Selbstparkende Autos
Autonomes Fahren: Kraftfahrt-Bundesamt legt Anforderungskatalog vor

06.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:44 Uhr

Selbstständig durch das Parkhaus: Auf Grundlage eines neuen Anforderungskatalogs des Kraftfahrt-Bundesamts vielleicht bald Alltag. Foto: Mercedes-Benz

Von Christian Tamm

Ein allererster Schritt Richtung autonomes Fahren ist getan: Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat einen ersten Anforderungskatalog vorgelegt.



Glaubt man den Auto-Managern - darunter auch Audi-Chef Markus Duesmann -, ist die E-Mobilität ein alter Hut. Das neue „große Ding“ sind automatisiertes und vor allem autonomes Fahren. Noch fehlt ein Stück des Weges zum Einsatz der Technologien im allgemeinen Straßenverkehr. Eine gesetzliche Grundlage existiert, es fehlte aber ein Regelwerke, das dieses Gesetz mittels einer Betriebserlaubnis für autonome Autos durch das KBA anwendbar macht.

Das ändert sich nun. Denn das KBA hat jüngst einen ersten Anforderungskatalog vorgelegt. Er definiert die Voraussetzungen, unter welchen Systeme zum fahrerlosen Parken im Parkhaus, das „Automated Valet Parking“ (AVP), freigeschaltet werden dürfen. Ein allererster Schritt Richtung autonomes Fahren. Der Katalog stellt eine Zeitenwende für den Automobilverkehr in Deutschland dar.

Was ist AVD und welche Systeme gibt es bereits?

Das AVD-System geht auf eine Entwicklung von Daimler und Bosch zurück. Es bekam 2019 durch die Behörden eine Art Sondergenehmigung, um im Parkhaus des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart erstmals betrieben werden zu können. Laut dem Hersteller war es die „weltweit erste behördlich für den Alltagsbetrieb zugelassene voll automatisierte und fahrerlose Parkfunktion.“

Man kann sein Auto nach der Schranke in einem gesonderten Bereich abgeben und per App den Parkvorgang starten. Der Wagen – das System ist etwa in der aktuellen S-Klasse bestellbar – geht dann selbstständig auf Lückensuche, während der Besitzer seiner Wege geht. Diese Funktion entspricht automatisiertem Fahren der Stufe 4 von 5. Allgemein genutzt werden durfte sie jedoch nicht; es mangelte am Rahmen.

Diesen fehlenden Rahmen bildet nun der technische Anforderungskatalog des KBA. Werden alle Vorgaben eingehalten, kann AVD als erstes autonomes System hierzulande genutzt werden - und zwar in künftigen Fahrzeugen und nachträglich in solchen, wo es bereits verbaut ist. „Mit dem Anforderungskatalog für autonome Fahrfunktionen schaffen wir auf nationaler Ebene die Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb von Kraftfahrzeugen ohne Fahrer. Das KBA setzt damit international Maßstäbe auf diesem Gebiet und erweist sich als Innovationstreiber der neuen Mobilität“, so Richard Damm, der Präsident des KBA in Flensburg.

Was steht im Katalog des Kraftfahrt-Bundesamts?

Der Katalog des KBA ist umfänglich – daher ist nur ein kurzer Auszug möglich. So darf das Auto während der AVP-Fahrt nur zehn km/h schnell fahren - mit einer Toleranz von zwei km/h. Sicherheit ist generell ein Thema für das KBA. Im sogenannten AVP-Anwendungsbereich muss „an gut sichtbaren und gut erreichbaren Stellen in ausreichender Anzahl eine Möglichkeit vorhanden sein, mit der bei dessen Betätigung alle im geografischen AVP-Anwendungsbereich befindlichen und zum AVP-Gesamtsystem gehörigen AVP-Fahrzeuge durch AVP-Deaktivierung unmittelbar in den risikominimalen Zustand überführt werden“. Soll heißen: Es braucht einen Notausschalter. Auch soll eine AVP-Fahrt nur dann aktiviert werden können, wenn kein Menschen mehr im Auto sitzt. Und das Fahrzeug muss am Ende natürlich selbstständig in einen sicheren Zustand gehen − beispielsweise die Parkbremse einlegen.

Recht komplex, technisch wie ethisch, wird es im Folgenden: Das Gesamtsystem solle so konzipiert sein, dass das Auto alle im AVP-Bereich „relevanten Objekte und Personen erkennt und auf diese sicher reagiert, sodass die grundsätzliche Kollisionsfreiheit mit diesen Objekten und Personen gewährleistet ist“. Sollte ein Unfall doch unausweichlich sein, müsse der Schutz menschlichen Lebens höchste Priorität besitzen - ohne die Gewichtung persönlicher Merkmale.

Welche gesetzliche Grundlage gibt es?

Seit Mitte 2021 gibt es gesetzliche Regelungen für autonomes Fahren hierzulande. Demnach dürfen autonome Fahrzeuge am Straßenverkehr teilnehmen, aber nur in dafür festgelegten und von den Behörden genehmigten Betriebsbereichen. Laut Bundesverkehrsministeriums sollen so Shuttle-Verkehre, Fahrten zwischen zwei Verteilzentren oder sogenannte Dual Mode Fahrzeuge - wie beim AVP - rechtlich möglich werden. Allerdings ist eine technische Aufsicht durch eine natürliche Person vorgesehen. „Damit wird Deutschland der erste Staat weltweit, der Fahrzeuge ohne Fahrer aus der Forschung in den Alltag holt“, so das Ministerium. Ziel sei es gewesen, bis 2022 Fahrzeuge mit autonomen Funktionen in den Regelbetrieb zu bringen.

Audi: „Sind mit Ergebnis zufrieden“

Audi hat die Veröffentlichung des ersten technischen Anforderungskatalogs für autonom fahrende Autos auf Anfrage unserer Zeitung begrüßt. Dadurch würden weitere Genehmigungsvoraussetzungen für die vollautomatisierte Fahrfunktion „Automated Valet Parking“ (AVP) geschaffen. „Wir sehen in automatisierten Fahrfunktionen ein großes Potenzial“, so ein Sprecher. Ziel sei es, mit bedarfs- und situationsgerechter Unterstützung den „größtmöglichen Nutzen zu bieten“.

Der Ingolstädter Autohersteller geht „aus heutiger Sicht“ davon aus, dass solche automatisierten Parkfunktionen in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts als Serienentwicklung verfügbar seien. Die vier Ringe waren nicht ganz unbeteiligt an dem Katalog des KBA: Gemeinsam mit der VW-Software-Schmiede Cariad war man, neben weiteren Herstellern und Zulieferern, „beratend an der Ausarbeitung beteiligt“. Mit dem Ergebnis sei Audi zufrieden, erklärt der Sprecher.

Wie Audi unserer Zeitung weiter sagte, arbeite man aktuell mit der Cariad an der Entwicklung der Parkfunktionen AVP. „Zum Testen nutzen wir dabei sowohl Einrichtungen von Audi, wie das Parkhaus am GVZ, als auch Bereiche bei Cariad.“

Bereits 2013 zeigte Audi der Öffentlichkeit, wie autonomes Parken aussehen könnte - damals bei einem Pilotprojekt im Parkhaus am Ingolstädter Nordbahnhof.

DK