Zinsen und Kosten steigen
Darum könnte der Traum vom Eigenheim für manche in weite Ferne rücken

06.05.2022 | Stand 23.09.2023, 1:36 Uhr

Nicht nur die Immobilienzinsen steigen rasant, sondern auch die Baupreise. Zudem sind manche Baustoffe immer schwerer zu bekommen - beispielsweise Dachziegel. Foto: dpa

Von Christoph Eberle

Zinsen für Immobilien-Kredite sind rasant angestiegen, ebenso die Preise für Neubauten und Bestandsgebäude. Neue Bürokratie-Regeln könnten Kredite bald noch weiter verteuern - laut Experten rückt das den Traum vom Eigenheim für manche in weite Ferne.

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Die Zinsen für Bauherren oder Käufer von Immobilien haben sich in den vergangenen Monaten mehr als verdoppelt. Gab es im vergangenen Jahr noch Zinssätze mit einer Null vor dem Komma, so ist es nun deutlich mehr. „Gemäß der aktuellen Zahlen der Bundesbank belief sich der durchschnittliche Zins bei zehn Jahren Laufzeit im Februar bereits auf 1,48 Prozent. Seitdem beobachten auch wir nochmal einen deutlichen Anstieg“, so ein Sprecher des Genossenschaftsverbands Bayern. Inzwischen verlangen viele Geldinstitute selbst bei nur zehnjähriger Zinsgarantie bereits 2,0 Prozent oder deutlich darüber (Stand: 4. Mai).



Was bedeutet ein doppelt so hoher Zinssatz für die Finanzierung?

„Bei einer Kreditsumme von 300.000 Euro und einem festen Zinssatz von 1,0 Prozent benötigt man mit einer monatlichen Rate von 1500 Euro gut 18 Jahre, um den Kredit vollständig zurückzuzahlen“, erklärt Gerhard Grebler, Vorstandsmitglied der LBS Bayerische Landesbausparkasse. In dieser Zeit werden etwas über 28.000 Euro an Zinsen fällig.

Steigt der Zinssatz um einen Prozentpunkt auf 2 Prozent, koste dieselbe Finanzierung bei gleicher Monatsrate rund 65.000 Euro – also mehr als doppelt so viel. Außerdem dauere es etwa zwei Jahre länger,
schuldenfrei zu werden.

Dieser Effekt treffe Baufinanzierer vor allem dann, wenn die Zinsbindung ihres Darlehens ausläuft und sie eine Anschlussfinanzierung benötigen, die deutlich teurer ist als erwartet.

Als kürzlich die niederbayerischen Genossenschaftsbanken in Pfarrkirchen Bilanz zogen, waren die steigenden Zinsen ebenfalls Thema. Manfred Asenbauer, stellvertretender Bezirkspräsident und Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Passau, betonte dabei aber auch, dass die gestiegenen Zinsen bei einer Anschlussfinanzierung nach zehn Jahren – das war damals der übliche Zeitraum einer Baufinanzierung – wieder auf dieses Niveau gestiegen sei, „es verändert sich also wenig“, relativierte er. Freilich: Wer jetzt neu baut, sei freilich nicht nur durch gestiegene Zinsen, sondern vor allem die explodierenden Materialkosten belastet.

Immobilienpreise in Deutschland sind die zweithöchsten in Europa

Immobilienkäufer in Deutschland müssen im Vergleich der größten europäischen Länder den höchsten Preis für Wohneigentum zahlen: Objekte werden dort im Mittel für 3304 Euro pro Quadratmeter angeboten - das ist der zweithöchste Wert einer aktuellen Untersuchung des Immobilienportals Immowelt und meilleurs agents, einem der führenden französischen Anbieter für Immobilienbewertungen. Nur in Großbritannien war der Quadratmeter Wohnfläche mit 3638 Euro noch teurer. Untersucht wurden die durchschnittlichen Angebotspreise in sieben europäischen Ländern sowie den dazugehörigen Hauptstädten im April 2022.

Um wie viel teurer wurden Immobilien in den letzten Jahren in der Region?

„Der durchschnittliche Kaufpreis für ein gebrauchtes Haus oder eine gebrauchte Eigentumswohnung, die Sparkassen und LBS in Bayern vermittelt habe,n stieg im vergangenen Jahr um 13 Prozent auf 381.000 Euro“, so Paul Fraunholz, Geschäftsführer der Sparkassen-Immobilien-Vermittlungs-Gesellschaft. Vor fünf Jahren lag der durchschnittliche Kaufpreis noch bei 247.000 Euro. Das bedeute eine Preissteigerung seit 2016 um 54 Prozent.

In Niederbayern habe die durchschnittliche Preissteigerung bei 40 Prozent gelegen - allerdings gibt es regionale Unterschiede. In Deggendorf, Straubing und Passau kostet ein übliches gebrauchtes Einfamilienhaus inzwischen im Schnitt rund eine halbe Million Euro. Günstiger ist es etwa in den Landkreise Freyung-Grafenau, Dingolfing-Landau und Rottal-Inn mit rund 350.000 Euro oder Regen mit knapp unter 300.000 Euro.

In Regensburg und Ingolstadt kostet ein übliches gebrauchtes Einfamilienhaus inzwischen mehr als 800.000 Euro, in Landshut rund 900.000 Euro. Über eine Million Euro muss dafür in der Stadt Rosenheim bezahlt werden. Im „Münchner Speckgürtel“ liegen die Preise noch einmal um mindestens 20 Prozent darüber, heißt es bei der LBS.

Basis dieser Berechnung sind mehr als 26.000 in diesem Zeitraum über die Sparkassen-Immo vermittelten Eigenheime, Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen.

Bei Neubauten höchster Preisanstieg seit 51 Jahren

Bauen ist innerhalb eines Jahres deutlich teurer geworden. Vor allem gestiegene Kosten für Materialien wie Holz, Stahl oder Dämmstoffe trieben die Preise in die Höhe. Der Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude verteuerte sich im November 2021 laut Statistischem Bundesamt so stark wie seit 1970 nicht mehr.

Die Baupreise legten nach Angaben der Statistiker gegenüber dem Vorjahresmonat um 14,4 Prozent zu. Ein stärkerer Anstieg wurde nach Angaben der Wiesbadener Behörde zuletzt im August 1970 mit damals 17,0 Prozent gemessen.

Der Ukraine-Krieg führt nun aus Bauherren-Sicht zu neuen, traurigen Rekorden. Vertreter der Baubranche berichten von horrenden Preissteigerungen, auch in der Region.

Laut Rudi Haller, Obermeister der Bauinnung Unterer Bayerischer Wald, gebe es drei Kernprobleme: 1. Problem: Können etliche Produkte nur noch zu Tagespreisen angeboten werden. 2. Problem: Sind viele Produkte wie Dachziegel nicht mehr so verfügbar wie gewohnt. Zehn, zwölf Wochen Lieferzeit für Fenster seien derzeit beispielsweise normal, so Horst Bader, Geschäftsführer beim Passauer Baustoff-Fachgroßhändler Kasberger.

3. Problem: die Personalsituation. „Handwerker sind schwer zu bekommen, und die Ausbildungszahlen versprechen für die Zukunft nichts Gutes“, sagt Haller.

„Eine Teuerung in diesem Ausmaß haben wir in den letzten Jahrzehnten noch nie auch nur annähernd gehabt“, sagt auch Dr. Uli Donaubauer, Geschäftsführer von Wimmer Bau in Passau. In den letzten fünf Jahren seien die Baupreise sicher um 40 bis 50 Prozent gestiegen, schätzt er, die aktuellen Marktpreise zu Grunde legend.

Neue Bürokratie-Regeln machen Kredite künftig noch teurer

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) will Banken dazu bringen, mehr Eigenkapital zur Risikovorsorge abzustellen. Ähnliches kommt durch die Umsetzung des internationalen Bankenstandards Basel III und die damit verbundenen Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute in der EU auf die Banken zu.

„Dadurch erhöhen sich die Eigenkapitalanforderungen an die Kreditinstitute - und das in einer Phase, in der Eigenkapital ohnehin ein knappes Gut ist“, so ein Sprecher des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). In der Folge könnten sich die Banken gezwungen sehen, die Kreditzinsen für Wohnimmobilienfinanzierungen zu erhöhen, um den zusätzlichen Kapitalbedarf zu decken.

„Eine konkrete Vorhersage ist schwierig möglich, allerdings lassen sich eine konservative Beispielrechnungen anstellen. Demnach dürfte sich die Zinszahlung für Wohnbaufinanzierungen durch die Bafin-Anforderungen in einer Spanne von fünf bis zehn Prozent verteuern“, so ein Sprecher des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) auf PNP-Anfrage. Hinzu kommt eine mögliche weitere Teuerung durch „Basel III“.

Bis es soweit ist, dauert es noch ein bisschen. Der von der Bafin angeordnete Systemrisikopuffer wurde einer Sprecherin des Sparkassenverbands Bayern „mit Wirkung zum 1. April 2022 verfügt, er ist aber erst ab dem 1.2.2023 anzuwenden.“ Die Neuerungen durch „Basel III“ gelten laut Genossenschaftsverband Bayern erst ab 1.1.2025. „Aber die Effekte daraus werden deutlich früher zu spüren sein, weil die Banken schon jetzt Eigenkapital aufbauen, um die neuen Auflagen fristgerecht einhalten zu können“, so ein Sprecher.

Auch Leitzins-Erhöhung der EZB wäre negativ für Baufinanzierungen

Angesichts der Rekordinflation von über sieben Prozent mehren sich die Forderungen, dass die EZB den Leitzins erhöhen sollte. „Die aktuelle Rekord-Inflation enteignet die Menschen sukzessiv“, sagt etwa Bayerns Finanzminister Albert Füracker. Und tatsächlich wächst die Wahrscheinlichkeit einer ersten Zinserhöhung im Euroraum in diesem Sommer. Für Sparer wäre das positiv - auf Tages- und Festgeldkonten bekämen sie dann wieder nennenswerte Zinsen für ihr Geld. Doch Baufinanzierungen würden sich noch einmal zusätzlich verteuern.

Was sind die Konsequenzen der Teuerungen bei Immobilien und Krediten?

Betroffen sind sowohl private als auch gewerbliche Kunden wie beispielsweise Wohnungsbaugesellschaften. Steigende Finanzierungskosten könnten laut Genossenschaftsverband Bayern (GVB) dazu führen, dass sich die Wohnungspreise erhöhen oder Projekte nicht mehr umgesetzt werden können“, warnt ein Sprecher und fügt hinzu: „Für viele potenzielle Immobilieninteressenten könnte damit der Traum vom Eigenheim in weite Ferne rücken.“

Die Mehrheit der genossenschaftlichen und kommunalen Wohnungsunternehmen in Bayern will neue Bauprojekte ebenfalls auf Eis legen, vermeldete die Deutsche Presseagentur am 4. Mai.