftsführer. „Nur auf dem Papier“, wie er betont. Dass es im März 2022 bei einem Streit des Paares um die Finanzen gegangen sei, habe er mitbekommen. Später erfuhr er, dass Alexandra R. ihrem Lebensgefährten die Kontozugänge gesperrt hatte. Sie habe Angst gehabt, dass B. die Pflegetochter ins Ausland entführen könnte. Deshalb habe er sie und seine Tochter ins Frauenhaus gebracht. Das Gericht will auch wissen, wie Anna in die Pflegschaft von Alexandra R. gekommen war. Seine Lebenspartnerin Nadine P. habe sich nicht ausreichend um das Mädchen kümmern können, sagt der Vater. Sie gelte als lernbehindert. Anna sei zudem als Frühchen zur Welt gekommen. Für seine Tochter sei Alexandra R. die wichtigste Bezugsperson gewesen. Inzwischen lebt das Kind bei der Schwester des letzten Lebensgefährten des Opfers.

Dass Alexandra R. selbst ein Kind erwartet habe, habe die Beziehung zu dem im Februar 2020 geborenen Mädchen nicht verändert. Damit widerspricht der Zeuge auch den WhatsApp-Nachrichten und SMS, die mit ihrem Handy am Tag des Verschwindens verschickt wurden. „Ich bin fort und komme nicht zurück. Ich bekomme jetzt ein eigenes Kind. Ich lasse mich von dir und Nadine nicht mehr ausnutzen. Alles, was dich interessiert, ist mein Geld“, stand in jener, die der Zeuge am 9. Dezember gegen 16.30 Uhr erhalten hatte. Just in dem Moment, als ihn die Kita anrief, dass Anna nicht abgeholt worden war. „Niemals“, sagt der 57-Jährige, hätte sie das Kind zurückgelassen. Eine Sozialpädagogin der Jugendhilfe bestätigt im Zeugenstand, dass Alexandra R. eine tiefe Bindung zu dem Kind hatte. Den Angeklagten ordnete sie hingegen als Blender ein, der großspurig aufgetreten sei.

Mit zwei Kindern ein neues Leben andernorts aufbauen

Weil die Familienverhältnisse verworren sind, bohren die Verteidiger tiefer. Alexandra R. habe mit ihrem neuen Lebensgefährten und den dann zwei Kindern ein Leben an einem neuen Ort aufbauen wollen. Aber nicht nur Alexandra R. erwartete ein Kind, sondern auch die vorherige Partnerin ihres Lebensgefährten. Ob es da nicht zu Konflikten gekommen sei? Die Kinder wären fast zeitgleich zur Welt gekommen, bestätigt die Sozialpädagogin. Sie fügt aber ergänzend an, dass die Beziehung des Paares noch frisch gewesen sei. „Da kann so etwas vorkommen.“ Am Montag erschien Alexandra R.s letzter Partner mit einem T-Shirt mit dem Ultraschallbild seines ungeborenen Sohnes im Gerichtssaal. Er habe sich sofort nach ihrem Verschwinden große Sorgen gemacht. Das bestätigt auch der Ex-Mann. „Er war sicher, dass die Alex entführt worden ist.“

HK