Zunächst unauffindbar
Nawalny-Team bestätigt dessen Tod – Mutter und Anwalt suchen Leiche des Kremlgegners

17.02.2024 | Stand 18.02.2024, 14:33 Uhr

Blumen und Bilder liegen nach dem Tod Nawalnys vor der russischen Botschaft. Nach Angaben der russischen Justiz war der 47-jährige Nawalny am Freitag gestorben, nachdem er sich bei einem Hofgang im Straflager unwohl gefühlt und das Bewusstsein verloren habe. Der Tod des Oppositionspolitikers, der nach einem Giftanschlag trotz drohender Haft 2021 nach Russland zurückgekehrt war, löste international Bestürzung aus. − Foto: Fabian Sommer/dpa

Die Mutter des im Straflager getöteten Kremlgegners Alexej Nawalny hat die Mitteilung über den Tod ihres Sohnes erhalten. Das Team des Oppositionellen fordert die Übergabe des Leichnams. Diese scheint zunächst unauffindbar zu sein.



Das Team des Kremlgegners Alexej Nawalny hat dessen Tod bestätigt und fordert die russischen Behörden zur sofortigen Herausgabe seines Leichnams auf. „Wir fordern, dass die Leiche von Alexej Nawalny unverzüglich an seine Familie übergeben wird“, erklärte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmisch am Samstag. Ein Mitarbeiter des Straflagers in der russischen Polarregion habe mitgeteilt, dass sich die sterblichen Überreste in der Stadt Salechard befänden und „von den Ermittlern zu “Untersuchungen„ mitgenommen wurden“, hieß es weiter.

Kurz darauf teilte Jarmisch mit, dass sich Nawalnys Leiche nicht am von der Gefängnisverwaltung angegebenen Ort befinde. Nawalnys Anwalt, der am Samstag zusammen mit der Mutter des verstorbenen Oppositionspolitikers in Salechard eintraf, habe die Telefonnummer der geschlossenen Leichenhalle angerufen und die Auskunft erhalten, dass „Alexejs Leiche nicht in der Leichenhalle ist“, erklärte Jarmisch.

„Wir warten immer noch auf die offizielle Sterbeurkunde“



Der 47-jährige Nawalny war nach Angaben der russischen Behörden am Freitag in der Strafkolonie in Charp in der Polarregion zusammengebrochen und gestorben. Der Tod des entschiedenen Kreml-Kritikers und prominenten Widersachers von Staatschef Wladimir Putin löste vor allem in westlichen Staaten Bestürzung aus.

In der Strafkolonie wurde Nawalnys Mutter nach Angaben von Sprecherin Jarmisch ein „offizielles Dokument“ überreicht, das den Tod ihres Sohnes bestätigt. Gemeinsam mit einem Anwalt habe Ljudmila Nawalnaja die Hafteinrichtung in der Polarregion aufgesucht, wo sie zwei Stunden warten musste. Laut dem ihr ausgehändigten Dokument starb Nawalny „am 16. Februar um 14.17 Uhr (Ortszeit, 10.17 Uhr MEZ)“, teilte Jarmisch mit. „Wir warten immer noch auf die offizielle Sterbeurkunde“, betonte sie.

Menschenrechtler werfen dem russischen Machtapparat Mord vor. Auch die Mitarbeiter des prominenten Anti-Korruptionskämpfers gingen davon aus, dass Nawalny gezielt getötet wurde.

Menschen in Russland trauern



Nach dem Tod Nawalnys trauern die Menschen in Russland trotz Festnahmen und Drucks der Behörden weiter um den Oppositionellen. Es gab auch am Samstag zahlreiche Festnahmen etwa in Moskau und in St. Petersburg. Medien in vielen Teilen Russlands berichteten, dass trotz Räumungsaktionen und Festnahmen weiter frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an Nawalny aufgestellt wurden.

Nach Informationen von Menschenrechtlern gab es landesweit mehr als 100 Festnahmen. Das Internetportal ovd.info berichtete am Samstagmorgen, dass seit Freitag allein in St. Petersburg mehr als 60 Menschen festgenommen worden seien. Festnahmen gab es demnach in zehn Städten, darunter auch in Moskau, Brjansk und Krasnodar. Die Bürgerrechtler gaben auch juristische Hinweise für das Niederlegen von Blumen und veröffentlichten die Nummer einer Telefon-Hotline für anwaltliche Hilfe. Viele Russen hatten nach dem Tod Nawalnys öffentlich ihre Wut geäußert.

Weltweit anerkannter russischer Oppositionsführer



„Wie groß doch selbst die Angst des Machtapparates vor einem Toten ist, wenn sogar das Ablegen von Blumen zu seinem Andenken als Verbrechen angesehen wird“, schrieb der russische Friedensnobelpreisträger und Gründer der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, Dmitri Muratow, am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram.

Nawalny habe als weltweit anerkannter russischer Oppositionsführer die Hoffnung auf eine Zukunft nach der Diktatur verkörpert, schrieb der Experte Alexander Baunow für die Denkfabrik Carnegie am Samstag. Auch im Straflager sei der Politiker für den Kreml ein Ärgernis geblieben. „Doch zeugt das Streben selbst, eine solche Reizfigur loszuwerden, auch davon, dass das Regime nicht so von sich und seiner Zukunft überzeugt ist, wie es selbst gern erscheinen mag.“

Russlands Machtapparat geht immer wieder mit Gewalt gegen Andersdenkende vor. Proteste werden in dem Land schon seit Jahren nicht erlaubt.

− dpa/afp