Kleine Streitigkeiten im Familienleben sind ganz normal. Doch was kann ich tun, wenn ich als Mutter oder Vater merke, dass ich komplett überfordert bin? Das Wichtigste: Gewalt ist nie eine Lösung.
Das Spielzeug ist weg, das Kind will einfach nicht ins Bett oder die Pubertät ist im Gange: Kleine Streitigkeiten mit dem Kind können viele Gründe haben. Dass da bei manchen Eltern ein Gefühl von Überforderung aufkommt, ist nichts Außergewöhnliches.
Leider gibt es immer noch Fälle, wo solche familiären Streitigkeiten mit Gewalt enden. Genau so darf es aber keinesfalls laufen, denn Gewalt ist nie eine Lösung, so Diplom-Psychologe Ralph Schliewenz, Vizepräsident des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen.
Wie merke ich, dass ich überfordert bin?
Überforderung zeigt sich in einem Impuls, mit Aggressivität zu reagieren. «Das ist so ein Gefühl, dass ich einfach nicht weiter weiß und mich vielleicht auch hilflos fühle», so Schliewenz. Die Aggression ist dabei der Versuch, das negative Gefühl der Hilfslosigkeit zu bekämpfen.
Dieser Impuls kann sich auch nach innen richten und dann ein Gefühl von Verzweiflung auslösen. Wichtig ist, dass auch dieser Impuls nie in Gewalt enden darf.
Der erste Schritt ist also zu erkennen, dass der Impuls da ist und auch zunächst nicht verkehrt ist. Es ist laut Schliewenz lediglich ein Hinweis darauf, dass diese negativen Gefühle reguliert werden müssen und dass man als Elternteil die Verantwortung hat, sich darum zu kümmern.
Doch wie genau kann ich das Gefühl regulieren?
Wenn Eltern merken, dass sie in einer Situation mit ihrem Kind innerlich aggressiv werden, sollten sie erst einmal in sich gehen und sich fragen, was denn das eigentliche Problem ist. Passiert dies in einer Streitsituation mit dem Kind und die Diskussion führt ins Nichts, sollte man das auch kommunizieren und die Diskussion vorerst beenden, rät Ralph Schliewenz.
Denn in dieser Situation der Überforderung ist man unter Umständen gar nicht in der Lage, sinnvoll zu kommunizieren und eine Lösung zu finden. Wenn man dann eine Lösung für sich gefunden hat und sich beide Parteien beruhigt haben, kann man wieder auf das Kind zugehen.
Wenn man jedoch das Gefühl hat, das alleine nicht zu packen, sollte man andere Erwachsene zurate ziehen. Das kann der Partner oder die Partnerin sein. Man kann sich auch mit Freunden austauschen, die eventuell auch Kinder haben und ähnliche Erfahrungswerte gesammelt haben. Oft hilft es, einfach voneinander zu lernen, so Schliewenz.
Ist man auch danach immer noch ratlos, könne man Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Familien aufsuchen oder unter Umständen eine Hilfe zur Erziehung beantragen. Wenn sich herausstellt, dass das Problem weder erzieherischer noch pädagogischer Natur ist, sollte man sich therapeutische Unterstützung suchen.
Im Endeffekt ist es laut Schliewenz auch ein Lernprozess: «Mit jeder gescheiterten Situation oder mit jeder Lösung eines Problems bin ich eine Erfahrung reicher. Ich werde immer weniger das Gefühl von Überforderung spüren.»
Gewaltfreie Erziehung: Eltern sind verantwortlich
Für Ralph Schliewenz gibt es bei dem Thema der gewaltfreien Erziehung keine zwei Meinungen: Gewalt ist nie eine Lösung und Gewalt in der Erziehung fördert wieder Gewalt. Wenn Eltern einen aggressiven Impuls verspüren, sind allein sie dafür verantwortlich, nicht gewalttätig zu werden.
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