Skandal bei Audi
Münchner Dieselbetrugsprozess: Ein Spiel auf Zeit

10.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:29 Uhr

Bisher gab es im Münchner Dieselbetrugsprozess 113 Verhandlungstage – wer oder welche Unternehmensbereiche aber für die Implementierung der verbotenen Abgastechnik verantwortlich waren, vermochte auch der Zeuge vom Dienstag nicht zu sagen. Foto: Weigel, dpa-Archiv

Von Horst Richter

Die möglichen Dimensionen illegaler Abgastechnik in Diesel-Autos waren bei Audi schon bald nach Bekanntwerden des Skandals in den USA im September 2015 zu erahnen. Trotzdem dauerte es mehr als zwei Jahre, bis der Verkauf solcher Fahrzeuge endlich gestoppt wurde. Eine sofortige intensive Untersuchung aller Dieselaggregate auf dem europäischen Markt und umgehende Aussonderung betroffener Motoren scheint nicht stattgefunden zu haben.

Diese Erkenntnisse manifestieren sich im Münchner Dieselbetrugsprozess mit jedem weiteren der bisher 113 Verhandlungstage. Die Aussagen des Projektleiters der internen Diesel-Task-Force passten in dieses Bild; am Dienstag sagte der 53-Jährige als Zeuge vor der 5. Großen Strafkammer am Landgericht München II aus.



Interne Hinweise, dass mit der Abgastechnik etwas nicht gesetzmäßig sein könnte, hatte es schon in den Jahren vor 2015 gegeben. Manche waren durchaus deutlich. Doch keiner wollte die Notbremse ziehen, und so wurde die fragwürdige Software immer weiter „verfeinert“. Sie hatte dafür gesorgt, dass Dieselautos auf der Testrolle alle Abgasgrenzwerte einhielten, während das auf der Straße nicht immer so war. Wie ein Geschwür breitete sich diese Abschalttechnik bei Audi aus, hatte einer der vier Angeklagten eingeräumt - darunter befindet sich der frühere Audi-Chef Rupert Stadler.

Der am Dienstag gehörte Zeuge hatte ab Juli 2017 die interne Diesel-Task-Force für EU-Fahrzeuge geleitet. Wie andere vor ihm berichtete er davon, wie die einzelnen Aggregate nach und nach überprüft und bei Bedarf „compliant-mäßige“, also regelkonforme Datensätze aufgespielt bekamen, als hätte man alle Zeit der Welt - das Ganze jeweils in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt. Das Gericht stellte wie schon vor einer Woche die Frage, weshalb der Umweg über die Behörde erfolgte, anstatt die Sache beschleunigt intern durchzuziehen.

Audi nahm sich offenbar Zeit mit der Aufarbeitung

Dabei wäre es wohl gar nicht so schwer gewesen, die - salopp ausgedrückt - „Stinker“ unter den Motoren ausfindig zu machen. Denn zum Teil arbeiteten dieselben Leute, die an der verbotenen Software getüftelt hatten, bei der Task Force mit, wie der Zeuge der Strafkammer bestätigte. Einer der angeklagten früheren Entwickler hatte zudem in dem Mammutprozess erklärt, dass jede Werkstatt die Betrugstechnik hätte aufdecken können, ohne große Mühen. Doch Audi nahm sich offenbar Zeit mit der Aufarbeitung - und die Zeit brachte Geld, also Gewinn und Bonuszahlungen für jeden Einzelnen, wie die Staatsanwaltschaft den vier Angeklagten vorwirft.

Wer oder welche Unternehmensbereiche aber für die Implementierung der verbotenen Abgastechnik verantwortlich waren, vermochte der Zeuge vom Dienstag nicht zu sagen. Als er zur Task Force gekommen sei, habe man ihm erklärt, dass „wir nicht zuständig für die Aufklärung sind“, hatte der 53-Jährige bereits bei einer Anhörung vor vier Jahren erklärt. Die Task Force hatte demnach allein die Aufgabe, technische Lösungen zu finden. „Ich weiß, wer damals die Chefs waren. Aber wer was gemacht hat und mit wem, weiß ich nicht.“ Der Prozess geht diesen Mittwoch in die nächste Runde.

DK