April, April
Ibidumm, Burger für Linkshänder und Trauung via Internet: Gibt es den Aprilscherz noch?

01.04.2024 | Stand 01.04.2024, 19:35 Uhr

Scherze am 1. April - die Tradition weicht mehr und mehr der Prank-Kultur, sagt der Regensburger Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder. − Foto: dpa

Pünktlich am 1. April flunkern sich Menschen an oder spielen sich einen Streich. Das gilt als Tradition. Einige Aprilscherze sind sogar in die Geschichte eingegangen. Aber wie bedeutsam ist „April, April“ eigentlich heute noch?



„Ich war ca. acht Jahre alt, als ich von meinem Papa den Auftrag bekam, ihm aus der Apotheke ein Medikament namens ´Ibidumm` zu besorgen“, erinnert sich eine PNP-Redakteurin (45) heute. Stolz wie Oskar ob der wichtigen ihr anvertrauten Aufgabe sei sie in die Apotheke marschiert. Die Reaktion der Apothekerin weiß sie heute nicht mehr, wohl aber erinnert sie sich an das von Lachtränen überströmte Gesicht ihres Vaters, als sie aus dem Geschäft kam.

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Aprilscherze, die in die Geschichte eingingen

Aprilscherze waren bis vor wenigen Jahren Gang und Gäbe. Wir erinnern uns an Thomas Gottschalk, der 2006 seinen Rückzug aus Wetten dass...?!?-Moderator ankündigte (tatsächlich hörte er erst 2011 bei der erfolgreichen Samstagabend-Show auf). Oder an die Pariser Zeitung, die 1986 für Empörung sorgte, weil der Eiffelturm ins Disneyland verlegt werden sollte. Sogar die seriöse Tagesschau verkündete 2007, dass ihre berühmte Erkennungsmelodie künftig vom Band käme und nicht wie bisher live im Studio durch das anwesende Symphonieorchester gespielt werde. Unter anderem die Bild-Zeitung glaubte 2005 einem Stuttgarter Stadtrat, demzufolge die schwäbische Kehrwoche zum Weltkulturerbe der UNESCO ernannt wurde. Und ein neuer Burger extra für Linkshänder mit besonderer seitenverkehrter Belegung sorgte 1998 für einen Ansturm auf die Schnell- Restaurants von „Burger King“.

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Wenn Redakteure von Redakteuren in den April geschickt werden

Auch die Zeitungen der Mediengruppe Bayern schickten ihre Leser ab und an in den April. Manche so gut, dass sogar die eigenen Kollegen darauf hereinfielen. Der Vilshofener Anzeiger etwa berichtete Ende der 2010er Jahre - also noch vor Corona - von der neuen Möglichkeit der Internet-Trauung. Hochzeitspaare, die aus verschiedenen Gründen nicht vor Ort sein konnten, durften sich virtuell per Videokonferenz von einem Pfarrer trauen lassen. Die damals Dienst habenden Kollegen in der Online-Redaktion fanden die Geschichte so toll, dass sie die Internet-Trauung als Top-Meldung für den nächsten Tag - den 1. April - einplanten. Auf pnp.de war die Geschichte dann auch zu lesen, wenn auch nur ein paar Minuten lang. Dem an diesem Morgen arbeitenden Redakteur kam die Story am 1. April doch ein wenig „komisch“ vor, wie er heute sagt.

Pranks ersetzen den Aprilscherz

Heute allerdings verlieren Aprilscherze mehr und mehr an Bedeutung. „Die ´Prank-Kultur` hebelt den Aprilscherz aus“, erklärt der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg gegenüber der dpa. Dabei filmen Menschen, wie sie anderen einen Streich spielen - und das völlig unabhängig von einem bestimmten Datum. Zudem komme der Aprilscherz nicht mehr gegen die tägliche Flut von Bildern aus dem Internet an. Der Aprilscherz lebe von einem Mini-Skandal im öffentlichen Raum, sagt Hirschfelder. Im Internet gebe es in Bezug auf Bilder aber fast keine Skandale mehr, weil fast alles gezeigt werden könne.

Auch Internet und Fernsehen spielen bei Aprilscherzen eine Rolle: Die zunehmend digitalisierte Welt habe den Humor verändert, sagt Hirschfelder. Der Aprilscherz lebe zwar von einer direkten Interaktion, aber „dadurch, dass wir nicht nur digital kommunizieren, sondern zunehmend asynchron, verliert der Humor an Bedeutung“, sagt er. Humor lebe vom Spontanen und der Aprilscherz erst recht - bei einer digitalen und asynchronen Interaktion könne das Spontane nicht mehr entstehen.

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Ein weiterer Aspekt für die abnehmende Bedeutung ist laut Hirschfelder die allgemeine Kommerzialisierung der für die Bräuche etablierten Termine: Valentinstag, Halloween oder Weihnachten spielten eine immer größere Rolle. Hirschfelder dazu: „Dinge, die sich überhaupt nicht kommerzialisieren lassen, verlieren rapide an Bedeutung. Heutige kulturelle Marker brauchen nicht nur eine mediale, sondern eine kommerzielle Komponente. Das fehlt beim 1. April.“

Was eine Lüge von einem Aprilscherz unterscheidet

„Lügen sind intentionale Falschaussagen“, erklärt Philipp Gerlach, Professor für Allgemeine und Sozialpsychologie an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Das bedeutet nach seinen Worten: Wir behaupten absichtlich etwas, damit eine andere Person etwas glaubt, von dem wir wissen, dass es nicht stimmt. Eine Lüge ist damit also eine geschriebene oder ausgesprochene absichtliche Täuschung. Ein Aprilscherz kann, muss aber keine Lüge sein. Und wenn, dann wird ein Aprilscherz in der Regel später aufgelöst. Eine derartige Auflösung passiere bei „klassischen“ Lügen meist nicht.

Woher der Brauch am 1. April eigentlich kommt

Der Aprilscherz ist primär ein westliches Phänomen. Doch wann genau der Brauch entstand, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Seit 1618 ist die Redensart „jemanden in den April schicken“ in Bayern überliefert, die Bezeichnung „Aprilscherz“ bürgerte sich dagegen erst später ein, erklärt Hirschfelder. Das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm aus dem Jahr 1854 kennt zwar schon den „Aprilsnarr“, den „Aprilscherz“ aber nicht. Die Ursprünge kultureller Muster seien selten genau herauszubekommen, sagt der Kulturwissenschaftler.

Bis zum Beginn der Neuzeit spielten Kalenderdaten gar keine Rolle, sagt Hirschfeld. „Vor allem der mittelalterliche Mensch und letztlich auch der antike Mensch agierte im Rahmen von Jahreszeiten, im Rahmen von Ernte und Aussaat.“ Das habe sich erst mit dem Beginn der Neuzeit geändert, erklärt Hirschfeld und ergänzt: „Was man zu bestimmten Brauchterminen faktisch getan hat, ist für uns weitestgehend eine Blackbox.“