Vor Gericht abgespielt
Audi-Prozess: Dieses Telefonat brachte Ex-Audi-Chef Stadler hinter Gitter

16.03.2022 | Stand 23.09.2023, 2:20 Uhr

Am 100. Prozesstag ging es um abgehörte Telefonate von Rupert Stadler. −Foto: Stache, dpa

Von Horst Richter

Im Prozess um Ex-Audi-Chef Rupert Stadler ist vor Gericht eine Aufnahme des Telefonats abgespielt worden, das ihn hinter Gitter brachte.



„Soll ich helfen, muss ich was machen? Wenn Gefahr im Verzug ist, bitte kurz durchklingeln, dann machen wir da was!“ Diese Sätze von Rupert Stadler waren es wohl, die den Ex-Audi-Chef wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft brachten. Sie fielen am 8. Juni 2018 in einem Telefonat mit dem damaligen Leiter „Entwicklung und technische Konformität“ bei der Porsche AG. Zugleich sprach er in Zusammenhang mit einem Mitarbeiter, der in der Dieselaffäre mutmaßlich mit Ermittlungsbehörden kooperierte, von dessen Beurlaubung. Was Stadler nicht wusste: Die Staatsanwaltschaft hörte damals mit. Das aufgezeichnete Gespräch und weitere Telefonate wurden am Mittwoch beim Münchner Audi-Prozess abgespielt.

Ermittler bei Durchsuchung „relativ zielgerichtet“

Die Ermittler seien bei einer Durchsuchung in Zuffenhausen „relativ zielgerichtet vorgegangen“, sagte Stadler dem Porsche-Mann am Telefon. Sie müssten folglich über gute Informationen verfügt haben. Er vermutete, dass es einen Kronzeugen gebe, „der da souffliert hat“, ergänzte der einstige Audi-Chef und nannte auch einen Namen. „Es spricht viel für das, was Sie gerade sagen“, antwortete sein Gesprächspartner. Aber „wenn man nicht klare Hinweise hat, tut man sich schwer, ihn zu beurlauben“, fuhr Stadler fort und bat um solche. Er nannte den mutmaßlichen Whistleblower einen „klugen Kopf“, man müsse ihn jedoch nicht noch schlauer machen.

Der Porsche-Manager trat freilich auf die Bremse und riet dazu, in dieser Sache „die Strafrechtler“ unter den eigenen Anwälten zu konsultieren, um nichts verkehrt zu machen. Die weitere Unterredung konzentrierte sich auf geplante „Mager-Versionen“ bei Otto-Motoren im Konzern. Porsche werde da nicht mitmachen, meinte der Entwicklungsleiter, nicht zuletzt weil bei der Abgastechnik in den Unternehmen noch viele von der früheren Garde beschäftigt seien. „Da ist noch viel alter Geist, aber das kriegen wir hin“, erwiderte Stadler. Die Staatsanwaltschaft hatte den früheren Audi-Boss nach diesem Gespräch mit Haftbefehl vom 14. Juni 2018 für vier Monate hinter Gitter gebracht. Stadler bestreitet bis heute, er habe Einfluss auf Zeugen nehmen wollen. Ihm wird vorgeworfen, Dieselautos mit illegaler Abgastechnik für den US-Markt nach Bekanntwerden der Affäre weiter in Europa verkauft zu haben.

Auch Telefon von Ex-Audi-Vorstand Knirsch angezapft

Das Telefon des früheren Audi-Vorstands Stefan Knirsch war ebenfalls angezapft worden. Im Gespräch mit einem „Dietmar“ – möglicherweise ein früherer Vorstandskollege – erklärte er, dass es „überhaupt keinen Ansatz“ gegeben habe, dass auch in Autos für Europa illegale Technik verbaut gewesen war. Für den Fall, dass er in die Schusslinie der Behörden geraten könnte, kündigte er an: „Ich werde nicht davor zurückschrecken, den Rupert Stadler an die Wand zu nageln.“ In einem anderen Telefonat bekannte er dann, offenbar nichts Belastendes zu wissen: „Wenn ich was gegen Stadler und Konsorten in der Hand hätte, würde ich keine Sekunde zögern, das auf den Tisch zu legen.“

Der frühere Audi-Vorstand Bernd Martens äußerte sich in einem weiteren abgehörten Gespräch über die Ermittlungsbehörden. Er sehe das alles „relativ entspannt“, sagte er in einem Telefonat mit einem „Olli“. Die Staatsanwaltschaft mache nur „viel Tamtam, um die Leute einzuschüchtern“. Einige Monate später hatte er die Polizei im Haus und galt ebenfalls als Beschuldigter. Das Gericht ließ am Mittwoch, Tag 100 in dem Betrugsprozess, zudem ein mitgeschnittenes Gespräch des früheren Audi-Motorenchefs und Ex-Porsche-Vorstands Wolfgang Hatz abspielen. Ein Kollege wertete es darin als „gutes Zeichen“, dass die Durchsuchung bei Hatz nichts Belastendes ergeben hatte. Offenbar ein Trugschluss, denn der 63-Jährige sitzt bekanntlich neben Stadler und zwei Ex-Entwicklern wegen Betrugs auf der Anklagebank. Auch er bestreitet die Vorwürfe.

Zeuge: VW versuchte, Audi und Porsche aus Affäre auszuklammern

Ein 58 Jahre alter Zeuge, er war von 2009 bis 2016 in der VW-Rechtsabteilung für die Bereiche Emission und Typenzulassung zuständig, berichtete am Mittwoch, wie VW anfangs versuchte, Audi und Porsche aus der Affäre auszuklammern. Er habe für den Vorstand eine „Ehrenerklärung“ für die Konformität der Aggregate verfasst. Audi sei sehr „sperrig“ gewesen, als es um die Aufklärung ging, und habe sich beschwert, als VW in Ingolstadt und Neckarsulm entwickelte Motoren prüfte – „der ist schmutzig bis zum geht nicht mehr“, hieß es etwa bei einem Typ. Namen von Verantwortlichen auf höchster Ebene nannte der Zeuge nicht.