Wie weit darf der Protest gegen eine als existenziell wahrgenommene Bedrohung gehen? In Großbritannien testen Klimaschützer die Grenze aus. Ihre Aktion am berühmten Gemälde „Sonnenblumen“ des niederländischen Künstlers Vincent van Gogh in London stößt im Netz auf geteilte Meinungen.
Mit Tomatensuppe aus der Dose ausgerüstet liefen die Umweltschützerinnen in der National Gallery in London zu van Goghs berühmten Gemälde „Sonnenblumen“ und übergossen das Werk aus dem Jahr 1888. Wie die National Gallery mitteilte, blieb es unbeschadet. Britischen Medien zufolge war das Gemälde, das einen Schätzwert von umgerechnet rund 84 Millionen Euro hat, durch eine Glasscheibe geschützt. Ein Video des Vorfalls verbreitete sich im Netz und rief gemischte Reaktionen hervor. Während viele User Kritik an der Aktion äußerten, verwiesen andere auf die ernste Bedrohung durch den Klimawandel.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kritisierte die Aktion auf Twitter scharf. „Es ist gut, öffentlich für seine Überzeugungen einzustehen. Aber das gibt niemanden das Recht zur Sachbeschädigung“ schrieb er.
Es ist gut, öffentlich für seine Überzeugungen einzustehen. Aber das gibt niemanden das Recht zur Sachbeschädigung. Und für richtig dumm halte ich es, für eine angeblich gute Sache zu werben, indem man Kulturschätze buchstäblich durch den Schmutz zieht. #gemälde #sonnenblumen — Marco Buschmann (@MarcoBuschmann) October 14, 2022
Der Kabarettist Florian Schroeder meinte, die Demonstrantinnen hätten ihrem Anliegen durch die Aktion mehr geschadet als genutzt.
Die Extremisten der Klimabewegung, die van Gogh-Gemälde mit Tomatensuppe übergießen, schaden ihren eigenen Anliegen effizienter als alle Klimawandel-Leugner zusammen. — Florian Schroeder (@Schroeder_Live) October 14, 2022
Moderator Micky Beisenherz warf die Frage auf, ob man radikale Botschaften in homöopathischen Dosen vermitteln könne - und zeigte damit Verständnis für das Anliegen der Aktivistinnen. Er kritisierte jedoch die Umsetzung des Protests und bezeichnete die Demonstrantinnen einige Tweets zuvor als „Vollspackos“.
wenn es darum geht, „die Richtigen“ zu adressieren glaube ich nicht, dass any PR good PR ist. Wahr ist auch: Zu erwartende Extremwetterphänomene werden Kunstwerke deutlich massiver beschädigen als es Tomatensuppe je könnte. Gibt es radikale Botschaften in homöopathischen Dosen? — Micky Beisenherz (@MickyBeisenherz) October 14, 2022
Der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann bewertete zwei Dosen Tomatensuppe dagegen als „Klacks“ im Vergleich zum Schaden, der durch die Fossilindustrie angerichtet würde.
Im Vergleich dazu, was die Fossilindustrie der Erde antut, sind zwei Dosen Tomatensuppe ein Klacks. — Jan Böhmermann (@janboehm) October 14, 2022
Twitter-Nutzer Gavin Karlmeier korrigierte „Klacks“ in einer scherzhaften Antwort zu „Klecks“.
Der bayerische FDP-Landesvorsitzende Martin Hagen kommentierte die Aktion mit Humor: „Mit Essen spielt man nicht“, schrieb er in einem Tweet
Meine Oma hätte mir die Ohren lang gezogen. Nicht wegen dem van Gogh - wegen der Tomatensuppe. Mit Essen spielt man nicht! https://t.co/04iLPvO3Mt — Martin Hagen (@_MartinHagen) October 14, 2022
Der Moderator Aurel Mertz kritisierte in einem Tweet, dass die öffentliche Aufmerksamkeit für Themen oft in keinem Verhältnis zu deren Wichtigkeit stehe, und folgerte: „Schon auch selbst schuld“
Schon auch selbst schuld wenn die scheiß Tomatensuppe auf dem Van Gogh heute direkt mehr Presse als die fucking KLIMAKATASTROPHE und die Situation im Iran zusammen bekommt. — Aurel (@aurelmertz) October 14, 2022
„Just Stop Oil“ demonstriert bereits seit zwei Wochen in London mit Sitzblockaden gegen die Vergabe neuer Lizenzen zur Öl- und Gasförderung in Großbritannien. Ebenfalls am Freitag wurden 24 Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe vor dem Hauptquartier der Londoner Polizei festgenommen, nachdem sie das Scotland-Yard-Zeichen mit Farbe beworfen und den Verkehr blockiert hatten.
− dpa/in