Tunesiens Halbinsel Cap Bon: Wo die Geschichte den Weg in die Zukunft weist

16.03.2024 | Stand 16.03.2024, 5:00 Uhr
Julian Alexander Fischer

Die Überreste des alten Hafens von Sidi Reis in der Nähe der Ortschaft Korbous sind auch nach Jahrhunderten überall zu entdecken.  − Fotos: Fischer

Zahlreiche Kulturen haben Tunesien in den vergangenen Jahrtausenden ihren Stempel aufgedrückt. Ihre Nachfahren wollen diese Spuren wieder sichtbarer machen – das wird beim Besuch auf der Halbinsel Cap Bon besonders deutlich.

Ein Bild von Hajer Lassaoueds Vater hängt violett angestrahlt im Eingangsbereich. Das Diplom der Mutter, die als erste Frau an der Zitouna-Moschee einen Arabisch-Universitätskurs abgeschlossen hat, ziert eine andere Wand. Ihre Eltern sind stets präsent, wenn Hajer Lassaoued Gäste durch das Dar Lassaued führt, das zweitälteste Haus von Nabeul, der Hauptstadt des Cap Bon.

Ihr Vater hat es ihr und ihren drei Schwestern vererbt. Gemeinsam haben sie das Gebäude zu einem Ort gemacht, an dem sie die tunesische Kulinarik feiern. Denn dort, wo ihre Familie einst lebte, in einem pittoresken Haus, weiß und blau angestrichen, zeigen sie, wie die Gerichte des Landes funktionieren. In der alten Küche des Hauses kippt Lassaoued immer mehr Chilischoten in eine alte Drehmühle, dazwischen immer wieder eine Hand voll Knoblauchzehen. Verfeinert mit Koriandersamen und Kreuzkümmel entsteht Harissa – eine Gewürzpaste, die seit dem vergangenen Jahr sogar immaterielles Kulturerbe ist.

Landwirtschaft neu denken und umsetzen

Lassaoued will die historische Rezeptur den Gästen näherbringen. In der Vergangenheit stehengeblieben ist sie aber keinesfalls. Sie ist eine Geschäftsfrau mit eigener Olivenölmarke und gehört zu einer Generation von Tunesiern, die das reichhaltige Erbe des Landes zeigen wollen – und das auf eine nachhaltige Weise.

Das ist auch der Wunsch von Seyf Bettaieb. Etwas fröstelnd steht er mit kariertem Mantel, rotem Schal und blauer Mütze bei 18 Grad im tunesischen Winter. In perfektem Deutsch erklärt er seine Vision: Olivenbäume anbauen, ganz ohne künstliche Bewässerung. „Das ist die Zukunft. Wir haben hier neun Monate im Jahr keinen Regen“, erklärt er. Sieben Jahre lang hat er in Hannover Landschaftsarchitektur studiert, bevor er zurück in seine Heimat kam. Von den Lehren aus Deutschland kann er nur bedingt profitieren, die Gegebenheiten in Tunesien unterscheiden sich stark. „Es funktioniert viel mit Herumfragen, das Internet hilft nicht viel“, sagt der Landschaftsarchitekt. 20 Hektar Fläche besitzt er in Hammamet, wo er 200 Olivenbäume anpflanzen will. In fünf Jahren soll das Projekt dann rentabel sein.

Tradition in die Moderne führen

Projekte wie dieses sind wichtig für die Region, in der die Landwirtschaft sehr präsent ist. Neben Olivenbäumen wachsen am Cap Bon vor allem Zitrusfrüchte. Besonders die in Deutschland weniger genutzte Bitterorange ist ein wichtiges Exportgut. Nicht nur die Frucht, auch das Blütenwasser ist eine Spezialität, die in Tunesien so manches Gericht verfeinert.

Doch nicht nur bei der Kulinarik will man am Cap Bon an die Tradition anknüpfen und diese in die Moderne führen. Im Norden der Halbinsel liegt das kleine Städtchen Korbous, einst bekannt für seine heißen Quellen, wo heißes chlor-, natrium- und schwefelhaltiges Wasser ins Meer fließt, und denen seit Jahrtausenden eine heilende Wirkung nachgesagt wird. Die Römer badeten dort ebenso wie der tunesische Herrscher Ahmed I. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte der französische Geschäftsmann Edmond Lecore Carpentier die Region und die Quellen wieder. Er gründete einen Kurort und ermöglichte den Tourismus dorthin.

Millioneninvestition soll Korbous aufwerten

Seitdem die Küstenstraße durch einen Erdrutsch zerstört wurde, hat Korbous aber an Bedeutung verloren. Hotels und Bäder sperrten zu, viele Häuser stehen leer. Heute streifen vor allem Ziegen durch die Straßen.

Inmitten dieser Lage hat es sich Ferrid Abbas zum Ziel gesetzt, die Region wieder aufzuwerten. Er ist einer der reichsten Männer des Landes, besitzt Banken, Containerschiffe und ist exklusiver Volvo-Importeur des Landes. Er sieht Potenzial in der Region. Also baute er mit dem Royal Tulip Korbous Bay ein Luxushotel sondergleichen an die Küste und lässt die Straße erneuern. „Wir wollen Korbous wieder aufbauen, ohne die Landschaft zu zerstören“, erklärt er. Nachhaltigkeit ist auch hier ein Selbstverständnis. Das Meerwasser wird im Hotel aufbereitet und genutzt. Wasserverschwendung im Tourismus soll so entgegengetreten werden.

Natur ist wichtig für den Tourismus

Denn in Tunesien wird man sich bewusst, wie wichtig auch das Einbeziehen der Umgebung für die Zukunft der Region ist. Das gilt für natürliche Ressourcen ebenso wie für historische Stätten. Die zahlreichen Ruinen aus Römerzeiten in Sidi Reis unweit des Hotels sind touristisch kaum erschlossen. Bei einem Spaziergang über steinige Wiesen sind überall Überbleibsel historischer Stätten zu entdecken. Mal taucht ein altes Aquädukt auf, wenige Meter später steht ein Torbogen als Eingang zum alten Hafen. Und zu den Füßen entdeckt man immer wieder Stücke alter Mosaike und Karaffen. Die ältesten Ausgrabungen stammen aus dem 4. Jahrhundert vor Christus.

Korbous ist nur einer von vielen Orten in der Region, an dem die Vergangenheit noch so eindrucksvoll präsent ist. Auch die 255 vor Christus zerstörte Punierstadt Kerkouane ist mit ihrer komplett erhaltenen Stadtstruktur ein einzigartiger Anblick.

Diese Historie mit Spuren der zahlreichen vergangenen Kolonisationen von den Puniern über die Römer bis zu den Franzosen ist die Grundlage für den tunesischen Tourismus der Zukunft. Gepaart mit nachhaltigen Ansätzen soll dort eine Reisekultur fernab der All-inclusive-Anlagen entstehen, für die das Land aktuell zumindest in Deutschland noch eher bekannt ist.


INFORMATIONEN

Das Cap Bon ist eine Halbinsel im Norden Tunesiens. Nur 140 Kilometer von Sizilien entfernt erstreckt sich die Region rechts des Golfs von Tunis in das Mittelmeer. Der Anbau von Zitruspflanzen und Olivenbäumen prägt die felsige Landschaft.

ANREISEN

Weniger als zweieinhalb Stunden dauert der Flug von München nach Tunis. Von dort kann mit dem Bus zum Cap Bon gereist werden.

ÜBERNACHTEN
•Hotel Regency in Gammarth: In der Nähe von Tunis an der Küste gelegen, bietet das Hotel einen Ausgangspunkt für Ausflüge.

Hotel Africa Jade Korba: Im afrikanischen Stil gehalten mit großer Außenanlage liegt das Hotel im Osten des Cap Bon nahe von Nabeul.

•Hotel Royal Tulip Korbous: Ein luxuriöses Hotel mit Spa auf drei Etagen.

www.discovertunisia.com/de

bonheurvoyageagency.com


Redakteur Julian Alexander Fischer bereiste auf Einladung des tunesischen Fremdenverkehrsamtes das Cap Bon.