Ingolstadt
Deutschland hat bei der E-Mobilität vieles verschlafen

Präsident des Bundesverbandes E-Mobilität: „Man hat sich hier jahrelang gegen die Entwicklung gestemmt“

24.02.2023 | Stand 17.09.2023, 2:15 Uhr

Kurt Sigl. Foto: DK-Archiv

Herr Sigl, warum schreitet Norwegen bei der E-Mobilität schneller voran als Deutschland?

Kurt Sigl: Das ist relativ einfach zu erklären: Norwegen hat nicht lange diskutiert, sondern angefangen zu handeln. Eigentlich musste schon vor rund 15 Jahren klar gewesen sein, dass kein Weg an Elektroautos vorbeiführt. Zu dieser Zeit haben Staaten wie Norwegen, Dänemark, Holland schon umfangreiche Programme zur Förderung von E-Mobilität aufs Gleis gebracht.

In Deutschland war das offensichtlich anders?

Sigl: In Deutschland hat man sich jahrelang mit Händen und Füßen gegen die Entwicklung gestemmt. Norwegen beispielsweise hat keine Autoindustrie. In Deutschland haben Autoindustrie und Politik eine Allianz gebildet, die sich lange vehement gegen die E-Mobilität eingesetzt hat. Erst nach dem Dieselskandal hat sich das geändert. Natürlich sind moderne Dieselautos im Vergleich zu früheren relativ sauber. Aber: 27 Prozent der Emissionen werden immer noch durch den Straßenverkehr verursacht. An der E-Mobilität führt kein Weg vorbei.

Inzwischen gibt es ja gesetzliche Vorgaben, die das Ende des Verbrenners spätestens 2035 besiegeln.

Sigl: Ja, aber jetzt wird wieder dieser Weg über Verbote beschritten. Diese Meinungs-Diktatur, die gerade immer wieder durchschlägt, führt doch zu nichts, gerade bei der E-Mobilität. Alles Neue macht den Menschen erst mal Angst. Daher muss man die Leute mitnehmen, ihnen zeigen, dass die E-Mobilität kein Risiko, sondern eine große Chance darstellt. Ich habe noch niemanden gesehen, der nach einer Testfahrt weinend aus einem E-Auto ausgestiegen ist. Im Gegenteil: E-Autos fahren sich einfach besser.

Aber vielleicht hat mal jemand geweint, weil ihm eine Ladesäule gefehlt hat...

Sigl: Wir haben in Deutschland kein Ladesäulen-Problem! Abgesehen von vielleicht ganz wenigen unterversorgten Ecken haben wir in Deutschland mehr als genug Ladekapazitäten für die E-Autos, die gerade unterwegs sind. Wir sollten eher dafür sorgen, dass hierzulande noch mehr E-Autos auf die Straße kommen.

Sind da auch die Autohersteller gefordert? Braucht es da noch mehr Engagement auch der Autobauer?

Sigl: Die deutschen Hersteller haben es verschlafen, wie Tesla zu den Autos auch gleich noch die Ladeinfrastruktur zu liefern. Sie haben bei der E-Mobilität zu lange gewartet, und jetzt sind ihre Autos viel zu teuer. Ich prophezeie für dieses Jahr noch einen Preiskampf auf dem Markt für E-Autos, und da werden die deutschen Hersteller gegenüber den US-amerikanischen und chinesischen das Nachsehen haben. Meine Hoffnungen ruhen darauf, dass wir uns in Deutschland beim autonomen Fahren wieder einen technischen Vorsprung sichern können; aber meine Befürchtungen sind, dass wir dabei an der deutschen Bürokratie scheitern werden.

Das Interview führteMarkus Schwarz.

ZUR PERSON

Der Ingolstädter Kurt Sigl ist Präsident des „Bundesverbandes E-Mobilität“ (BEM). Darin haben sich verschiedene Unternehmen, Institutionen und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen mit dem Ziel, den Verkehr so schnell und weit wie möglich auf Elektromobilität umzustellen. Mit Kurt Sigl haben wir über die Unterschiede zwischen Norwegen und Deutschland bei der Entwicklung der E-Mobilität gesprochen.

DK