Wie Rinder sind auch Hirsche Wiederkäuer und grasen gern auf der Wiese. Bayerische Bauern halten schon Zehntausende Stück Rotwild als Fleischlieferanten. Den wachsenden Markt teilen sie sich mit den Jägern und mit Farmern am anderen Ende der Welt.
Auf den Speisekarten vieler Gasthöfe hat jetzt Wildbret Saison, und in den Wäldern läuft die Jagd auf Wildschweine, Rehe und jetzt auch auf das Rotwild. Große Mengen Hirschfleisch kommen zudem aus dem Ausland - vor allem aus Neuseeland, dem größten Hirschfleischexporteur weltweit. Die Farmer dort halten das Wild in großen Gehegen und beliefern nach Angaben des Deer-Industry-Verbandes auch Edeka und Rewe.
In Bayern gibt es heute rund 2400 Landwirte, die Rot- und Damwild als Fleischlieferanten auf umzäunten Weiden halten - mehr als in jedem anderen Bundesland. Martin Biegerl ist einer von ihnen. In Schönsee im Bayerischen Wald hat er einen «Erlebnisbauernhof», auf dem er Pferde sowie als Nutztiere ein halbes Dutzend Rinder, Strauße, Schweine, Schafe und Gänse hält - und ein Rudel Rotwild. Neben dem Platzhirsch und seinem Beihirsch stehen knapp 60 Hirschkühe mit Nachwuchs in einem 4,5 Hektar großen Gehege, wo sie das ganze Jahr im Freien leben.
Lohnt sich das wirtschaftlich? «Den Stundenlohn darf man sich nicht anschauen», sagt Biegerl. Vom Gatterwild allein könne ein Vollerwerbsbauer nicht leben. Anders als in Neuseeland sind die meisten Gehege in Bayern nur zwischen zwei und drei Hektar groß. Oft nutzten Bauern dafür schwer zu bewirtschaftende Flächen, etwa mit steilen Hanglagen. «Oder wenn man keine Massentierhaltung mehr machen will. So wie wir.»
Viele Wildhalter vermarkten ihr Fleisch direkt
In der Regel vermarkteten Wildhalter ihr Fleisch direkt, sagt Biegerl, der stellvertretender Vorsitzender ihres Landesverbands ist. Die Gastronomie kaufe eher bei Jägern oder im Handel, das sei billiger. Vor allem für Wildhalter in der Nähe der großen Städte sei die Direktvermarktung aber einfach, und sie erzielten auch bessere Preise als in der Provinz. Auch Biegerl selbst verkauft fast alles direkt ab Hof oder online. Landwirte, denen die Zeit oder die Kundschaft für den Direktverkauf fehlt, können ihr Fleisch an eine Erzeugergemeinschaft verkaufen, die der Verband in der Oberpfalz gegründet hat.
«Hauptvermarktungszeiten für die rund 500 Tonnen Wildfleisch aus bayerischen Gehegen sind die Monate September bis Dezember», heißt es beim bayerischen Landwirtschaftsministerium. Wild ist teurer als Rind, steht aber zwischen Herbst und Weihnachten als aromatisches, fettarmes Fleisch aus der Region hoch im Kurs. «Seit Corona ist die Nachfrage enorm gewachsen», sagt Biegerl. «Vor ein paar Jahren lag der Verbrauch pro Kopf bundesweit noch bei gut 600 Gramm, heute sind es etwa 900 Gramm.» Allerdings gehe die Nachfrage inzwischen wieder etwas zurück.
«Im Durchschnitt verzehrte jeder Einwohner in Deutschland 9,4 kg Rindfleisch, 31,0 kg Schweinefleisch sowie 13,1 kg Geflügelfleisch», teilte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für das Jahr 2021 mit. Im Vergleich zu den 52 Millionen Schweinen und 3 Millionen Rinder, die vergangenes Jahr in Deutschland geschlachtet wurden, fällt das Wild also kaum ins Gewicht. Laut Deutschem Jagdverband wurden in den heimischen Wäldern 1,3 Millionen Rehe, 688.000 Wildschweine und 143.000 Stück Rot- und Damwild geschossen. Bundesweit ergab das 19.400 Tonnen Wildbret im Wert von 202 Millionen Euro.
Importe kommen aus Osteuropa, Neuseeland und Spanien
Aber der Markt will mehr. Fast die gleiche Menge wird importiert, vor allem aus Osteuropa, Neuseeland und Spanien. «Der Selbstversorgungsgrad bei Wildfleisch liegt in der Bundesrepublik Deutschland bei 60 Prozent», teilte das bayerische Staatsgut Pfrentschweiher mit.
Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war die Jagd auf Hirsch und Wildschwein ein Privileg des Hochadels und des hohen Klerus. Damhirsche wurden auch in Burggräben oder in Gehegen gehalten. In den 1970er-Jahren begannen bayerische Bauern, Dam- und auch Rotwild in Gehegen zu halten. In Pfrentschweiher in der Oberpfalz richtete der Freistaat ein großes Lehr- und Versuchsgehege ein. Auf 5600 Hektar Fläche werden in Bayern nun rund 36.000 Zuchttiere Dam- und Rotwild gehalten. Aus Sicht einer umweltschonenden Grünlandbewirtschaftung sei mehr erwünscht, teilte das Staatsgut mit.
Die bayerischen Wildgehege hätten mit «den Mast-Hirschgattern in Neuseeland nichts zu tun», sagte Hannah Reutter vom Bayerischen Jagdverband. Leider wüssten die wenigsten Verbraucher, «wie die Tiere dort in Übersee gehalten und getötet werden».
In Bayern wird das Gatterwild das ganze Jahr über im Freien gehalten, ernährt sich von Gras, Klee und Kräutern und bekommt im Winter Heu. «Gesetzlich ist geregelt: Wild darf nur mit Kugelschuss auf der Weide getötet werden», sagt Biegerl. Wenn ein Tier mit 12 oder 18 Monaten geschossen werde, habe es im Rudel gut gelebt.
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