Das diplomatische Gezerre um einen Besuch von IAEA-Experten beim AKW Saporischschja scheint vorbei. Ein Team macht sich auf den Weg. Die Ereignisse im Überblick.
Nach längerem Tauziehen dürfen Experten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Sicherheit des russisch besetzten Kernkraftwerks Saporischschja in der Ukraine vor Ort überprüfen.
«Ich bin stolz darauf, diese Mission zu leiten, die im Laufe dieser Woche im Kernkraftwerk sein wird», twitterte IAEA-Chef Rafael Grossi mit einem Foto des 14-köpfigen Teams. Der Tag sei gekommen, die Unterstützungs- und Hilfsmission nach Saporischschja sei nun auf dem Weg. «Wir müssen die Sicherheit der größten Nuklearanlage der Ukraine und Europas schützen.»
Das Kraftwerk liegt nahe Saporischschja im Südosten des Landes. Vor dem Krieg wohnten dort mehr als 700.000 Menschen. Direkt am Atomkraftwerk liegt die Stadt Enerhodar, die vor dem russischen Überfall auf das Nachbarland mehr als 50.000 Einwohner hatte.
Dort gab es am Abend neue Angriffe. Videos beider Seiten zeigten, dass in Wohnvierteln zahlreiche Autos brannten. Wenige Stunden zuvor hatten russische Truppen angeblich eine bewaffnete ukrainische Drohne direkt über einem der sechs Reaktoren abgeschossen.
Selenskyj: Auf jeden Angriff folgt eine Antwort
Kein Angriff auf ukrainische Städte werde unbeantwortet bleiben, sagte Präsident Selenskyj nach der Beratung mit dem Militär: «Saporischschja, Orichiw, Charkiw, Donbass - sie werden für alle eine Antwort bekommen.» Nach Angaben des Präsidialamtes ging es bei dem Treffen um die Lage an der Front, den Bedarf der Armee und die Koordination mit internationalen Partnern.
Das Gebiet Riwne im Norden der Ukraine wurde nach Behördenangaben am Sonntagabend mit russischen Raketen angegriffen. Aktivisten aus dem Nachbarland Belarus brachten den Angriff in Zusammenhang mit dem Start mehrerer russischer Kampfflugzeuge von Flugplätzen in Belarus. Der dortige Machthaber Alexander Lukaschenko stellt den russischen Truppen sein Land als Aufmarschgebiet gegen die Ukraine zur Verfügung. Auch im Zentrum der ostukrainischen Großstadt Charkiw schlugen am Sonntagabend zwei Raketen ein, wie Bürgermeister Ihor Terechow mitteilte. Ein Verwaltungsgebäude sei zerstört worden.
Dutzende Orte entlang der mehr als 2000 Kilometer langen Frontlinie seien von russischen Panzern, Rohr- und Raketenartillerie beschossen worden, teilte der ukrainische Generalstab mit. An mehreren Stellen im Donbass seien russische Sturmangriffe abgewehrt worden.
Ringtausch: Tschechien erhält deutsche Leopard-Panzer
Tschechien erhält 14 deutsche Leopard-2-Kampfpanzer und einen Bergepanzer Büffel als Ausgleich für an die Ukraine gelieferte T72-Panzer sowjetischer Bauart. Das gab Bundeskanzler Olaf Scholz in Prag nach einem Treffen mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala bekannt. Es ist der zweite Panzer-Ringtausch zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte nach einer ähnlichen Vereinbarung, die das Bundesverteidigungsministerium vergangene Woche mit der Slowakei abgeschlossen hat.
Die Idee des Ringtauschs entstand kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs. Ziel war es, die Ukraine möglichst schnell mit schweren Waffen zu versorgen. Da die ukrainischen Streitkräfte für sowjetische Systeme keine zusätzliche Ausbildung benötigen, schien es der zügigste Weg zu sein, zunächst solche Waffen zu liefern. Dafür sollten die Länder, die darüber verfügen, zeitversetzt westliche Fabrikate von anderen Nato-Partnern erhalten.
Kreml bereitet den Boden für Referenden über Anschluss
Russland steuert weiter auf einen Anschluss der besetzten Gebiete in der Ukraine mithilfe von Volksabstimmungen zu. Der ranghohe Kreml-Beamte Sergej Kirijenko stellte eine Zahl in den Raum, wonach in den prorussischen Separatistengebieten Donezk und Luhansk 91 bis 92 Prozent der Bevölkerung für einen Beitritt zu Russland seien. In den seit Februar eroberten Gebieten Cherson und Saporischschja seien es 75 bis 77 Prozent. Kirijenko bezog sich dabei Umfragen in der Region, die angeblich diese Ergebnisse zeigten.
«Die Entscheidung steht an», sagte der Vizechef des Präsidialamtes. Präsident Wladimir Putin habe immer gesagt, dass die Entscheidung bei den Menschen in der Region liege und Russland deren Wahl achten werde. In russischen wie ukrainischen Medien wird immer wieder über Volksabstimmungen in den besetzten Gebieten im September spekuliert. Das russische Online-Portal Medusa, das aus Lettland agiert, berichtete unter Berufung auf Quellen im Kreml, dass die Zustimmung für einen Beitritt viel niedriger liege.
Übergelaufener Parlamentsabgeordneter ermordet
Ein zu Russland übergelaufener ukrainischer Abgeordneter ist in der besetzten Südukraine ermordet worden. Der Parlamentarier Olexij Kowaljow (33) sei vorläufigen Erkenntnissen zufolge in seinem Haus erschossen worden, teilten die russischen Strafermittlungsbehörden im Nachrichtenkanal Telegram mit. Auch seine Freundin sei dem Anschlag zum Opfer gefallen. Ukrainischen Angaben nach starb sie infolge einer Messerverletzung im Krankenhaus. Zuvor hatten bereits mehrere ukrainische Vertreter von dem Anschlag und dem Tod des Abgeordneten berichtet.
Zeitung: EU will Einreise von Russen erschweren
Die Europäische Union bereitet nach einem Bericht der «Financial Times» wegen des Kriegs in der Ukraine die Einschränkung von Einreisemöglichkeiten für russische Staatsbürger vor. Der Zeitung zufolge wollen die EU-Außenminister bei einem informellen Treffen am Dienstag und Mittwoch in Prag beraten, ob eine Vereinbarung über die vereinfachte Erteilung von Visa aus dem Jahr 2007 ausgesetzt wird. Vor allem die baltischen Staaten und Polen drängen auf eine Einreisesperre. Deutschland und Österreich lehnen dies ab.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hielt ein Einreiseverbot in die EU für «keinen guten Vorschlag». Im österreichischen Fernsehsender ORF warnte er davor, den Kontakt zur russischen Zivilbevölkerung vollständig zu kappen.
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