Deutliche Auswirkungen
Kampf um Auszubildende: Wie Corona die Ausbildung beeinflusst

03.03.2022 | Stand 23.09.2023, 2:31 Uhr

In vielen Branchen hatte Corona Auswirkungen auf die Ausbildung. Foto: Weigel, dpa

Wie bildet man Menschen aus in einer Zeit, da Kontakt nicht möglich, teils untersagt ist? In der Händler und Dienstleister ihre Läden geschlossen halten mussten? Inzwischen hat die Corona-Pandemie – trotz immenser Fallzahlen – ihren Würgegriff etwas gelöst. Das gilt auch für die Ausbildung. Doch hinter Azubis und Ausbildern liegen schwierige Zeiten.

Oft wurde über das Friseurhandwerk gesprochen als Sinnbild der Krise. Kein Klischee, denn gerade die Salons haben die Lockdowns mit wochenlanger Schließung und harten Zugangsbeschränkungen wie 2G zu spüren bekommen. Harald Meier ist Friseurmeister aus Reichertshofen im Landkreis Pfaffenhofen – und Obermeister der Ingolstädter Innung. Er sagt, Corona habe die Ausbildung verändert – aber vor allem kurzfristig. „Die Salons waren in den ersten Wellen geschlossen. Da war natürlich schwer eine Ausbildung möglich. Aber sechs Wochen Pause in einer Ausbildung, die umfangreich ist und drei Jahre dauert, sind zu verschmerzen.“

Folgen der Pandemie für Handwerk und Industrie

Aus Sicht vieler körpernaher Dienstleister hat man die deutlichsten Auswirkungen bei den Prüfungen gesehen – so auch im Friseurhandwerk: „Was es aufgrund von Corona und den Lockdowns in der Tat gab, war, dass vereinzelt vor der Prüfung Möglichkeiten gefehlt haben, umfassend zu üben. Außerdem wurde mancher körpernaher Inhalt, etwa Make-up, sicherheitshalber aus der Prüfung herausgenommen“, sagt Meier. Das Gerücht, viele Azubis hätten in den Lockdowns in Kurzarbeit gemusst, stimme übriges nicht. „Die Möglichkeit gab es gesetzlich nicht“, so Meier.

Doch nicht nur kleinere Betrieb standen vor Herausforderungen. Auch Unternehmen wie Audi stellten vieles um − teils bis heute. Der Autobauer beschäftigt derzeit rund 2400 Auszubildende sowie dual Studierende in Ingolstadt und Neckarsulm. Die Ausbildung werde seit Beginn der Pandemie kontinuierlich an die entsprechenden Vorgaben angepasst. Ein „Meilenstein“ sei die Betriebsvereinbarung „Mobiles Lernen in der Ausbildung“, so eine Sprecherin. Diese sei während der Pandemie entstanden und ist seit 1. September 2021 aktiv. Alle Auszubildenden und Studierende des neuen Jahrgangs erhielten Laptops oder Tablets. Es gibt laut Audi geführte digitale Lehreinheiten und Aufgaben über Lernplattformen. „Je nach Berufsrichtung können die angehenden Audianerinnen und Audianer auf diese Weise bis zu 20 Prozent der betrieblichen Ausbildungszeit mobil durchlaufen“, so die vier Ringe.

Überraschende Aussagenvonseiten der Gastronomie

Kaum zu glauben: Der bayerische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bayern) zieht zumindest in puncto Ausbildung ein positives Fazit. Während der Krise und speziell den Lockdowns seien viele Betriebe kreativ gewesen. „Obwohl keine oder wenige Gäste da waren und die Stammbelegschaft in Kurzarbeit war, hat man versucht, eine gute Ausbildung zu machen“, meint Landesgeschäftsführer Thomas Geppert im Gespräch. Der Dehoga habe außerdem Lehrvideos für Küche, Restaurant und House Keeping gedreht. „Und die Betriebe haben etwa durch Trockenübungen – die Kollegen waren die Gäste – mit den Azubis für die Prüfungen gelernt. Auch wir als Verband haben Vorbereitungen angeboten.“

Das Ergebnis: Im Grunde habe man keinen Azubi verloren und die Prüfungsergebnisse waren laut Geppert teils sogar besser als in früheren Jahren. „Die Ausbildung an sich hat unserer Meinung nach in der Pandemie also nicht gelitten – einen neuen Lockdown wünschen wir uns aber natürlich dennoch nicht.“

Die besondere Lage eines Bildungszentrums

Mit Auszubildenden aus allen denkbaren Gewerken hat seit vielen Jahren Dieter Krause zu tun. Er leitet das Bildungszentrum der Handwerkskammer München und Oberbayern in Ingolstadt. „Wir hatten im ersten Lockdown geschlossen, solange es angeordnet war. Uns hatte niemand so richtig auf dem Schirm, da wir keine klassische Schule sind. Mit den Lockerungen für Schulen, insbesondere für Berufsschulen, haben wir den Betrieb wieder aufgenommen.“ Man sei froh gewesen, als es weiterging. „Denn wir und auch die Betriebe habe gespürt, dass ohne Unterricht auf lange Sicht durchaus Defizite bei den Auszubildenden entstehen könnten.“ Was ihn sehr freue sei, dass bis auf sehr wenige Ausnahmen alle Kurse nachgeholt werden konnten. „Das war vor allem möglich, da unsere Fördergeber von Land und Bund die Möglichkeit geschaffen haben, Kurse länger nachzuholen, als dies sonst erlaubt ist“, erklärt Krause.

Bis heute laufe der Betrieb im Zentrum nicht wie vor der Pandemie. „In der Erwachsenenfortbildung sind wir nach wie vor im Online-Unterricht. Die überbetriebliche Ausbildung aber findet in Präsenz statt. Es klappt gut, und wir wollen die aktuelle Corona-Welle abwarten.“ Die Hallen seien groß; die geforderten Abstände würden oft übertroffen. Zudem werde konsequent getestet.

Die schwierige Suche nachinteressiertem Nachwuchs

Friseurobermeister Meier sieht Corona vor allem mit Blick auf Praktika als Problem. „Viele Praktika sind wegen der Pandemie ausgefallen – zum einen aus Sicherheitsgründen, zum anderen, weil es wirtschaftlich für viele Betriebe nicht möglich war. Dadurch haben sich weniger junge Leute ein Bild von unserem Beruf machen können.“ Und das werde der Suche nach Auszubildenden nicht zuträglich sein, glaubt Meier.

Auch die Gastronomie ringt um Nachwuchs. Gut 3600 Azubis haben 2021 im bayerischen Hotel- und Gaststättengewerbe eine Ausbildung begonnen. „Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ist hoch“, so Dehoga-Chef Geppert. Ab April wolle man in einer neuen Social-Media-Kampagne für die Branche werben.

DK