Schon früher Bescheid gewusst?
Missbrauchsskandal: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kardinal Woelki

09.11.2022 | Stand 09.11.2022, 19:20 Uhr

Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln. −Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Die Staatsanwaltschaft Köln hat am Mittwoch ein Ermittlungsverfahren gegen Kardinal Rainer Maria Woelki eingeleitet. Untersucht werde der Vorwurf der falschen Versicherung an Eides Statt, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn. Woelki hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe inzwischen zurückgewiesen.



Auslöser für die Ermittlungen sei ein am Mittwoch im „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlichtes Interview mit der ehemaligen Assistentin des Personalchefs im Erzbistum Köln, Hildegard Dahm. Dahm sagt in dem Interview, dass sie Woelki frühzeitig über Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Sternsinger-Chef Winfried Pilz informiert habe. Sie habe es „nicht mehr ausgehalten (...), Dinge aus erster Hand zu wissen, die den öffentlichen Aussagen von Kardinal Woelki widersprechen, speziell zum Fall des früheren Sternsinger-Präsidenten Winfried Pilz“, sagte die Katholikin.

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Dem 2019 gestorbenen Pilz werden Missbrauchsvorwürfe gemacht. Woelki hat in einem presserechtlichen Verfahren versichert, erst ab der vierten Juniwoche dieses Jahres mit dem Fall befasst worden zu sein.

Dahm sagte nun in dem Interview, sie habe im Januar 2015 persönlich eine Excel-Liste für Woelki erstellt mit allen damals aktuellen Missbrauchsfällen. Auf dieser Liste hätten 14 Namen gestanden, darunter der von Pilz. Ihr Chef habe die Liste in ein Gespräch mit Woelki mitgenommen. Hinterher habe sie ihren Chef gefragt, was Woelki zu der Liste gesagt habe. Darauf habe dieser geantwortet: „Das hat den Kardinal überhaupt nicht interessiert.“ Sie sei daraufhin „wie versteinert“ gewesen.

Dahm widerspricht Woelki-Darstellungen: „Das ist nicht wahr“

Vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ darauf hingewiesen, dass Woelki sage, er sei erst im Juni 2022 mit dem Fall Pilz befasst worden, antwortete Dahm: „Das ist nicht wahr. Mag sein, dass er sich das Blatt mit Pilz und den anderen 13 Namen nicht angeschaut hat. Aber befasst habe ich ihn damit. Ganz eindeutig. Deshalb war ich auch so entsetzt über die Selbstdarstellung des Kardinals in der Öffentlichkeit.“

Dahm war von 2013 bis 2017 im Generalvikariat - der Zentralverwaltung des Bistums - beschäftigt. Danach übernahm sie in einem Kirchengemeindeverband die Verwaltungsleitung.

Woelki steht seit Jahren unter Druck, unter anderem wird sein Umgang mit Missbrauchsvorwürfen kritisiert. Papst Franziskus hatte ihn vor einiger Zeit aufgefordert, ein Rücktrittsgesuch bei ihm einzureichen. Das hat Woelki getan. Der Papst hat bisher aber noch nicht darüber entschieden, ob er es annimmt.

Woelki lässt Vorwürfe zurückweisen

Inzwischen hat Woelki die Vorwürfe zurückgewiesen. „Auch dieser erneute Versuch, Kardinal Rainer Maria Woelki eine falsche Eidesstattliche Versicherung zu unterstellen, ist unbegründet“, teilte das Erzbistum am Mittwoch mit.

Der Erklärung zufolge sage Dahm in dem Interview selbst, sie sei sich nicht sicher, ob sich Woelki eine von ihr erstellte Liste mit dem Namen von Pilz und anderen Missbrauchsverdächtigen angeschaut habe. „Sie weiß also gar nicht, ob der Kardinal diese, eine andere oder gar keine Liste gesehen hat, behauptet dieses aber einfach ins Blaue hinein“, kritisierte das Erzbistum.

Woelki habe niemals versichert, dass der Name von Pilz nicht auf einer von wem auch immer erstellten Liste gestanden habe. Vielmehr habe er versichert, dass er dessen Akte nicht gekannt habe.

Woelkis Sprecher sagte, er persönlich habe den Verdacht, dass der Kardinal vor seinem in der nächsten Woche anstehenden Besuch beim Papst in Rom „von interessierten Kreisen noch einmal mit uralten Geschichten, die längst geklärt sind, an den Pranger gestellt werden“ solle.

Das Erzbistum werde jetzt arbeitsrechtliche Schritte gegen Dahm prüfen. „Denn diese hat aus dem sensiblen Bereich der Personalführung berichtet und dafür ihre Vertrauensstellung benutzt. Das ist streng untersagt und das kann kein Arbeitgeber dulden.“

− dpa